Warnschüsse Richtung Moskau

Die Verhaftung des Ukrainers Dmytro Firtash in Wien ist kein Zufall. Die Oligarchen geraten durch die Krim-Krise in Bedrängnis. Bald könnte es auch die russischen treffen.

Warnschüsse Richtung Moskau

Mit der Verhaftung des ukrainischen Oligarchen Dymtro Firtash mitten in Wien ist Österreich mit einem Schlag ins Zentrum der globalen Auseinandersetzung zwischen Russland, der Ukraine, der EU und den USA geraten. Es ist fraglich, ob der ermittelnde Staatsanwalt Zachary T. Fardon des Bezirksgerichts Illinois Nord, die gesamte Tragweite seines Haftbefehls gegen Firtash vor Augen hatte, als er am 20. Juni des Vorjahres Anklage gegen den Milliardär erhoben hat.

Nicht nur Firtash selbst glaubt bezüglich des Zeitpunkts seiner Verhaftung nicht an Zufall. Das FBI ermittelt schon seit sieben Jahren wegen Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung im Zuge von Auslandsgeschäften. Firtash hielt sich aber neben regelmäßigen Wien-Besuchen vor allem in seiner zweiten Heimat Großbritannien alles andere als versteckt. Er lud zu pompösen Empfängen, veranstaltete „Ukraine-Wochen“ unter dem Ehrenschutz des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Am Podium der britischen Börse hielt er bei dieser Gelegenheit eine Rede.

Dass ihn die angebliche Bestechung indischer Amtsträger im Zuge eines lokalen Titanprojekts ausgerechnet jetzt in den Knast bringt, hängt laut Beobachtern mit anderen Dingen zusammen: Mit seiner Rolle als früherer Gegenspieler der ukrainischen Oppositionsführerin Julija Timoschenko, seinen Fabriken auf der Krim und seiner Nähe zu Janukowitsch und Wladimir Putin.

Der ukrainische Oligarch ist ein spezieller Fall: Früh hat der ehemalige Feuerwehrmann seine Geschäfte als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine aufgebaut und ist mit dem Industrie-Imperium Ostchem und Group DF auch in Wien präsent. Das markanteste Beispiel: Rosukrenergo, der Zwischenhändler von russischem Gas, das an die Ukraine geht. Erst 2006 wurde bekannt, dass Firtash hinter den von Raiffeisen-Investment treuhändisch gehaltenen Anteilen steckt. Die damalige Ministerpräsidentin Timoschenko, selbst im Gasgeschäft aktiv, wollte noch 2009 das Geschäft der Rosukrenergo sprengen. Der 2010 gewählte Präsident Janukowitsch hielt aber an Firtashs Unternehmen fest. Dafür zeigten sich die Firtash zuordenbaren Abgeordneten gegenüber Janukowitsch bis knapp vor seinen Sturz solidarisch.

Firtash ist nicht der einzige ukrainische Oligarch des alten Systems, der seit der Eskalation auf der Krim in Bedrängnis geriet. Das gilt etwa auch für den Kohle-Magnaten Rinat Akhmetov, den reichsten Mann des Landes, Präsident des Fußballclubs Schachtjor Donezk und Besitzer des teuersten Apartments, das je in London verkauft wurde. Noch im Jänner haben seine Firmen ganze 31 Prozent aller öffentlichen Ausschreibungen in der Ukraine gewonnen. Nun gab es bei seiner Schweizer Firma DTEK Trading bereits eine Hausdurchsuchung. Diese wiederum soll in enger Geschäftsbeziehung zum Rohstoffunternehmen des Sohns von Janukowitsch gestanden sein. Ein Zusammenhang mit der Situation auf der Krim liegt nahe. Auch gegen Firtash wird in der Schweiz ermittelt. Der Verdacht auf Korruption im internationalen Rohstoffgeschäft steht im Raum. Über verschiedenste Konstruktionen und Länder wie Liechtenstein führen einige Fäden immer wieder nach Wien ( FORMAT berichtete ).

Sanktionen gegen Oligarchen vorbereitet

Daran, dass viele ukrainische Oligarchen große Teile ihrer Vermögen ins Ausland geschafft haben, besteht kein Zweifel. Dass das aber auch für russische Oligarchen gilt, könnte in den nächsten Wochen von Bedeutung werden. Am Donnerstag kommen die EU-Regierungschefs zusammen, um über eine Ausweitung der gegen Russ­land getroffenen Sanktionen zu beraten. Auf der Liste von Menschen, die von Reiseverboten und eingefrorenen Konten betroffen sind, stehen momentan nur 21 Namen. Oligarchen sind – noch – nicht darunter. Werden die Sanktionen ausgeweitet, könnte sich das schnell ändern: Bis zu 100 Namen kursieren. Schon am Mittwoch forderte Frankreich, das einen russischen Großauftrag für zwei Kriegsschiffe stoppt, von Großbritannien, die in London lebenden Oligarchen zu sanktionieren. Die Finanzstadt gilt als Mag­net für russische Milliardäre – und ihr Geld.

Sogar Russland selbst stört die Größenordnung, mit der seine Unternehmer in den vergangenen Jahren Geld ins Ausland geschafft haben – wo sie die Sanktionen nun treffen könnte. Im Jahr 2012 liefen 20 Prozent der russischen Exporte über Offshore-Destinationen. Der Nettokapitalabfluss aus Russland soll 2013 rund 60 Milliarden Dollar betragen haben. Laut Schätzungen sind 60 Prozent dieser Gelder schmutzig: Drogen- und Bestechungsgelder, Kickbacks. Nun werden viele dieser Gelder von Russen wieder in Sicherheit gebracht. Die Russland-Tochter der Raiffeisen Bank International verzeichnet vermehrt Zuflüsse, die russische Zentralbank stößt im großen Stil US-Anleihen ab. Gleichzeitig werden aber auch große Summen von ausländischen Investoren aus Russland abgezogen – bis Ende des Monats sollen laut Bankenschätzungen 2014 bereits 55 Milliarden Dollar aus Russland abgeflossen sein.

Vor allem die EU wird bei weiteren Sanktionen darauf achten, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen überschaubar bleiben. Den Oligarchen zu drohen, könnte wirken – sofern diese ihr Geld nicht schon gesichert haben.

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