Günstiges Doppelbesteuerungsabkommen zieht Multis aus Brasilien an

Dank günstiger Doppelbesteuerungsabkommen nützen immer mehr internationale Konzerne Österreich als Holding-Drehscheibe. Jetzt kommen Multis aus Brasilien.

Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft 2014, Schauplatz der Olympischen Spiele 2016 und seit 2011 die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, noch vor Großbritannien - der 195-Millionen-Einwohner-Staat Brasilien rückt im Moment ins Zentrum weltweiter Aufmerksamkeit. Und das vergleichsweise kleine Österreich genießt im aufstrebenden südamerikanischen Wirtschaftwunderland traditionell höchstes Ansehen. Das mag auf Leopoldina, die erste Kaiserin aus dem Hause Habsburg, zurückgehen, die die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal (1822) mit Einfluss und Geschick unterstützt hatte. Das kann an Stefan Zweig liegen, der mit seinem Exil-Spätwerk "Brasilien - das Land der Zukunft“ eine Hymne auf das Land der eleganten Kicker und heißen Samba-Rhythmen hinterließ.

Die Beliebtheit der Alpenrepublik - vor allem bei der brasilianischen Exportindustrie - beruht aber auch auf einem sperrigen Gesetzeswerk aus dem Jahr 1976: " Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen “. Durch den Aufstieg der dortigen Großkonzerne - beispielsweise der Ölmulti Petrobras, der Bergbau- und Minenkonzern Vale oder der Anlagenbau-Gigant Odebrecht - zu globalen Playern im Zuge des rasanten Wirtschaftsaufschwungs des BRICS-Landes haben sie auch die hierzulande kaum bekannten Vorteile dieses an sich stinknormalen Doppelbesteuerungsabkommens entdeckt.

Die Folge: Seit einigen Jahren werden vorwiegend in Wien jede Menge unauffälliger Holdinggesellschaften gegründet. Über diese wird dann ein Gutteil sämtlicher Geldflüsse aus den internationalen Geschäften dieser brasilianischen Großunternehmen kanalisiert. "Die Gründungen dieser Holding-GmbHs haben etwa 2003 begonnen und werden immer beliebter“, sagt der Wiener Steuerrechtsexperte Paul Doralt von der Anwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis (DBJ). "Inzwischen werden Hunderte Milliarden Euro über solche österreichischen Zwischengesellschaften steuerschonend transferiert und verwaltet.“

Schachtelprivileg

Das Prinzip dieses Kreislaufs funktioniert so: Gewinne brasilianischer Exportunternehmen, sogenannter Controlled Foreign Corporations, die diese im Ausland erwirtschaften, werden nicht erst bei der Ausschüttung in Brasilien besteuert, wo die Körperschaftssteuer 34 Prozent beträgt. "Vielmehr wird quasi eine sofortige Ausschüttung unterstellt“, sagt Stefan Kainberger von der Wirtschaftstreuhandgesellschaft Ernst & Young, "und daher eine allfällige Differenz zwischen ausländischem und brasilianischem Körperschaftssteuersatz in Brasilien nacherhoben.“ Dividenden aus Österreich bleiben aber aufgrund des im Doppelbesteuerungsabkommen festgeschriebenen "Schachtelprivilegs“ vom brasilianischen Fiskus verschont.

Um nun die Körperschaftssteuer in Brasilien zu vermeiden, ordnen mehr und mehr dortige Konzerne ihre internationalen Tochterfirmen gesellschaftsrechtlich ganz einfach einer in Österreich domizilierten Dach-GmbH zu. Sie tragen Allerweltsnamen wie Vale Austria Holdings, Petrobras Holding oder Odebrecht Services.

In diese wiederum fließen dann die Gewinne und Dividenden der in den jeweiligen Exportmärkten - etwa in den USA, China und aus historischen Gründen oft auch in Portugal und Angola - operativen Subgesellschaften. Da viele dieser Gelder wieder dorthin reinvestiert werden, lassen sich die Profite der hiesigen Holdings äußerst überschaubar gestalten. Etwas Gewinn muss allerdings übrig bleiben, sonst greift das Doppelbesteuerungsabkommen nicht. Von diesem bisschen werden in Österreich Kapital- und Körperschaftsertragssteuer abgeführt. "Das ist sowohl für den heimischen Fiskus als auch für die Konzerne höchst attraktiv“, so Doralt. "Denn alles in allem fallen durch diese Konstruktion deutlich weniger Abgaben an, als sonst in Brasilien bezahlt werden müssten.“

Beliebtes Geschäftsmodell

Diese österreichischen Holdinggesellschaften sind inzwischen über den Status reiner Briefkastenfirmen hinausgewachsen, beschäftigen bis zu zwei, drei Dutzend lokale Fachkräfte und auch Expatriates und haben sich zu einer begehrten Kundschaft heimischer Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien entwickelt. Ernst & Young etwa betreut Vale und den Mischkonzern Votorantim. DBJ die Banco do Brasil, deren internationales Bankennetzwerk ebenfalls an der österreichischen Niederlassung hängt, den Großkonstrukteur Odebrecht, der auf seine deutschen Einwandererwurzeln stolz ist, oder den Eisen- und Stahlkonzern CSN. Die britische Law-Firm Freshfields wiederum kann den Ölmulti Petrobras als Wiener Kunden in der Referenzliste führen.

Damit dürfte Österreich als Holding-Standort im europäischen Länderwettbewerb in Sachen Steuervorteile bereits Luxemburg und die Schweiz überholt haben. Auf Platz eins liegt nach wie vor Holland, das diesbezüglich noch attraktivere Rahmenbedingungen bietet.

Die Alpenrepublik kann in dieser Hinsicht auch auf eine längere Tradition verweisen. So haben etwa Konzerne wie IBM, Siemens, Coca-Cola oder Henkel seit Jahrzehnten hier Holdinggesellschaften etabliert, hauptsächlich um ihr Osteuropa-Geschäft zu bündeln. Auch die russischen Öl- und Gasriesen Lukoil und Gazprom, die in der Gazprom Neft Trading GmbH am Wiener Schwarzenbergplatz ihre Handelsaktivitäten konzentriert hat und eines der umsatzstärksten Unternehmen Österreichs ist, schätzen die hiesigen Fiskalgesetze. Nicht zu vergessen auch die IPIC-Holding, besser bekannt als International Petroleum Investment Company, der Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate. Er hält rund 31,5 Prozent an der OMV (siehe FORMAT Nr. 10/2012). Und auch die 9,1-Prozent-Beteiligung am Autokonzern Daimler ist dieser Wiener Holding zugeordnet.

GRAFIK: Der Geldfluss

- Rainer Himmelfreundpointner