WKÖ-Chef Mahrer: "Wer sein Verhalten nicht ändert, zahlt mehr"
WKO-Präsident und Koalitionsverhandler Harald Mahrer erklärt, warum das Regierungsprogramm vielfach vage bleiben musste.
trend:
Sie haben das Regierungsprogramm mitverhandelt und es jetzt aus Sicht der Regierung auch sehr gelobt. Viele Punkte sind aber nur Überschriften und vage Absichtserklärungen?
Harald Mahrer:
Wie bei jedem anderen Regierungsprogramm auch. Es liegt in der Natur der Sache, dass es sich um eine Absichtserklärung handelt und es darauf ankommt, wie die dann umgesetzt wird. Manches ist vage, ja. Das liegt auch daran, dass sich die Grünen -aber auch die ÖVP -bestimmte Punkte noch genauer anschauen wollen. Das macht jede Regierung. Ich meine aber, dass mehr für den Standort herausgekommen ist, als viele bei einer grünen Beteiligung erwartet hätten. Und wir haben viel positives Feedback aus Europa dafür erhalten, dass wir Wirtschaft und Klimaschutz im Paarlauf versuchen.
Nicht einmal für die unverändert übernommene Lohn-und Einkommenssteuerreform steht ein Zeitplan drin?
Mahrer:
Den kann man auch schwer reinschreiben, weil ein parlamentarischer Prozess durchlaufen werden muss. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass die Regierung im Bundesrat keine Mehrheit hat. Aber ich bin überzeugt, dass die Steuerreform schnell beschlossen wird, weil diese Entlastung ein Herzstück unseres Programmes darstellt. Und auch die Grünen wollen Flugticketabgabe und Reform der Nova zügig umsetzen. Ich glaube, dass erste Maßnahmen am 1.1.2021 in Kraft treten können.
Gilt das auch für den erhöhten Gewinnfreibetrag für Selbstständige, 100.000 Euro ohne Hinterlegung durch Investitionen?
Mahrer:
Das kommt sicher, weil uns die parallele Entlastung von Arbeitnehmern und Selbstständigen sehr wichtig ist. Den genauen Zeitpunkt kann ich nicht sagen.
Positiv überrascht sind viele über die Wiedereinführung einer Behaltefrist, nach der Wertpapiere KESt-frei verkauft werden können. Allerdings wird auch hier nur die Erarbeitung eines Modells versprochen - das kommen kann oder auch nicht ...
Mahrer:
Weil verschiedene Modelle denkbar sind: entweder eine Frist von einem Jahr wie früher oder eine unterschiedliche Behandlung von Anlageklassen. In Koalitionsverhandlungen ist zu wenig Zeit, sich da festzulegen. Wir haben viel andiskutiert, aber vor allem die Grünen wollen sich noch mehr Zeit nehmen. Die Behaltefrist wird ganz sicher eingeführt. Wie übrigens auch die Green Bonds mit KESt-Befreiung. Die Idee ist, dem Anlegermarkt solche Anleihen des Staates oder auch von privaten Unternehmen für die Finanzierung von nachhaltigen Investitionen schmackhaft zu machen - zum Beispiel statt des Kaufs von Betongold.
Das Volumen der CO2-Bepreisung legen wir fest, wenn wir wissen, wie viel Lenkungseffekte wir zur Erreichung der Klimaziele brauchen.
Dennoch: Im Programm finden sich fast keine Zahlen. Damit man die Regierung nicht festnageln kann, wenn doch nichts passiert? Wieso wurde in der zentralen Materie der Ökologisierung kein Volumen für die Umschichtung von lohn- zu CO2-abhängigen Abgaben festgelegt?
Mahrer:
Das könnte man machen, wenn man die Sache isoliert betrachtet, und die Grünen hätten es sich auch so vorgestellt. Die ÖVP will sich aber an dem für Österreich verbindlichen Plan zur CO2-Reduzierung orientieren. Wir wollen etwa den Tanktourismus eindämmen und andere Aktionen setzen, dazu werden noch Maßnahmen auf EU-Ebene kommen ...
... womit sich angeblich bis zu 40 Prozent der kurzfristigen Klimavorgaben erfüllen ließen?
Mahrer:
Jedenfalls bedeutet es, dass wir dann auch weniger Lenkungseffekte durch eine CO2-Bepreisung brauchen. Das Volumen legen wir fest, wenn wir wissen, wie viel nötig ist.
Der C02-Preis soll entweder über bestehende Abgaben - im wesentlichen die Erhöhung der Mineralölsteuer - oder über ein nationales Emissionshandelssystem festgelegt werden, ist zu lesen. Sie tendieren zu Zweiterem?
