Jobwechsel: Bleiben oder Gehen?
Aufgeben oder Durchhalten? Reduzieren oder Weiterbilden? Jobwechsel oder Selbständigkeit? Wer es im Job nicht mehr aushält und überlegt zu wechseln, sollte diesen Schritt gründlich vorbereiten. Auch wer sich für's Bleiben entscheidet, kann es sich leichter machen.
Bleiben oder Gehen? Ein Jobwechsel will gut durchdacht sein.
Der Chef nervt, die Kollegen sind gemein und die Aufgaben im Büro langweilen. Kaum ein Arbeitnehmer bleibt länger als vier Jahre in einem Unternehmen, so eine Umfrage der Online-Jobbörse Stepstone. Die Belastungen im Beruf häufen sich und die Zahl der Jobwechsel steigt. Doch diese Veränderung will gründlich durchdacht sein. Manchmal eröffnen sich ganz andere Perspektiven als erwartet. Wer nach gründlicher Abwägung doch im Job bleibt, kann sich mit ein paar Überlebenstricks selbst durch die Jobhölle führen.
Selbstreflexion
Sonja Rieder ist Karriereberaterin und Business Coach und legt jedem Unentschlossenen zunächst einmal nahe, in sich zu gehen: "Selbstreflexion ist der erste Schritt. Es ist wichtig, dem Frust auf den Zahn zu fühlen und sich der Motivation, den Job hinzuschmeißen, klar zu werden." Folgende Fragen sollten zunächst einmal gestellt und möglichst urteilsfrei für sich selbst beantwortet werden:
- Was genau stört und belastet mich?
- Kann ich mich mit meinem Arbeitgeber identifizieren?
- Was macht mir Spaß?
- Was kann ich gut, was will ich?
- Möchte ich mich weiter entwickeln? Bin ich unterfordert?
- Bin ich überfordert? Brauche ich Entschleunigung?
- Welche Tätigkeit ist sinnvoll?
- Wie ist mein Baugefühl? Stehe ich morgens schlecht auf, wie geht es mir nach der Arbeit?
- Was will ich mit dem Jobwechsel erreichen?
- Wo sehe ich mich in einigen Jahren?
Gespräche mit Kollegen, Freunden und Familie können dabei helfen sich selbst besser kennenzulernen und den eignen Wünschen und Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Schauen Sie sich ihren Job im Jahresrückblick an. Hatten Sie nur mal eine schlechte Phase oder war es über lange Zeit hinweg frustrierend?
Verantwortung übernehmen
Sonja Rieder gibt zu bedenken, dass ein "einfacher" Arbeitgeberwechsel oft als erste und einzige Maßnahme in Betracht gezogen wird, meist aber nicht das Problem löst. "Kostendruck, Umstrukturierungen und Überlastung, ein schlechtes Betriebsklima und Konflikte mit Kollegen erwarten einen sicher auch beim nächsten Job, wichtig ist auch die eigenen Anteile an Konflikten und Problemen zu erkennen." Das gilt für Konflikte auf menschlicher Ebene aber auch mit einem System. Liegt Ihnen die Arbeitsweise eines internationalen Konzerns nicht, überlegen Sie, ob nicht die Struktur eines mittelständischen Unternehmens oder eines Familienbetriebes besser zu Ihnen passt. Oftmals kann der Frust mit der Arbeit auch Anlass dazu sein, sich selbständig zu machen. Es gilt die eigenen Fähigkeiten und Bedürfnisse auszuloten. Was häufig nicht bedacht wird, ist, intern im Unternehmen zu wechseln. "Oft sind Betroffene ganz verblüfft, weil sie diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen haben. Arbeitgeberinterne Wechsel gehen leider nicht ganz so leicht, aber man sollte sie unbedingt andenken, und wenn man inhaltlich flexibel ist, kann es eventuell klappen," so die Karriereberaterin.
Werbung mit Bewerbung
"Werden Sie aktiv bevor der Hut brennt", empfiehlt Sonja Rieder. Es ist hilfreich, ein Gefühl zu bekommen, was man mit seiner Qualifikation und Erfahrung am Markt wert ist. Welche Jobs überhaupt in Frage kommen und zum Profil passen, wird durch das regelmäßige Lesen des Wirtschaftsteils der Zeitung klarer. Auch das Vernetzen auf Kongressen, über Karriereportale und soziale Netzwerke lässt leichter in Kontakt kommen und Kontakte halten. Die Karriereexpertin rät: "Managen Sie Ihre eigene Karriere. Kein Job wird ewig bestehen. Machen Sie sich fit für Veränderungen. Sich zu bewerben heißt auch Werbung für sich zu machen".
Überlebensstrategien
Die bewusste Entscheidung im Job zu bleiben ist nicht einfach. Für viele, die bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen davontragen, ist ein Wechsel beziehungsweise eine Auszeit unvermeidlich. Sinnverlust, viel Stress und Burn-out machen ein Durchhalten fast unmöglich. Wer unter Schlafstörungen leidet und von seinem Umfeld Sätze hört wie "Du hast dich irgendwie verändert", sollte die Reißleine ziehen. Ein Wechsel ist in manchen Fällen aber nur sehr schwer oder garnicht möglich. Sind finanzielle Einbußen zu erwarten und Verpflichtungen wie Haus, Kredit, Familie und Kinder ein Grund gegen den Jobwechsel, so gilt es sich mit gutem Selbstmanagement durch die Situation zu führen.
Workaholics kann es helfen, den Fokus zu verlegen und die Energie umzuschwenken. Weniger Überstunden machen und mehr Zeit für Privatleben, Familie, Hobbies und Ehrenamt nehmen. "Lösen Sie die Verkrampfung und schenken Sie anderen Lebensbereichen mehr Aufmerksamkeit", rät die Karriereberaterin. Menschen, die sich schwer abgrenzen können, sollten es mit Mentaltechniken probieren. Wer mit zwischenmenschlichen Problemen kämpft, kann sich über Distanzierungstechniken, Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) und Meditationstechnik mehr Freiraum verschaffen. Einfache Tricks können im Alltag schon viel bewirken: "Gestalten Sie sich Ihren Arbeitsplatz neu, machen Sie Ihren Schreibtisch zum Wohlfühlort, schließen Sie die Türe, halten Sie Pausen ein und konzentrieren Sie sich auf das, was Ihnen guttut und Freude bereitet", empfiehlt Sonja Rieder. Mit einer Weiterbildung kann die Zeit bis zu einem möglichen Wechsel außerdem sinnvoll überbrückt werden.
Während über einen Jobwechsel nachgedacht wird, sollte dieser möglichst nicht direkt angesprochen werden. "Geben Sie Ihrem Chef oder Kollegen in anderen Abteilungen subtil zu erkennen, dass Sie offen für Neues sind, aber hängen Sie Ihr Vorhaben nicht an die große Glocke", gibt Sonja Rieder zu bedenken. "Holen Sie Rat und Hilfe bei Freunden und Bekannten ein, aber machen Sie die Firma nicht zu Ihrer Familie - Kollegen können nicht beste Freunde sein, denn Konkurrenz schwebt im Job immer mit".

Sonja Rieder
Sonja Rieder ist selbständige Karriereberaterin, Business Coach und Psychotherapeutin in Wien.