Der Streit um das Halal-Siegel
In Österreich leben rund 500.000 gläubige Moslems. Tendenz steigend. Und der Gesamtmarkt für islamisch-geprägte Produkte umfasst europaweit ein Umsatzvolumen von 40 Millliarden Euro. Dabei gelten strenge Regeln: Ihre Religion verbietet Moslems den Genuss von Schweinefleisch, Blut und Alkohol. Bei Finanzprodukten gibt es das Zinsverbot zu bedenken.

Doch in vielen Produkten sind die Zusatzstoffe nicht erkennbar. In Schokoriegeln oder Fertigsuppen etwa wird Alkohol versteckt als Konservierungsmittel oder zur Geschmacksverfeinerung eingesetzt. Daher gibt es auf EU-Ebene und in den einzelnen Mitgliedsstaaten Bestrebungen, ein eigenes Halal-Gütesiegel einzuführen - vergleichbar mit dem AMA-Gütesiegel für österreichisches Fleisch. So soll gläubigen Moslems Sicherheit in Sachen Halal (arabisch für: "erlaubt, zulässig )geboten werden.
Über das Prozedere tobt allerdings eine heftige Debatte. Das Europäische Komitee für Normung arbeitet gerade die Grundlagen für ein gesamteuropäisches Halal-Siegel aus. Umgesetzt werden sollen die Kriterien von den nationalen Normungsinstituten. Damit soll dem Wildwuchs - in Frankreich gibt es 30 verschiedene Halal-Zertifizierungen - Einhalt geboten werden.
Streit um Halal-Autorität
Doch wer bestimmt dann tatsächlich, was Halal ist oder nicht? In Österreich rittern drei Organisationen um diese Monopolstellung: Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), die Schiitische Bekenntnisgemeinschaft und die Islamisch-Alevitische Glaubensgemeinschaft. Das dem Unterrichtsministerium unterstehende Kultusamt hat die heikle Aufgabe, diese rivalisierenden Gruppen einzubinden und für die Einhaltung der rechtsstaatlichen Vorschriften der Religionsfreiheit zu sorgen.
Denn ein von einer Religion bestimmtes Gütesiegel wirft enorme rechtsstaatliche Probleme auf. So könnten sowohl Gewerbeordnung, Kompetenzen der Lebensmittelaufsicht (Marktamt), Tierschutzrichtlinien und Steuervorschriften unterlaufen werden. Beispiel: Die klösterlichen Hostienbäckereien zahlen unter dem Deckmantel der Religionsausübung keine Steuern. Für jüdische Pessachbrot-Bäckereien gilt dies aber nicht. Nach islamischen Vorschriften arbeitende Fleischhauer, die die Tiere schächten, streben ebenfalls eine Sonderstellung an.
Geld als religiöse Triebfeder
Tatsächlich stehen hinter dem Halal-Gütesiegel handfeste wirtschaftliche Interessen, die bei Lebensmitteln vor allem von der Türkei und bei Finanzprodukten vom Golf-Emirat Qatar, das die weltgrößte Halal-Börse betreibt, forciert werden. Immerhin hat auch die Wirtschaftskammer Österreich das Potenzial erkannt und bietet für österreichische Unternehmer Seminare zum Thema an: "Mit Halal-Produkten neue Kunden und Märkte gewinnen. Dabei sind allerdings Zwischenfälle vorprogrammiert. In Erinnerung ist etwa noch die Aufregung über die NÖM-Milchpackerln mit türkischer Aufschrift oder Halal-Rinderfaschiertes in einzelnen Merkur-Filialen.
Dass es auch umgekehrt funktionieren kann, beweist der österreichische Süßwarenhersteller Manner, der in Dubai Halal-konforme Kamelmilch zu Schokolade verarbeitet und sich dabei komplett den lokalen Normen unterwirft.
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