Stefanie Sargnagel: "Bio ist Klassenhass"
Die gefeierte Autorin und Szenefigur erklärt, warum sie automatisch, aber auf eine denkbar unkluge Art spart und sie Biosupermärkte Überwindung kosten.
trend:
Bei der Premiere von " Sargnagel - Der Film", in dem ja das Thema Geld keine unwesentliche Rolle spielt, lautete eine Publikumsfrage: "Bist Du schon reich, Steffi?"- Und? Haben Sie eine gute Hand fürs Geld?
Stefanie Sargnagel:
Ich habe nie damit gerechnet, je besonders viel Geld zu haben, und habe wenig Probleme damit, sparsam zu leben, ich mag das sogar als kreative Herausforderung. Insofern habe ich ein gutes Händchen, weil ich wenig Geld brauche und keine großen Konsuminteressen habe. Jetzt verdiene ich doch mehr und weiß aber nicht wirklich, was ich Vernünftiges damit machen soll, da zeigt sich dann wieder ein schlechtes Händchen.
Ist eine gewisse finanzielle Vorsorge dennoch Thema in Ihrem Leben? Legen Sie Geld an oder was halten Sie heute überhaupt noch für ein sinnvolles Investment?
? Ich spare recht automatisch, aber auf eine denkbar unkluge Art. Mein Problem ist leider, sobald ich anfange, Texte über Finanzierung oder Anlagen zu lesen, falle ich vor lauter Langeweile ins Koma.
Letztendlich ist auch die Kunst ein hartes Business. Sind Sie eine gute Verhandlerin in eigener Sache? Erledigen Sie Ihre Steuergeschäfte noch selbst?
Ich werde besser darin, zu verhandeln, aber es ist natürlich schon praktisch, das abzugeben. Man möchte ja lieber die nette Künstlerin sein, die sich über jede Einladung freut, und nicht der knallharte Geschäftspartner. Für Lesungen verhandelt daher meine Bookerin. Bei Buchverträgen oder Theatern mache ich das selbst, meine Unlust, große Projekte in Angriff zu nehmen, ist da eine gute Verhandlungsbasis. Generell finde ich es in der Kunst- und Kulturszene besonders schwierig, Freundschaft und Geschäft auseinanderzuhalten; der Umgang miteinander ist informell, ich lasse mich manchmal noch zu leicht überreden. Ich habe einen Steuerberater, mit den Einkünften aus Deutschland wäre das sonst viel zu kompliziert.
Was haben Sie von zu Hause aus im Bezug auf den Umgang mit Geld mitbekommen?
Nicht über die eigenen Verhältnisse leben. Niemals ins Minus gehen. Das ist so ein Tabu, das ich sehr tief eingebläut habe. Außerdem eine gewisse "Kik"-Mentalität. Dass sich hochpreisigere Qualität oft langfristig auszahlt, das muss ich noch lernen. Auch Biosupermärkte kosten mich eine gewisse Überwindung, weil mich die Leute dort so fertigmachen. Ich denk dann immer: "Bio ist Klassenhass."
Wissen Sie noch, wofür Sie Ihr erstes selbst verdientes Geld ausgegeben haben?
Ich nehme an, für Fortgehen und Tschick. Für Runden-springen-Lassen. Dann irgendwann ein g'scheiter Arbeitslaptop. Eine Psychotherapie meiner Wahl konnte ich mir auch leisten. Das sollte wirklich für alle Menschen möglich sein.
Was würden Sie als Künstlerin auch für viel Geld nicht machen?
Bezahlte Werbung für Produkte.
Geile Hotels, gutes Essen, Kunst, Bücher wofür geben Sie lustvoll Geld aus? Und wofür sind Sie sich zu neidig?
An sich besitze ich gerne wenig, weil ich auch sehr unordentlich bin. Ich borge Bücher lieber aus der Bücherei aus. Letztes Jahr habe ich zum zweiten Mal ein Gemälde von Kunststudentinnen und -studenten gekauft. Das würde ich gern öfter machen, aber um das weiter zu betreiben, habe ich zu wenig Platz. Zu geizig bin ich für gehobene Wohnverhältnisse. Dinge wie Körperhaareentfernen oder Fußpflege gönne ich mir seit ein paar Jahren. Auf die Idee wäre ich früher nie gekommen. Linke Projekte und die Bettelmafia unterstütze ich natürlich auch gern.
Was war das Verrückteste, das Sie sich bisher geleistet haben?
Eine Eintrittskarte für den Akademikerball.
Karte oder Bargeldtyp?
Ich versuche, viel mit Bargeld zu zahlen, damit meine Kontoein- und -ausgänge übersichtlich bleiben.
Geld ist ja nie nur reines Transaktionsmittel, sondern immer auch emotional aufgeladen. Haben Frauen ein anderes Verhältnis zu Geld als Männer?
Frauen haben prinzipiell zu allem ein vernünftigeres Verhältnis.
Was bedeutet Luxus für Sie?
Viel Freizeit.
Und wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?
Tschick.
Zur Person
Stefanie Sargnagel, 35, bürgerlich Sprengnagel, ist eine Wiener Autorin und Cartoonistin, die bei Daniel Richter studiert hat. Ihre Erfahrungen in einem Callcenter verarbeitet sie 2013 zum Buch „Binge Living“, 2015 folgt eine Zusammenstellung ihrer Facebook-Beiträge unter dem Titel „Fitness“, 2017 der Band „Statusmeldungen“ und Sargnagel, auch Mitglied der weiblichen Burschenschaft Hysteria, avanciert mit roter Baskenmütze zur Szenefigur und Stimme ihrer Generation.
2020 veröffentlicht sie ihren autobiografischen Roman „Dicht. Aufzeichnungen einer Tagediebin“.
Aktuell ist die Dokumödie „Sargnagel – Der Film“ (Regie: Sabine Hiebler und Gerhard Ertl) im Kino zu sehen, in der sich die Künstlerin selber spielt..