Richtig Ziele setzen: Visionen sind stärker als Druck und Disziplin
Neues Jahr, neue Ziele. Privat heißt das oft: Mehr Sport, gesünder Essen, weniger Stress aber auch in Unternehmen wollen Ziele im neuen Geschäftsjahr erreicht werden. Wer glaubt, es brauche nur genug Willenskraft, Disziplin und Druck irrt gewaltig, meint der Neurobiologe und Mentaltrainer Marcus Täuber. Warum wir im neuen Jahr auf Visionen und Vorstellungskraft setzen sollten.
Das Gehirn mag keinen Druck: Mit Fantasie zum Ziel.
"Gib Dein Bestes", "Du musst nur wollen", "Streng' Dich mehr an" - Aufforderungen wie diese sollen zu mehr Leistung und dem Erreichen von Zielen anspornen. Wir kennen sie aus dem Elternhaus, der Schule und dieser Stimme im eigenen Kopf. Sie schimpft uns "Versager", wenn wir mal wieder etwas nicht erreicht haben, sie macht uns Druck und schaltet sich ein, wenn wir Leistung bringen sollen, wenn wir etwas verändern wollen.
"Sätze wie ,gib Dein Bestes' erzeugen nicht Motivation, sondern führen zu Stress und Frustration, die sich dazu noch auf Kunden und Kollegen überträgt."
Wer denkt zu Beginn eines neuen Jahres nicht an Dinge, die er oder sie gerne erreichen möchte? Mit mehr Härte zu sich, Willenskraft und Disziplin wird damit höchstwahrscheinlich nichts, weiß Marcus Täuber. Der Neurobiologe und Mentaltrainer meint sogar, dass mit dieser Herangehensweise eher das Gegenteil eintritt: Mehr Leistung durch mehr Druck ist ihm zufolge ein Irrglaube: "Sätze wie ,gib Dein Bestes' erzeugen nicht Motivation, sondern führen zu Stress und Frustration, die sich dazu noch auf Kunden und Kollegen überträgt."
Mythos: Willenskraft
Auch Unternehmen müssen sich Ziele setzen und Leistung bringen. Teams, Mitarbeiter und Führungskräfte sind gerade zu Beginn eines neuen Geschäftsjahres angehalten, neue Ziele zur Performance-Steigerung zu definieren. Dabei gehen Manager nach einer aus dem Projektmanagement und der Personalführung gut bekannten Strategie vor: Ziele müssen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert, kurz SMART sein. Diese vermeintliche Erfolgsformel sabotiert aber gerade den Unternehmenserfolg, warnt Täuber. Aus wissenschaftlicher Sicht sind SMART-Ziele nur dann sinnvoll, wenn es um einfache Tätigkeiten mit klarer Strategie geht, wie etwa die Festlegung der Anzahl von Kundenbesuchen pro Tag.

SMARTe Ziele sind nicht immer smart
"Wir wollen Dinge nicht zu wenig, sondern zu sehr und wenn wir versagen kommen Schuldgefühle auf."
Ziele mit dem SMART-Prinzip anzugehen ist zwar simpel, logisch aber oftmals falsch, vor allem, wenn es um komplexe und dynamische Prozesse geht, so Täuber. Der Unternehmensberater: „Im Kontext von Vorgängen wie dem Ablauf von Kundengesprächen sind SMART-Ziele nicht nur wirkungslos, sie schaden auch. Wer mit zu viel Druck und Willenskraft an Ziele herangeht, sabotiert sich. Täuber gibt zu Denken: "Wir wollen Dinge nicht zu wenig, sondern zu sehr und wenn wir versagen kommen Schuldgefühle auf." Eine Studie zum Thema Diäten zeigt, dass Schuldgefühle beim Naschen, die Wahrscheinlichkeit von weiteren Rückfällen erhöhen. Selbstgeißelung führt also in einen Teufelskreis aus Druck und Versagen.
