Botox - Das Gift der ewigen Jugend und Schönheit

Vor 25 Jahren wurde entdeckt, dass das Nervengift Botulinumtoxin auch Falten glättet. Seither feiert es unter dem Namen Botox ungebremste Erfolge. Erfolg. Allergan ist der Botox-Marktführer. 2013 machtenmedizinische Anwendungen 54 Prozent der Umsätze aus.

Botox - Das Gift der ewigen Jugend und Schönheit

Vor einem Vierteljahrhundert wurde Botox für die Schönheitschirurgie entdeckt. Die Anwendungsmöglichkeiten haben sich über die Jahre als zahlreich herausgestellt. Für 27 Einsatzmöglichkeiten sind Allergan-Produkte momentan in 88 Ländern zugelassen. 2013 machten die medizinischen Anwendungen 54 Prozent der Umsätze aus, in wenigen Jahren sollen sie dem Unternehmen zufolge bei 60 Prozent liegen. Vor allem der Einsatz gegen Depressionen, der gerade in klinischen Studien getestet wird, sorgt für Interesse. Depressionen können sich auch in Form von verhärteten Stirnfalten ausdrücken. Werden diese mit Botox behandelt, soll sich quasi die physische Erleichterung positiv auf die Psyche auswirken. Das Hirn soll sich in Zukunft also von Botox austricksen lassen.

Alan B. Scott kann von sich behaupten, was die wenigsten von sich behaupten können: Er hat die Welt verändert. Der amerikanische Arzt war einer der ersten, die sich in den 1970er-Jahren mit dem hochpotenten Nervengift Botulinumtoxin beschäftigten. Heute ist es unter dem Handelsnamen Botox bekannt, und viel berühmter als für seine medizinische Wirkungen ist es für etwas, das Scott nur als Nebeneffekt auffiel - es glättet die Haut. Falten, Risse und Runzeln verschwinden. Die Spuren des Alters wurden reversibel.

Die Welt sieht anders aus, seit sich Alan B. Scott erstmals mit diesen Proteinen befasste: faltenfreier, manchmal fast versteinert und von einer Jugendlichkeit geprägt, die gerade bei Prominenten nicht immer nur auf Ausdauersport und Yoga zurückzuführen ist - sondern auf die "Wunderspritze“, wie die Behandlung mit Botox in den Society-Magazinen genannt wird.

Verscherbeltes Patent

Die Welt ist damit aber auch um eine wehmütige Erfolgsgeschichte reicher: Für 4,5 Millionen US-Dollar verkaufte Scott schon 1990 die Rechte an dem Präparat an das US-Pharmaunternehmen Allergan - lange bevor es zum großen Bestseller wurde. Das Ärztepaar Carruther, das den Schönheitseffekt im Augenbereich zuerst bemerkte, ging überhaupt völlig leer aus. Sie hatten für den kosmetischen Einsatz kein Patent angemeldet (siehe Zeitreihe rechts).

Die Carruthers und Scott wären heute gigantisch wohlhabend, wären sie damals ein bisschen weniger Mediziner und ein bisschen mehr Geschäftsleute gewesen. Rund 1,4 Milliarden Euro hat Allergan, der weltweit wichtigste Anbieter, allein im vergangenen Jahr mit Botox umgesetzt (siehe Grafik unten). 54 Prozent davon entfielen auf den medizinischen Bereich, für den Rest ist die Schönheitsindustrie verantwortlich. Allein in Österreich gab es im Vorjahr Schätzungen zufolge zwischen 60.000 und 80.000 Schönheits-Anwendungen. Ein Ende der Zuwächse ist nicht in Sicht.

Allergan hat das zu einem begehrten Übernahmeziel gemacht: Seit April versucht das kanadische Pharmaunternehmen Valeant eine feindliche Akquisition. Das Angebot von 41 Milliarden Euro soll noch bis Jahresende stehen, Allergan wehrt sich vehement.

Doch wie ist es zum Aufstieg dieses tödlichen Nervengifts gekommen? Was hat seinen Erfolg ausgemacht, dessen Dimension offenbar nicht einmal seine Erforscher abschätzen konnten?

Das Wurstgift

Bekannt wurden die heute unter Botox zusammengefassten Proteine im 19. Jahrhundert. Man hat sie als Grund für Vergiftungen durch verdorbene Würste identifiziert. Im zweiten Weltkrieg forschten die USA daran, ob es als biologische Waffe tauge, später hat man sich auf seine positiven Wirkungen konzentriert: Wissenschaftler stellten fest, dass sehr stark verdünntes Botulinumtoxin A Muskeln hemmt, was etwa gegen Schielen und zuckende Augenlider helfen kann. Dafür zugelassen wurde es 1989. Kurz darauf begann Allergan, den Wirkstoff unter Botox zu vermarkten.

Einen Wirkstoff, für den mittlerweile so viele Einsatzmöglichkeiten entwickelt wurden, dass Branchenbeobachter ihn als "das neue Aspirin“ bezeichnen, als pharmazeutische Allzweckwaffe. Es kommt gegen Migräne zum Einsatz, gegen chronische Genickschmerzen, Inkontinenz, Blasenschwäche und Muskelverhärtungen. Ob es auch gegen Depressionen und infantile Paralyse hilft, wird gerade in klinischen Tests geprüft.