Mahrer:
Beide Regierungsparteien wissen noch nicht, welche die bessere Lösung ist. Die Grünen waren und sind beim Handelssystem skeptisch, weil es auf europäischer Ebene so lange brauchte, bis es funktioniert hat. Die Taskforce zwischen Finanz-und Umweltministerium wird das in einem Wettbewerb der Ideen evaluieren. Dafür sind zwei Jahre vorgesehen. Was auch herauskommt, muss so verträglich wie möglich für den Standort sein und im Idealfall sogar zusätzliche Jobs schaffen.
Im Ökologisierungskapitel steht mehrfach, dass es für niemanden zu Mehrbelastungen kommen soll. Gleichzeitig ist von nötigen Lenkungseffekten die Rede. Ein gewisser Widerspruch: Wenn eh keiner mehr zahlen muss, geht die Lenkung ins Leere.
Mahrer:
Nein. Menschen, die ihr Verhalten in der gewünschten Weise ändern, sollen nicht stärker belastet werden. Wer sein Verhalten nicht ändert, wird sehr wohl mehr zahlen müssen. Nur in Fällen, in denen Leute keine Wahlmöglichkeit haben, beim öffentlichen Verkehr oder zum Teil beim Heizen, müssen wir das abfedern: entweder durch soziale Maßnahmen oder durch Förderung von Investitionen. Ich sage das auch den Betrieben: Wer jetzt klug investiert, der braucht auch keine steigende Abgabenlast fürchten.
Was genau soll eigentlich die Bürger-Stiftung Klimaschutz machen?
Mahrer:
Der Gedanke ist eine gemeinnützige Stiftung, an der sich Bürger beteiligen können, wobei die Zahlungen von der Steuer absetzbar sind. Auch dadurch soll ein Ideenwettbewerb in Gang gesetzt werden. Es ist aber kein Investmentvehikel, sondern hat mehr philanthropischen Charakter und soll jetzt einmal ausprobiert werden.
Wie steht es mit Ihrem Wunsch, die Genehmigungsverfahren für klimarelevante Investitionen - etwa im öffentlichen Verkehr - zu beschleunigen?
Mahrer:
Eine Generalklausel dafür wird es mit den Grünen nicht geben. Ich bin aber optimistisch, dass wir in konkreten Fällen Einigungen erzielen werden. Im Alltag wird man um diese Frage nicht herumkommen. Den Nahverkehrsplan zügig umzusetzen, wird unter dem jetzigen Regulierungsregime nicht möglich sein.
Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs wird wie auch andere angedachte Maßnahmen viel Geld kosten. Im gesamten Koalitionsübereinkommen findet sich aber kein einziger Punkt, wo der Staat Ausgaben reduziert.
Mahrer:
Das ist Sache des operativen Budgetvollzugs. Es ist vereinbart, dass am Nulldefizit festgehalten wird. Damit versteht sich von selbst, dass Mittel umgeschichtet und verschoben werden müssen. Da wird wohl einiges im Bereich der Förderungen passieren. Außerdem eröffnet die kalte Progression immer einen gewissen Spielraum.
Und wenn es sich finanziell doch nicht ausgeht, werden halt ein paar Projekte wieder verworfen?
Mahrer:
Die wichtigen Vorhaben wie Klimaschutz und Steuersenkung zu verschieben, das geht sicher nicht. Sonst fliegt uns diese Regierung in einem Jahr um die Ohren.
Zum Schluss noch zwei aktuelle Fragen: Im Abschnitt über das Glücksspiel lesen wir, dass die Rollen des Finanzministeriums - einerseits Eigentümervertreter bei den Casinos Austria und andererseits Regulator - entflochten werden. Heißt das Umstrukturierung oder Verkauf der Beteiligung?
Mahrer:
Es ist jedenfalls kein Privatisierungsauftrag für die Casinos. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Struktur zu bereinigen. Die werden in Ruhe überlegt.
Viele Skigebiete berichten über Rekordgästezahlen über Weihnachten und Silvester, Hüttenwirte von einem nie erlebten Fachkräftemangel. Wäre es nicht höchste Zeit, darauf zu reagieren?
Mahrer:
Wir haben es mit den Grünen zum ersten Mal geschafft, eine bedarfsgerechte Anpassung der Kontingente für Saisoniers zu erreichen. Das war mit der SPÖ nie möglich und auch nicht mit der FPÖ, weil sich Herbert Kickl gegen mehr Ausländer am Arbeitsmarkt - auch dort, wo sie nötig sind - gestemmt hat.
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