Marihuana in Kalifornien "Wie eine Wäscherei oder ein Schuhgeschäft"
Der Investor und der Koch trotzen staatlicher Verfolgung in einer Branche, deren Wert von der kalifornischen Steuerbehörde auf 1,3 Mrd. Dollar geschätzt wird. Zusammen mit gut 30 anderen Personen besuchen sie die MedMen University. Jeder von ihnen hat zwischen hundert und 250 Dollar für einen Tageskurs bezahlt. Sie wollen als Gärtner und Apotheker Geld verdienen.

Seit Kalifornien 1996 als erster US-Bundesstaat Marihuana für medizinische Anwendungen wie die Krebsbehandlung freigegeben hat, haben 17 weitere Staaten nachgezogen. Zuletzt kam Massachusetts dazu; die Bundesstaaten Colorado und Washington gingen sogar noch weiter, indem sie die Nutzung für Erholungszwecke erlaubten. Ein Wachstumsmarkt, meint Adam Bierman, Mitgründer von MedMen. In Kalifornien ist die Sache ins Rollen geraten und lässt sich nicht mehr stoppen, sagt er an einem Sonntagmorgen zu seinen Schülern in einem Konferenzhotel in Santa Monica. Bierman, der betont, selbst Marihuana weder für medizinische noch für andere Zwecke zu nutzen, fordert seine Schüler auf, ihr Geschäft offen zu betreiben und ohne Angst vor staatlicher Belästigung am Markt aufzutreten. Der Staat schützt Euch, sagt Bierman. Versteckt Euch nicht.
Das Bundesgesetz verbietet weiterhin den Gebrauch von Marihuana, auch zur medizinischen Behandlung etwa von Krebs-oder Aids-Patienten, und die US-Arzneimittelbehörde FDA bezeichnet anderslautende Gesetze der Bundessaaten als unvereinbar mit den Bundesvorschriften.
Von und für die Patienten
Es war nie beabsichtigt, dass sich rund um medizinisches Marihuana ein gewinnorientierter Wirtschaftszweig entwickelt, sagt Scott Imler, Minister aus West Hollywood und Urheber des kalifornischen Gesetzes von 1996. Es sollte alles nur von und für die Patienten sein, sagt Imler, der nach eigenen Angaben das Mittel selbst benutzt hat, um 1993 von einem Schiunfall verursachte epileptische Anfälle zu behandeln. Leider ist das ganz schnell auf der Strecke geblieben.
Eine neue Generation von Unternehmern ist auf den Plan getreten. Aquino, der im Los Angeles-Stadtteil Echo Park wohnt, sagt, dass er in einem halblegalen Betrieb über 500 Marihuana-Pflanzen züchte, die ihm Gewinn bringen und den Leidenden helfen. Es sei auch eine Art Hobby, sagt Aquino.
Jimenez, der in Watts lebt, erzählt dass er als Klimaanlagenmonteur und Imbisskoch während der Rezession in Florida in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sei. Dann habe ihn letztes Jahr die Aussicht auf Wohlstand durch medizinisches Marihuana nach Kalifornien gelockt. Jimenez, der nach eigenen Angaben Marihuana nutzt, reizt das Rebellenimage der Branche. Er hat den Bud-Tending-Kurs belegt, um zu lernen, wie man Marihuana anbaut und handelt, und träumt davon, eines Tages seine eigene Apotheke zu haben. Das ist eine ganz neue und kaum regulierte Branche, darum gibt es die Chance, hier etwas Geld zu verdienen, sagt er. Für mich ist das wie Google oder der Goldrausch.
Der Kunde ist König
Bierman möchte, dass seine Schüler medizinisches Marihuana als Geschäft wie eine Wäscherei oder ein Schuhgeschäft sehen. Man müsse sich um Werbung und Marketing kümmern, und sich auf den Kundendienst konzentrieren.
Doch die Behörden schließen gewinnorientierte Marihuana- Kliniken und verhaften ihre Betreiber, sagt Thom Mrozek, Sprecher der US-Staatsanwaltschaft in Los Angeles. Am 25. Oktober wurden zwölf Personen, die in Verbindung mit neun Apotheken in Los Angeles und Orange County standen, wegen des Verdachts des Verstoßes gegen Bundesgesetze zum Drogenhandel verhaftet, so die Staatsanwaltschaft. All die kommerziellen Geschäfte, die wir in Kalifornien sehen, verletzen aus zwei Gründen kalifornisches Recht: Sie sind gewinnorientiert, was nach kalifornischem Recht nicht erlaubt ist, und zweitens dienen diese Geschäfte nicht in erster Linie der Fürsorge für die Patienten, so Mrozek in einem Interview. Selbstverständlich werden die Bemühungen der Bundesregierung in Kalifornien fortgesetzt.
Bierman und sein Kollege Tyler Denham, der sagt, er nutze Marihuana gegen bipolare Störung und Depression, sagen ihren Schülern, dass die behördlichen Maßnahmen nur Getöse seien und vor Gericht scheitern werden.
Außerhalb des Unterrichts gibt Bierman zu, dass viele Nutzer nicht aus medizinischen Gründen kiffen oder Brownies essen, jedenfalls nicht im traditionellen Sinn. Er habe gemischte Gefühle, wenn aus kleinen Kollektiven, die Menschen mit Krebs, Aids oder anderen Krankheiten helfen sollten, eine Milliarden-Dollar-Branche entsteht.