Vizekanzler Kogler: "Wer Italien hilft, hilft Österreich"
Corona geht, die Arbeitslosigkeit wird bleiben: Vizekanzler Werner Kogler skizziert die Maßnahmen für den "Wiederaufbau", für den eine stärkere wirtschaftliche und soziale Solidarität innerhalb Europas hilfreich wäre. Für die untersten Einkommensschichten will Kogler eine zielgerichtete Anhebung der Einkommen.
Vizekanzler Werner Kogler
trend:
Sogar erfahrene Unternehmer rechnen in Jahresfrist mit einer Million Arbeitslosen. Mit wie vielen rechnen Sie?
Werner Kogler:
Wir befinden uns jetzt in der Not- und Soforthilfephase. Danach kommt die Überbrückungsphase, in der die Liquiditätsmaßnahmen tatsächlich angekommen sein sollten. Die Unternehmen, die im Markt bleiben sollen, müssen, bildlich gesprochen, jetzt einmal zur Tränke.
Nochmals: Wie viele Arbeitslose werden wir am Ende des Jahres haben?
Ich beschäftige mich nicht mit der Frage, ob das 800.000 oder 1,1 Millionen sein werden. Die Zahl wird nach Auslaufen der Kurzarbeit wahrscheinlich die höchste der Zweiten Republik sein.
Und wie kommt man davon wieder herunter?
Vieles hängt davon ab, wie sich die internationale Konjunktur, wie sich die Nachfrage nach Industriegütern entwickelt. Das ist für die "small open economy" Österreich das Hauptproblem. Sehr hilfreich wäre stärkere wirtschaftliche und soziale Solidarität innerhalb Europas. Denn wenn Italien darniederliegt, schadet das auch dem heimischen Arbeitsmarkt enorm. Wer Italien hilft, hilft also auch Österreich. Man muss sich ja nur die Verflechtungen von Kärnten mit dem dramatisch betroffenen Norditalien anschauen!
Es wird direkte öffentliche Investitionen und Anreize für Private geben, um das vorhandene Kapital zu mobilisieren.
Die türkise Regierungsfraktion war, was die Solidaritätsfrage betrifft, bislang eher zurückhaltend ...
Das hat sich zuletzt geändert. Es wird große Pakete, gerade auch für Italien, geben.
Der Bundeskanzler will nun so rasch wie möglich möglichst viele Menschen zurück in Beschäftigung bringen. Wann kommt also das große Konjunkturpaket?
Ich halte es mit den Wirtschaftsforschern: Die klassische Konjunkturpolitik kommt nach den Überbrückungsmaßnahmen. Man muss den richtigen Zeitpunkt erwischen. Es kann im Sommer losgehen. Jetzt schon öffentliches Konjunkturgeld auszugeben, kann teilweise verpuffen, wenn die Erwartungshaltung der Unternehmungen nicht entsprechend passt.
Und wie wird das Paket ausschauen?
Es wird direkte öffentliche Investitionen geben, daneben Anreize für Private, um das vorhandene Kapital zu mobilisieren. Viele Maßnahmen werden zukunftsträchtig sein, wir wollen etwa Digitalisierung und Ökotechnologien forcieren.
Für Ökoinvestments soll es einen Extrabonus geben.
Und das große zweite Krisenthema, das Klima, bleibt wie befürchtet auf der Strecke?
Das, was da manche behaupten, ist ein Holler. Moderne Umwelttechnologie wird weltweit nachgefragt bleiben und eine maßgebliche Komponente in guten Konjunkturprogrammen sein. Österreich kann und soll da in der Weltliga vorne mitspielen.
Welchen Stellenwert hat für Sie der Ausbau von Straßen und Schienen? Welche Projekte werden vorgezogen?
Wenn Projekte im Öffi-Ausbau vorgezogen werden können, sollte man die Wirksamkeit nicht unterschätzen. Wenn der Bausektor unterausgelastet ist, kann man da schon reingehen. Wichtig ist, die thermische Gebäudesanierung, Kesseltausch sowie Photovoltaikanlagen, vorzuziehen. Da ist viel drinnen. Das bringt pro investierter Million oft die höchste Zahl an Arbeitsplätzen. Für Ökoinvestments soll es einen Extrabonus geben.
Sind die Grünen in das "Future Clearing Operations Board" des Bundeskanzlers unter Antonella Mei-Pochtler eingebunden?
Das ist noch kein umfassender gemeinsamer Regierungsstab, wir besprechen aber auf Regierungsebene die nächsten Schritte. Wichtig ist, Signale zu setzen, dass die jeweils nächsten Zukunftsfragen beantwortet werden.
Eine vorübergehende, zielgerichtete Anhebung für die untersten Einkommensklassen.
Wird's eine eigene grüne "Taskforce Arbeitslosigkeit" geben?
Wir bündeln unser Know-how in unseren Ministerien, bringen Experten in die Stäbe rein. Wir arbeiten auch über Ministeriumsgrenzen hinweg zusammen.
Werden Sie das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent erhöhen? Das würde doch auch die Konjunktur stützen.
Eine vorübergehende, zielgerichtete Anhebung für die untersten Einkommensklassen wäre ein Ziel. Familien mit Kindern müssen besonders gestützt werden, dafür haben wir ja schon 60 Millionen freigemacht.
Die SPÖ befürchtet, dass Sie den 1. Mai, den Tag der Arbeit, als Feiertag abschaffen wollen ...
Ab dem 1. Mai gab es große Schritte in Richtung "Hochfahren". Es ist behaupteter Unsinn, den 1. Mai als Feiertag abzudrehen.
Zur Person
Werner Kogler, 58, ist seit Jänner dieses Jahres Sportminister und Vizekanzler der Republik. Der grüne Parteichef ist ausgebildeter Ökonom. Hemdsärmelig und polternd manövriert er Seite an Seite mit Bundeskanzler Sebastian Kurz durch die Corona-Krise.