Für die größte Aufregung sorgte Botox bisher allerdings mit Einsätzen, die nur in wenigen Fällen wirklich mit Krankheiten in Verbindung stehen: Es hält das Altern auf. Lange vor seiner Zulassung für kosmetische Zwecke hat sich das vor allem in den USA herumgesprochen. Krähenfüßchen um die Augen? Die Zornesfalten über der Nase? Eine Spritze alle paar Monate hilft. Nebenwirkungen? Überschaubar, sagen die Ärzte.

Schon Mitte der 1990er-Jahre wurde Botox zum schlechtestgehüteten Geheimnis Hollywoods. Als der Wirkstoff 1997 kurzfristig ausging, habe es panikartige Anrufe von Patienten gegeben, berichteten Ärzte damals der "New York Times“. Die mit Botox stillgelegten Muskeln, die etwa durch Lachen und Grummeln für Hautalterungseffekte zuständig sind, hätten ja fast wieder arbeiten können.

Jünger altern

Was zuvor nur Eingeweihten, übrigens auch in Österreich, bekannt war, wurde im Jahr 2002 zum Trend: Die Zulassung als kosmetisches Mittel katapultierte Botox in neue Geschäftssphären. Die Umsätze explodierten, Ärzte spezialisierten sich auf den Spritzeneinsatz und Anwender aufs wissende Schweigen. Fotos von versteinerten Schauspieler-Gesichtern, Bilder von dauererstaunten Prominenten mit viel zu hoch sitzenden Brauen, Warnungen vor zu hoher Dosierung und gefälschten Produkten - alles keine Abschreckung: Immer mehr Menschen lassen sich jünger spritzen. Für rund 200 bis 300 Euro pro Einsatz, zwei bis drei Mal im Jahr.

"Der Zenit ist noch nicht erreicht“, sagt der Schönheitschirurg Artur Worseg, als könnte er es selbst kaum glauben. Rund ein Drittel der Botox-Anwendungen führt er mittlerweile an Männern durch. "Der Druck, gut auszusehen, ist sehr groߓ, ist er überzeugt. Das gelte für Politiker und Manager mittlerweile ebenso wie für Schauspieler oder andere Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Gesund und jung auszusehen, wird offenbar damit gleich gesetzt, als leistungsfähig und erfolgreich zu gelten. Der übergewichtige CEO, der auf jede Form von Äußerlichkeit pfeift, ist heute Seltenheit.

Auch Walther Jungwirth, Präsident der Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, beobachtet, dass gutes Aussehen an Bedeutung gewinnt. Zu seinen Kundinnen zählen aber auch Lehrerinnen, Friseurinnen und Menschen, die sich aufgrund von Zornesfalten als "zu streng aussehend“ empfinden. Sich öffentlich dazu bekennen wollen die wenigsten. Oft wissen nicht einmal die Lebenspartner Bescheid.

Das Botox-Publikum wird also auch in Österreich immer breiter - und jünger. Von Zahlen wie in den USA sei man aber noch weit entfernt, so die Experten. Dort sind mittlerweile ein Drittel der Botox-Anwender jünger als 30 Jahre. Die Schwächung der Muskeln soll die Alterung aufhalten, noch bevor sie beginnt.

Diese Fixierung auf Äußerlichkeiten wird auch enorm kritisch gesehen. Automatisch stellt sie eine Form von Diskriminierung gegenüber allem dar, das von Norm und Ideal abweicht. Die Folgen könnten sogar noch über den Druck, gut auszusehen, hinausgehen: Mittlerweile gibt es laut Studien erste Anzeichen dafür, dass Botox sich auf unser Miteinander auswirket. Weil es Gesichtsausdrücke beschränkt, könnten wir schwerer die Emotionen anderer spiegeln und dadurch weniger Empathie zeigen. Der andere wird verunsichert, fühlt sich missverstanden. Noch ist Botox aber kein Massenphänomen. Die Nebenwirkungen, die seine Erfolgsgeschichte hat, sollten aber dennoch bewusst sein.

Botox - Die Karriere eines Gifts

Botulinumtoxin, kurz Botox, ist nach dem lateinischen Wort "botulus“ ("Wurst“) benannt. Die giftigen Eiweiße, die aus Bakterien entstehen, kamen früher vor allem in verdorbener Wurst vor - und sind hochgiftig. Künstlich hergestellt und in geringster Dosis verwendet, hat das Nervengift als Medikament und Beauty-Mittel Karriere gemacht.

1980
Tests als Arzneistoff Der Amerikaner Alan Scott setzt Botulinumtoxin erstmals gegen Schielen ein. Zuvor wurde herausgefunden, dass es die Signalübertragung in Nervenzellen hemmt und Muskeln schwächt. Er verkauft die Rechte an Botox 1991 an das Unternehmen Allergan.

1987
Positiver Nebeneffekt Das kanadisch-britische Ärztepaar Jean und Allastair Carruthers bemerkt, dass Botox Fältchen glättet - lässt aber kein Patent eintragen.

1989
Kosmetische Wirkung Richard Clark, plastischer Chirurg aus dem kalifornischen Sacramento, dokumentiert erstmals, dass der Einsatz von Botox Falten glätten kann.

1989
Medizinische Zulassung In den USA wird Botox als Mittel gegen Schielen und unkontrolliertes Blinzeln zugelassen. Das Unternehmen Allergan beginnt mit der Vermarktung.

2002
Botox-Zulassung Botox wird für die kosmetische Anwendung in den USA zugelassen. Erst 2006 erfolgte die Zulassung in Europa.

Innenminister Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei ihrer Erklärung.
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