Herbst-Reisetipp: Spaniens wilder Westen
Noch ist die Extremadura ein Geheimtipp. Das wird sich schnell ändern. Feinschmecker und Kulturinteressierte beginnen gerade, Spaniens authentischste Region zu entdecken. Der Spätsomer und der Herbst sind ideale Reisezeiten.

Neulich in der Extremadura. José Polo steht mitten in seinem wunderschönen Restaurant und hat einen Traum. Er wolle berühmte Künstler hierher in das Städtchen Cáceres einladen, erzählt er uns, damit sie als Artists in Residence über die Stadt und über die Region nachdenken und Kunstwerke schaffen. Er wolle Cáceres zu einem Ort machen, an dem Kunst und Kultur, Geschichte und Natur besonders effektvoll aufeinandertreffen.
Einen anderen Traum hat sich José bereits erfüllt. Gemeinsam mit Toño Peréz, einem der besten und bekanntesten Küchenchefs Spaniens, hat er hier, mitten in Cáceres, an der Plaza de San Mateo ein Restaurant samt Hotel errichtet, das jeder schicken Metropole dieser Welt zu höchsten Ehre gereichen würde. Es heißt Atrio und hat sich zwei Sterne bei Michelin erkocht. Das Hotel ist Mitglied der feinen Relais-&- Chateaux-Gruppe: ein elegant-moderner Bau, den das gefragte spanische Architekturbüro Mansilla +Tuñón einem historischem Gebäude aufgesetzt hat: cooles, nahezu skandinavisch anmutendes Design, viel Weiß, viel Schwarz. Und weil Toño so ein herausragender Koch ist und José einen Weinkeller zusammengetragen hat, der - so die angesehene Zeitschrift "Wine Advocat" - der beste ist, den weltweit ein Restaurant zu bieten hat, sind die Extremadura und vor allem Cáceres auf einmal gefragte Ziele unter Gourmets und Weinkennern.
MÉRIDA.
Der Plaza de España bildet das Zentrum der Hauptstadt der Extremadura. Bild: © mauritius images / Alamy
Selbst für die meisten Spanier ist die Extremadura ein unbekanntes Land. Jetzt staunen sie alle. So authentisch, sagen sie dann, ist Spanien nirgendwo sonst. Und das sollte man wissen, bevor man sich auf die Reise macht:
Spaniens wilder Westen
Die Extremadura befindet sich nördlich von Andalusien an der portugiesischen Grenze. In der Römerzeit hatte die Extremadura, die damals Teil der Provinz Lusitania war, einen guten Ruf als Rentnerparadies. Vor allem die Stadt Mérida kann davon Zeugnis ablegen. Hier befinden sich nicht nur ein römisches Theater, Aquädukte, Zisternen und ein Amphitheater, sondern auch ein eindrucksvolles Museum, das
Museo Nacional de Arte Romano
.
Was heute vor allem aber einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, ist die Landschaft. Sie ist weit, urig, wild und nahezu menschenleer. "Dehesa" nennt man diese einmalige Kulturlandschaft mit den riesigen Weideflächen, den Steineichen und den saftig grünen Wiesen, auf denen Schweine und Stiere gezüchtet werden. Aus den einen wird der berühmte Schinken Jamón Ibérico de Bellota, die anderen werden in die besten Stierkampfarenas Spaniens exportiert.
MÉRIDA.
Die Ruine des Teatro Romano erinnert an die römische Vergangenheit. Bild: © Getty Images
Mittelalter trifft Moderne: Cáceres
Cáceres ist nicht nur Heimat dieses wunderbaren Restaurants namens Atrio (restauranteatrio. com), es ist auch die Stadt mit dem eindrucksvollsten mittelalterlichen Stadtkern. Hinter einer maurischen Stadtmauer finden sich schmale Gassen mit Kopfsteinpflaster, prachtvolle Kirchen, Klöster, die leckere Süßigkeiten verkaufen, ein klassischer Parador, der jüngst renoviert wurde und heute ein schönes Hotel beherbergt, Restaurants, Bars und Paläste.
Cáceres hat aber auch ein bemerkenswertes Museum moderner Kunst: das Centro de Artes Visuales , das die hochkarätige Privatsammlung der Sammlerin Helga de Alvear ausstellt.
Der Weg des Fleisches: Jamón Ibérico de Bellota.
Wirklich weltberühmt ist die Extremadura für ihren Schinken. Wer wissen will, wo er herkommt und was sein Geheimnis ist, muss sich auf Schweine-Safari begeben. Die
Finca "Aldea del Condo"
, zwischen Mérida und Zafra gelegen, ist eine der größten der Gegend. Dort kann man sie sehen: Die putzigen, wieselflinken kleinen dunklen Schweine, die von Eichelbaum zu Eichelbaum rennen, Muskeln aufbauen, statt Fett anzusetzen, und die dann später zu diesem famosen und unvergleichlichen Schinken verarbeitet werden.
Ein guter Platz zum Sterben: das Kloster Yuste
Als Karl V. merkte, dass es mit ihm zu Ende ging, suchte er sich einen besonders schönen Ort, um dort seine letzten Jahre zu verbringen. Und so kam der Kaiser, der bekanntlich über ein Reich herrschte, in dem die Sonne niemals unterging, in die Extremadura: ins
Monasterio de Yuste
. Es ist immer noch ein schöner Ort.
Aus der Extremadura in die weite Welt: die Conquistadores
Bemerkenswert ist, dass viele der Conquistadores, jener Männer, die im 16. Jahrhundert den amerikanischen Kontinent eroberten, aus der Extremadura stammten: Hernán Cortés zum Beispiel, der die Azteken besiegte, oder Francisco Pizarro, der das Inkareich eroberte. Dass ein Enkel des letzten Aztekenherrschers Montezuma schließlich den umgekehrten Weg ging und sich in Cáceres niederließ, ist eine interessante Fügung des Schicksals: So leben auch heute noch die Nachfahren Montezumas in Cáceres und zählen, so heißt es, immer noch zu den Stützen der Gesellschaft.