In Wien reißen derzeit die Vorschläge, Grund- und Wohnungsbesitzern vorzuschreiben, was sie mit ihrem Eigentum zu machen haben, derzeit nicht ab. Nachdem dem SPÖ-Organisation Junge Generation Wien gestern für eine Zwangsabgabe für leerstehende Wohnungen plädierte, will nun Karl Wurm, Obmann der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), den geförderten Wohnbau durch Zwangsabgaben ankurbeln. Er schreckt und nicht vor Enteignung zurück.
Für Zuzug aus dem EU-Raum und dem Balkan sollen Grundbesitzer zum Verkauf ihres Eigentums gezwungen werden
Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung: "Der konstante Bevölkerungszuwachs, mit dem noch vor einigen Jahren in dieser Form kaum jemand gerechnet hat - speziell Zuzügler aus dem EU-Raum und vom Balken - erfordert für Wien eine Neubauleistung von 9.000 bis 11.000 Einheiten jährlich." Zuletzt habe es hier 2013 aber nur 8.000 Förderzusagen gegeben, 30.000 in ganz Österreich. Die Stadt Wien gehe davon aus, dass die Bevölkerung von heute 1,77 Millionen bis 2041 auf 2,1 Millionen klettert, mehr sogar als die Statistik Austria annimmt.
Grundstücksbesitzer sollen indirekt teure Infrastruktur mitfinanzieren
Wie etwa Köln oder manchen Schweizer Städten, die ebenfalls mit massivem Zuzug zu kämpfen haben, sollte auch bei uns eine "Wertsteigerungsabgabe" überlegt werden, regt Raumplaner Schremmer an. Auf diese Weise sollen Grundstückbesitzer die für Kommunen teure Infrastruktur der Wohngebiete mitfinanzieren. In Köln etwa würden bei Umwidmungen zwei Drittel des Wertzuwachses zu diesem Zweck abgeschöpft, und nur ein Drittel verbleibe dem Begünstigten. Auch in Basel und Bern wird so massiv gegen das Eigentum vorgegangen. Kommt dieses "Wertsteigerungsabgabe" doch nichts anderes als einer teilsweisen Enteignung der Grundbesitzer gleich.
Eigentumsrechte stehen auf wackeligen Beinen
Eine Enteignung sei immer die "ultima ratio", und es gebe natürlich eine Entschädigungspflicht, betont Verfassungsjurist Michael Holoubek vom Institut für Österreichisches und Europäisches Recht an der WU Wien. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) lasse dem öffentlichen Interesse bzw. dem Gesetzgeber aber doch einiges an Gestaltungsmöglichkeit.
Eigentum sei ein Grundrecht, das sei klar, betont Holoubek weiter. Doch das steht offenbar auf wackeligen Beinen. Ob hier der Vertrauensschutz ewig gültig sei, wird der Rechtsprofessor gefragt. Er meint dazu: Lasse sich ein eminentes öffentliches Interesse nachweisen, könne man wohl über moderate Mittel nachdenken - wenn man sich vor Augen halte, welche Einschnitte trotz Vertrauensschutz etwa beim Pensionssystem toleriert würden. "Immanentes öffentliches Interesse" würde somit seiner Ansicht nach das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Eigentum aushebeln.
Die Enteignung einer konkreten Liegenschaft könnte aber doch Probleme aufwerfen, gibt der Jurist zu. Es müsste nämlich dafür von der öffentlichen Hand ein konkreter Bedarf nachgewiesen werden und auch dass kein anderes Mittel möglich sei zur Errichtung eines Mietwohnungsbaus - das werde aber wohl für ein bestimmtes einzelnes Grundstück nicht gelingen, so der WU-Professor vom Department für Öffentliches Recht und Steuerrecht. Auch mit Preisobergrenzen in Raumordnungen werde es wahrscheinlich ein Problem geben.