Wahlkampf Wie Parteien an unsere Daten kommen
Mitte Juli wird den wahlwerbenden Parteien das aktualisierte Wählerverzeichnis zugänglich gemacht. Dem Team Stronach sind die darin enthaltenen Daten - Name, Adresse, Geburtsdatum - zu wenig. Die Stronach-Leute nutzen im Nationalratswahlkampf für spezifische Zielgruppen-Analysen die Angebote der Post AG.

Das teilstaatliche Unternehmen erhebt in der Komplettvariante zunächst ein Wählerprofil mittels Umfrage (beteiligte Institute sind Ifes und Ulram), das im Anschluss mit vorhandenen Post-Adressdatenbanken abgeglichen wird. Dort sind bereits Merkmale wie Alter, Familien- und Bildungsstand, Kaufkraft, Karrierestatus, Miet- oder Eigentumsverhältnisse registriert. Maßgeschneiderte Pakete gibt es bereits um einige zehntausend, das bundesweite Komplettprogramm um 700.000 Euro.
Microtargetting
"Microtargetting heißt das im Wahlkampf-Jargon. Weil die Konkurrenz größer, die Wahlbeteiligung niedriger und die Kassen leerer geworden sind, setzen Parteien auch hierzulande immer stärker auf gezielte Werbung, also Hausbesuche und Postwurfsendungen. Denn großflächige Plakatwerbung und TV-Spots sind Streuverlust, und damit teuer und uneffektiv. Es geht um die Sondierung von Wählerpotenzial in einzelnen Sprengeln, Straßenzügen, Zinshäusern und Haushalten. Das frei zugängliche Wählerverzeichnis liefert lediglich ein grobes Suchraster. Genauer wirds mit den Datenbanken diverser Agenturen. Auf eine solche setzt auch die SPÖ. Die Mitglieder-Partei hat zwar eine gut ausgebaute Bezirks- und Gemeindestruktur. Für die Battlegrounds in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark greifen die Funktionäre aber bei Hausbesuchen auf externe Adress-Analysen zu.
Auch die FPÖ nutzt gekaufte Datensätze für Direct Mailings. Sondiert wird bei den Blauen nach Berufsgruppen. Österreicher mit Migrationshintergrund sind nicht im Portfolio. "Ausländer selektieren wir nicht, meint Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum, "das wäre zwar interessant, ist aber mit unserem Anbieter nicht möglich. Die ÖVP hat sich in den vergangenen Jahren auf das Datensammeln via Nachbarschaftstratsch konzentriert. Befragt wurden Bezirks- und Gemeindefunktionäre, welche Wählerschichten potenziell VP-affin sein könnten. Dazu zählt etwa Vereinstätigkeit oder Gymnasiumsbesuch der Kinder. In Ballungsräumen, wo das Konzept nicht aufgeht, greift man auf gekaufte Adresssätze mit Zielgruppen-Fokus zurück. Darüber hinaus setzen die Schwarzen im Wahlkampf auf Callcenter und Telefonaktionen.
Rechtlich sei der Ankauf von Adresssätzen völlig legal, sagt Hans Zeger von der ARGE Daten: "Bei der Auswertung sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Vom Bierkonsum bis zur Bonität kann alles gerastert werden. Etwaige Einschränkungen könnten leicht umgangen werden. "Bei Telefonaktionen sind reine Werbeanrufe ohne vorherige Zustimmung verboten, telefonische Umfragen aber nicht. Mit den richtigen Suggestivfragen wird daraus schnell ein Wahlwerbegespräch. Der juristische Riegel sperrt nur beim Ankauf fremder E-Mail-Adressen. Hier müssen sich die Parteien auf ihre eigenen Online-Sympathisanten und Newsletter-Abonnenten beschränken. Vor allem FPÖ, die Grünen und die Newcomer-Partei Neos setzen auf diese Netzwerke. Neos macht darüber hinaus auch Wiener Hausbesuche über eigene Sprengel-Auswertungen. Das Post-Paket sei zwar auch ihnen angeboten worden, war aber zu teuer.
Woher kommen die Daten?
"Wenn wir Gewinnspiele oder Umfragen zur Kundenzufriedenheit machen, fragen wir auch regelmäßig soziodemographische Aspekte ab, sagt Post-Sprecher Michael Homola exemplarisch für die Branche. Keinesfalls würden aber weitere Daten gesammelt werden, etwa über Bestell- und Konsumverhalten der Post-Kunden. Rechtlich wäre das auch verboten, denn grundsätzlich gilt: Alles, was über Name, Alter und Adresse hinausgeht, bedarf der vorherigen Zustimmung des Betroffenen.
Als im Vorjahr publik wurde, dass die Deutsche Bank ihre Kundendaten verhökert, musste sich das Unternehmen zumindest öffentlich rechtfertigen. Hierzulande darf damit nicht gerechnet werden. "Wir sind datenschutztechnisch das letzte Bollwerk der Sowjetrepubliken sagt ARGE-Chef Zeger. Und das meint er völlig ernst.
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