Ziele bedeuten Veränderung und sind Feinde der Gewohnheiten. Das Folgen von Gewohnheiten wird vom Gehirn als Belohnung empfunden, weil dabei nicht nicht viel nachgedacht und sich angestrengt werden muss. Abweichungen vom Gewohnten sind Störungen, die irritieren, nerven, ärgern. Täuber fasst den Zustand im Gehirn wie folgt zusammen: " Alte Gewohnheiten zu bekämpfen heißt also, auf Konfrontation mit dem eigenen Belohnungssystem zu gehen. Wir setzen uns unter Druck gegen etwas, das uns emotional eigentlich guttut."
Mit Visionen entspannt ans Ziel
Täuber rät, mit weniger Anspannung und dem richtigen Maß an Motivation an neue Dinge heranzugehen. Konkret heißt das in Sachen Mentaltraining, sein Kopfkino zu aktivieren. Visualisierte Ziele lassen entgegen Ergebniszielen Freiräume für flexibles Verhalten und Handeln offen, sie beflügeln die Kreativität. Statt dem "Was" sollte laut Täuber das "Wie" im Vordergrund stehen. Eine Mischung aus Entspannung und Motivation führt eher zu Lösungen als Anspannung, Versteifung und Druck. Demnach ist es besser, sich die Lösung vorzustellen als sich mit Willenskraft auf die Lösung zu versteifen. Mentaltraining heißt laut Täuber so viel, wie sich alles vorzustellen und auszumalen, was erreicht werden will, denn das beflügelt die Motivation: "Alles was Sie sich vorstellen, möchte ihr Gehirn gerne umsetzen. Stellen Sie sich vor, wie Sie Sport machen, wie Sie an Fitness zulegen, wie Sie neues Wohlbefinden erlangen."
Neue Gewohnheiten müssen also angelegt und gestärkt werden. Folgende Tipps können hierbei helfen:
- Aus Wiederholung wird Gewohnheit: Setzen Sie zu der neuen Gewohnheit einen neuen Reiz und halten Sie diese wie ein Ritual konstant. Beispiele: Sportkleidung rechtzeitig herrichten und immer am selben, gut sichtbaren Platz aufbewahren, immer zu selben Zeit Sport machen, sich immer in die gleiche Emotion bringen (z.B. mit der selben Musik), andere Menschen einbeziehen und z.B. als Gruppe in einem Fitnesskurs.
- Belohnung stärkt Motivation: Innere Motivation stellt sich bei neuen Verhaltensweisen erst nach ein bis zwei Wochen ein, deshalb muss Belohnung zunächst von außen kommen. Feiern Sie bereits kleine Erfolge, belohnen Sie sich nach dem Sport, vielleicht sogar mit einem kleinen Stück Schokolade oder verbinden Sie eine Serie, für die Sie sich nur selten Zeit nehmen oder ein spannendes Hörbuch mit dem Crosstrainer. Nach einer Weile wird das Gehirn selbst Glückshormone produzieren und die Belohnung kann weggelassen werden.
- Bewusst kleine Schritte setzen: Übertreiben Sie es zu Beginn nicht. Gewöhnen Sie sich langsam und schrittweise an das neue Verhalten. Wer im Fitnessstudio Vollgas gibt, wird rasch müde und frustriert. Was als zu anstrengend empfunden wird, wird rasch wieder aufgegeben. Kleine Dinge können schon das Verhalten Verändern, z.B. ein Stück Obst statt dem Kuchen zum Kaffee, prinzipiell die Treppen statt dem Aufzug nehmen oder eine Ubahn-Station vorher aussteigen und zu Fuß gehen.
Marcus Täuber ist promovierter Neurobiologe, diplomierter Mentaltrainer und
Lehrbeauftragter der Donau Uni Krems. 2015 gründete er das Institut für mentale
Erfolgsstrategien (IfMES).