Was die insgesamt 45 US-Geheimdienste kosten und wie effektiv sie sind
"Eine versteckte Welt jenseits jeglicher Kontrolle - so lautet das ernüchternde Fazit des Projektes "Top Secret America. Unter diesem knackigen Titel veröffentlichte die renommierte US-Zeitung "Washington Post bereits 2010 ihre Ergebnisse einer zwei Jahre langen investigativen Recherche, die laufend ergänzt wird.

"Nach den Anschlägen von 9/11 haben die Ausgaben für und das Wachstum der US-Geheimdienste ein inzwischen noch nie gesehenes Ausmaß angenommen, fassen die beiden leitenden Redakteure Diana Priest und William M. Arkin konsterniert zusammen. "Das Spionage-System der Vereinigten Staaten ist derartig groß geworden, dass man nicht einmal mehr genau bestimmen kann, ob es auch überhaupt noch effektiv ist.
Kurzum: Die seit den Enthüllungen durch den flüchtigen Ex-Agenten Edward Snowden weltweit voller Entrüstung und Empörung angeprangerte Massivität der Schnüffeleien der amerikanischen "National Security Agency (NSA) ist weder neu noch besonders überraschend, sondern in Wahrheit bloß die Spitze des Eisberges. Eine wirkliche Offenbarung stellen indes die Details des umfangreichen Washington-Post-Dossiers dar.
Fass ohne Boden
Die Erkenntnissse des Blattes, das spätestens seit der Aufdeckung des Wategate-Skandals durch Bob Woodward und Carl Bernstein zur globalen Instanz geworden ist, haben es in sich. Demnach leisten sich die USA nicht bloß die bekannten 16 Geheimdienste, die unter der Dachbehörde "Intelligence Community (IC) zusammengefasst und mit einem offiziellen Budget von rund 80 Milliarden Dollar (2010) ausgestattet sind, sondern mindestens 45 Spionage-Organisationen (siehe Info-Tabellen ).
Experten wie beispielsweise der österreichische Geheimdienst-Forscher Siegfried Beer vom Grazer "Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies gehen daher von jährlichen Gesamtausgaben in der Höhe von mindestens 150 Milliarden Dollar aus. Glaubt man der Post, weiß jedoch in Wahrheit kein Mensch, geschweige denn US-Präsident Barack Obama, mehr genau, wieviel die Supermacht für ihre weltweite Spionage wirklich ausgibt.
Kein Wunder: Immerhin sind nicht weniger als 1.271 Regierungsorganisationen in diverse Geheimdienst-Aktivitäten, von denen gezählte 1.931 Privatunternehmen dank lukrativer Aufträge profitieren, verwickelt. Darüber hinaus müssen auch noch jene rund 854.000 US-Agenten, die über einen Top-Secret-Status verfügen und aufgrund ihrer hochspezialisierten, oft akademischen Ausbildung und weltweiten Einsatzgebiete mit üppigen Salärs im Brot gehalten werden, um sich deren Loyalität und Verschwiegenheit zu sichern. Auch die Betriebs- und Investitionskosten der Geheimdienste gehen ganz schön ins Geld: Allein in Washington und Umgebung wurden seit den 9/11-Terroranschlägen 33 mächtige Gebäudekomplexe für Top-Secret-Zwecke errichtet - zusammengenommen entspricht das dem Ausmaß von etwa drei Pentagon-Gebäuden oder rund 22 mal dem US-Capitol.
Doppelgleisigkeiten
Überdies fällt auf, dass die verschiedenen Organisationen nicht nur kaum noch zu unterscheidende Bezeichnungen haben, sondern vielfach praktisch oft am gleichen Ort die gleiche Arbeit machen. So versuchen beispielsweise 51 Bundesagenturen und Militärkommandos in 15 US-Großstädten parallel, die Geldflüsse von und zu vermeintlichen terroristischen Netzwerken auszuspionieren. "Eine unglaubliche Doppelgleisigkeit und Verschwendung , so die Washington Post.
Die aus all diesen Bespitzelungen und Schnüffeleien zu Hause und in auf der ganzen Welt gewonnenen Erkenntnisse werden von den Analyse-Abteilungen der Geheimdienste - die in jeder Top-Secret-Organisation das Gros der Agenten-Belegschaft ausmachen - in jährlich rund 50.000 sogenannte "Intelligence Reports gegossen. "Diese immense Menge führt dazu, dass viele Berichte fast routinemäßig ignoriert werden, so das Post-Dossier. "Das Hauptproblem besteht nicht in einem Mangel an Ressourcen, sondern in einem Mangel an Fokussierung.
Selbst jene für die Sichtung dieser Berichte zuständigen hochrangigen Geheimdienst-Offiziere - im Fachjargon "Super Users genannt - geben zu, von der Flut an Daten durch die Überwachung von Mail- und Telefonkommunikation oder sonstiger digitaler Spuren, die Menschen online hinterlassen, schlichtweg überfordert zu sein. "Ich lebe einfach nicht lange genug, um all die Berichte studieren zu können, wird einer dieser Super-Users, auf dessen Urteil letztlich auch Präsident Barack Obama von Fall zu Fall vertrauen muss, zitiert.
Hinzu kommt, dass die Art der Präsentation der Geheimdienstberichte inzwischen offenbar Züge völlig paranoider Geheimniskrämerei angenommen hat. Einer dieser Super-User schildert seine erste Briefing-Session - also die Präsentation der Top-Secret-Analysten-Berichte - so: Zuerst sei er in einen kleinen, dunklen Raum mit nur einem Mini-Tisch und einem großen Bildschirm eskortiert worden. Dann wurde am Screen in unheimlicher Rasanz Report für Report abgespielt, ohne dass er Notizen machen durfte. "Nach fünf Minuten schrie ich Stopp!, erzählt der Super-User. "Ich konnte mich an keinen einzigen der Berichte erinnern.
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