Insel- und Steuerparadies: Britische Finanzzentren mit Eigenleben
Tropische Inselparadiese wie die Cayman Islands, die British Virgin Islands oder Bermuda sind zurück in den Schlagzeilen, nachdem Offshore-Leaks Daten über Steuerparadiese veröffentlicht hat. Sie gehören zu jenen 14 auf der ganzen Welt verstreuten Kleinstgebieten, die den Restbestand des British Empire bilden, das einmal einen Fünftel der Landmasse der Erde umfasste.

Über diesen Inseln weht der Union Jack und Münzen zeigen den Kopf der Queen. Ein Gouverneur, der vom Außenministerium in London entsandt wird und zu zeremoniellen Anlässen eine weiße Uniform mit Tropenhelm und Federbusch trägt, wacht über die Einhaltung der Ordnung und die Verteidigung des Gebietes.
Das ist die Tradition. Die heutige Realität dieser Gebiete ist geprägt von unzähligen Finanzdienstleistern, Briefkastenfirmen und Rechtskonstrukten, die Anlegern Steuerersparnis bringen. Einige dieser Überseegebiete - bis 1981 nannte man sie Kronkolonien - bringen London nun in eine etwas ungemütliche Lage, weil Offshore-Leaks die Praktiken dieser Gebiete offenzulegen beginnt.
Dass die Außengebiete völkerrechtlich britisch sind, ist unbestritten: In einem eindrucksvollen Weißbuch hält die derzeitige Regierung fest, dass Großbritannien und alle seine abhängigen Gebiete ein "einziges, unteilbares Herrschaftsgebiet" bildeten.
Rechtlich sind die Steuerparadiese nicht teil Großbritanniens
Doch rechtlich ist die Lage einiges komplizierter. Das Vereinigte Königreich besteht nur aus den Teilen England, Schottland, Wales und Nordirland. Die Kanalinseln und die Isle of Man sind nicht Teil des Vereinigten Königreichs und auch nicht der EU, genauso wenig wie die Überseegebiete.
Die Territorien dürfen auch nicht mit dem Commonwealth verwechselt werden, das eine internationale Organisation unabhängiger Staaten ist, die früher zumeist britische Kolonien gewesen waren. Dazu gehören zum Beispiel Kanada, Australien, Südafrika oder Indien.
Die Überseegebiete haben ihre eigene Rechtshoheit. Die britische Aufsichtsbehörde Financial Services Authority (FSA) etwa, die zum Beispiel in der Affäre um die Libor-Manipulationen gegenüber der UBS ihre Strenge gezeigt hat, ist in den Überseegebieten nicht zuständig: "Wir regulieren nur das Vereinigte Königreich", heißt es bei der FSA.
In Steuerfragen autonom
Auch in Steuerfragen sind die Territorien autonom. Die Abgrenzung zum Mutterland geht sogar noch weiter: "Die Fiskalautonomie der Gebiete bedeutet, dass das Verhältnis der Außengebiete zum Vereinigten Königreich in Steuerfragen in vielem ähnlich ist zu jenem, das zwischen anderen Steuersystemen herrscht, miteinander zu konkurrieren", so die Einschätzung der Steuerexperten der Beratungsfirma Ernst & Young.
Nun sind die Offshore-Finanzkonstrukte außerhalb Europas nicht per se illegal. In den vergangenen Tagen sind aus Großbritannien selbst und aus anderen Ländern, insbesondere aus Österreich , aber die Rufe lauter geworden, die Regierung in London müsse etwas gegen die Praktiken in den Steuerparadiesen unternehmen.
Eine Auseinandersetzung zwischen London und den Gebieten könnte kompliziert werden, weil die Territorien zum Teil beträchtliche Autonomie haben. Der von London entsandte Gouverneur ist in erster Linie für Verteidigung und Außenpolitik zuständig. Allerdings kann die Regierung die Schraube anziehen, wenn sie das wirklich will.
Offiziell heißt es, das Schatzamt und das Außenministerium "unterstützen" die Gebiete in Fragen von Steuern, Zoll, Finanzregulation oder Geldwäschereigesetzen. In der Vergangenheit gab es Situationen, bei denen London Druck ausübte.
Ein Beispiel dafür ist die Todesstrafe, die das Vereinigte Königreich schon Anfang der 1970er Jahre abschaffte, die es in einigen britischen Territorien - und damit Gebieten des "unteilbaren Herrschaftsgebietes" - aber nominell bis 2002 gab. Das Parlament in London machte in letzter Konsequenz seine Macht geltend, und die Gesetzgeber in den Überseegebieten beschlossen die entsprechenden Änderungen.