Franzobel: "Ich glaube nicht an Vorsorge"

Während der Bestsellerautor Franzobel gerade an den Endkorrekturen seines neuen Romans sitzt, hat er sich für den trend etwas Zeit genommen, um für die Reihe "Sprechen Sie Wirtschaft?" über Geld nachzudenken.

Franzobel

Franzobel

trend: In welcher Beziehung steht ein Autor, der den Kommissar seiner Krimiserie Groschen nennt, zu Geld?
Franzobel: Aus finanzieller Sicht war mein größter Fehler, zweimal geheiratet zu haben, doppelt hält besser. Aus künstlerischer Sicht war es das Beste, was ich machen konnte, weil mich Frauen immer inspiriert haben.

Lesen Sie abseits der Kultur- auch den Wirtschaftsteil?
Ich lese nur noch Bücher. Trotzdem interessiert mich die Wirtschaft, aber nicht, um Aktienkurse einschätzen zu können, sondern weil sie unsere Gesellschaft prägt.

Was ärgert Sie denn an den herrschenden Wirtschaftsverhältnissen?
Die Profitgier! Menschen leben in Armut oder werden ausgebeutet, die Umwelt wird zerstört, Massentierhaltung, Menschenrechtsverletzungen. Es geschehen so viele Ungeheuerlichkeiten, nur damit ein paar Reiche noch reicher werden. Die Börse ist per se unanständig, weil Geld hat ja keine Gebärmutter, vermehrt sich nicht einfach so. Geld, das mit Aktien verdient wird, fehlt wem anderen.


Gesundheit und Kreativität lassen sich nicht ansparen.

Ist für Sie finanzielle Vorsorge ein Thema?
Ich glaube nicht an Vorsorge und auch nicht an Sicherheit. Meine erste Schwiegermutter lebt in Buenos Aires und hat öfter miterlebt, dass ihr bei amerikanischen Banken in Dollar angelegtes Erspartes von einem Tag auf den anderen nichts mehr wert gewesen ist. Ich halte Zusatzpensionen für Humbug, aber ich habe keine Angst vor der Zukunft. Gesundheit und Kreativität lassen sich ohnehin nicht ansparen.

Was haben Sie von zu Hause aus im Bezug auf den Umgang mit Geld mitbekommen? Und was geben Sie Ihren Kindern diesbezüglich weiter?
Ich bin zum Sparen erzogen worden, genieße es aber manchmal auch, Geld sinnlos zu verjubeln. Meinen Kindern versuche ich, zu vermitteln, dass der Preis einer Sache nichts mit ihrem Wert zu tun hat.

Was würden Sie als Künstler auch für viel Geld nicht machen?
Nichts, was zu viel Zeit kostet. Ich bin ja Künstler geworden, um möglichst frei zu sein. Trotzdem bin ich nicht vor Korrumpierbarkeit und Käuflichkeit gefeit.


Mich hat erschüttert, wie schnell demokratische Grundrechte abgeschafft worden sind.

Ihr Roman "Das Floß der Medusa" thematisiert unter anderem, wozu der Mensch fähig ist, um zu überleben. Was hat die Corona- Krise diesbezüglich zu Tage gefördert?
Jeder ist sich selbst der Nächste. Hamsterkäufe, Vernaderer, Egoisten. Der Mensch ist a Sau. Aber es gab auch Nachbarschaftshilfe, Balkonkonzerte etc. Die Pandemie hat gezeigt, dass das Überleben einer Gesellschaft wichtiger ist als die Freiheit des Einzelnen. Mich hat erschüttert, wie schnell demokratische Grundrechte abgeschafft worden sind. Plötzlich waren alle Virologen, Statistiker und vor allem Besserwisser.

Wofür geben Sie gerne und lustvoll Geld aus, und wofür sind Sie sich zu neidig?
Reisen, Bücher, gesundes Essen. Mein Auto ist fünfzehn Jahre alt, mein Handy zehn, mein Fahrrad zwei. Ich bewundere schon schönes Design an Autos oder Uhren, aber ich muss das alles nicht besitzen. Teure Hotels sind fürchterlich geschmacklos, austauschbar, da sind mir kleine Familienbetriebe lieber.

Wie viel darf für Sie als bekennender Genussmensch gutes Essen bzw. guter Wein kosten?
Also das Trara um den Wein halte ich für völlig überzogen. Ich trinke zwar auch keine Doppler oder Kartonweine mehr, aber ab Hof bekommt man um vier, fünf Euro ganz gute Tropfen, im Supermarkt halt um sieben oder acht. Beim Essen ist es etwas anderes, aber mehr als 50 Euro habe ich noch nie für ein Gericht bezahlt, außer vielleicht in Norwegen.


Geld schafft Freiheiten, baut aber auch Gefängnisse.

Karte oder Bargeld?
Bargeld. Es gibt eine schöne Geschichte vom ersten Bankomaten in einer Kleinstadt in der österreichischen Provinz. Bei der Eröffnung haben sich Männer mit Biergläsern angestellt und waren dann ganz enttäuscht, dass kein Leobener Hopfenblütentee herausgekommen ist. Ich bin auch immer erstaunt, dass diese Automaten Geld ausspucken, traue dem aber nicht.

Was halten Sie denn noch für ein sicheres Investment?
Kinder, Kunst, Dinge, die Freude bereiten. Ich fürchte, wir steuern gerade auf eine Megainflation zu, dann können sich die Leute ihr Erspartes ohnehin sonst wohin stecken.

Was bedeutet "wunschlos glücklich" für Sie?
Da gehört viel dazu, aber eines bestimmt: nicht ans Geld denken zu müssen. Geld schafft Freiheiten, baut aber auch Gefängnisse. Man sollte so viel haben, dass man sich das meiste leisten kann. Das nützt aber nichts, wenn man keinen Geschmack hat und nicht genießen kann. Glück hat mit Geld nicht zu tun, es sei denn, man hat keines.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?
Für Tschick.


Zur Person

Franzobel. Franz Stefan Griebl, 53. Als intelligent-gewitzter Sprachverdreher zählt der Bachmannpreisträger (1995) zu den erfolgreichsten Autoren Österreichs und ist als Vielschreiber auch am Theater im Einsatz. Am 8.10. kommt seine Bearbeitung von Ladislav Fuks' Roman "Der Leichenverbrenner" am Akademietheater zur Uraufführung. Sein neuer Roman, "Die Eroberung Amerikas" über Konquistadoren im 16. Jh. erscheint Ende Jänner.

Das Interview ist der trend.PREMIUM-Ausgabe 39/2020 vom 25. September 2020 entnommen.

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