Trumps "seltenes Talent" Cohn quittiert den Job

Wirtschaftsberater Gary Cohn verlässt das Weiße Haus. Er wird für US-Präsident Donald Trump nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Ex-Investmentbanker hatte sich gegen die Strafzölle ausgesprochen, die Trump auf Aluminium, Stahl und importierte Autos erheben will. Die Front gegen Trump wird größer. Gegenüber der EU droht Trump weiter. Mit Peter Navarro folgt Cohn ein Hardliner und Freund von Strafzöllen.

Trumps "seltenes Talent" Cohn quittiert den Job

Washington. Donald Trump verliert einen weiteren Verbündeten. Gary Cohn, verlässt inmitten der Debatte über US-Strafzölle auf ausländischen Stahl und Aluminium das Weiße Haus. Es sei ihm eine Ehre gewesen, seinem Land zu dienen, und er sei Präsident Trump dankbar für diese Möglichkeit, hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme Cohns.

Trump dankte Cohn für seine Arbeit. Trump lobt Cohn in einer schriftlichen Erklärung als "seltenes Talent". Cohn habe einen "ausgezeichneten Job" dabei geleistet, die Agenda der Regierung voranzubringen.

Der 57jährige Cohn, ehemals hochrangiger Investmentbanker bei Goldman Sachs, galt innerhalb des Weißen Hauses bisher als ausgleichender Mahner in der Wirtschaftspolitik. Er war es, der Trumps nationalistischer Wirtschaftspolitik unter dem Motto "America First" das Attribut "but not alone" ("aber nicht alleine") beifügte und damit zumindest ein gewisses Maß an internationaler Zusammenarbeit einforderte.

In Cohn verliert Trump einen der letzten Befürworter von Freihandel und Globalisierung in seinem direkten Beraterstab. Dies könnte auch Auswirkungen auf die laufenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen NAFTA mit den Nachbarn Mexiko und Kanada haben. Ohne Cohn dürfte sich Trumps Politik weiter verhärten. Cohns Abgang ist für das Lager der sogenannten Globalisten im Weißen Haus, zu denen auch das Paar Ivanka Trump und Jared Kushner gerechnet wird, eine schwere Niederlage.

Trump hatte mit seiner Ankündigung die Angst vor einem internationalen Handelskonflikt geschürt. Politiker und Wirtschaftsführer in aller Welt äußerten ihre Besorgnis über eine solche Auseinandersetzung.

Cohn galt zuletzt sogar als Top-Kandidat für den Chefposten der US-Notenbank Federal Reserve. Der Ex-Investmentbanker gilt als Architekt von Trumps Steuerreform, die im vergangenen Jahr beschlossen wurde.

Unter Trumps Parteikollegen im Kongress dürfte Cohns Rücktritt die Sorgen um den handelspolitischen Kurs des Präsidenten weiter verstärken. Viele republikanische Parlamentarier lehnen die Strafzölle ab. Der Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, appellierte am Dienstag an den Präsidenten, einen "schlaueren" Plan zum Schutz der heimischen Stahl- und Aluminiumproduzenten vorzulegen.

Für Cohn war offenbar zuletzt ein Maß erreicht, wo er sich nicht mehr mit der Linie des Präsidenten einverstanden erklärt hat. Er hatte sich bereits vorige Woche eindeutig gegen den Trump-Plan gestemmt, ausländische Stahl- und Aluminiumimporte mit Strafzöllen in der Höhe von 25 bzw zehn Prozent zu belegen und so einen Handelskrieg anzuzetteln. Er ist einer von mehreren Republikanern im direkten Umfeld des US-Präsidenten, die In den vergangenen Tagen sich eindeutig gegen Trump gestellt haben.

Cohns Rücktritt kommt nicht ganz so überraschend. Es gab bereits Spekulationen darüber. Bis zuletzt soll Cohn noch versucht haben, die Position der USA gegenüber Strafzöllen aufzuweichen. Sein Rückzug wird nun auch als Indiz dafür gewertet, dass Trump sich nicht umstimmen lassen und bei seiner harten Linie auch gegen Europa bleiben will.

Das Enfant terrible gewinnt Machtkampf

Um die Zölle hatte sich Cohn laut Medienberichten einen harten Streit mit Handelsminister Wilbur Ross und einem anderen Wirtschaftsberater im Weißen Haus, Peter Navarro, geliefert. Die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtete, Trump habe Cohn am Dienstag bei einem Treffen im Oval Office gefragt, ob er seine Pläne für die Zölle unterstützen werde. Cohn habe ihm diese Zusicherung nicht gegeben, berichtete die Agentur unter Berufung auf zwei mit der Sache vertraute Personen.

Cohns Widersacher Peter Navarro dürfte sich nun in einem internen Flügelkampfkampf gegen Cohn durchgesetzt haben. Der 68jährige Wirtschaftsprofessor hatte sich in den vergangenen Tagen geradezu für Strafzölle stark gemacht und gegen Cohn gestellt. Die Gefahr eines Handelskriegs hatte Navarro salopp weggewischt. An Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder glaube er nicht - "aus dem einfachen Grund, dass wir der lukrativste und größte Markt der Welt sind".

Navarro wirkt in diesen Tagen wie aufgepumpt. Mit strotzendem Selbstbewusstsein wirbt der Wirtschaftsberater im Weißen Haus für die US-Strafzölle auf Aluminium und Stahl. Die von Präsident Trump angekündigten Maßnahmen sind für den handelspolitischen Falken ein persönlicher Triumph.

Mit seinem leidenschaftlichen Einsatz für die Strafzölle stärkt Navarro seinen Ruf als Enfant terrible. Denn mit seiner extrem skeptischen Sicht des Freihandels liegt er nicht nur quer zur vorherrschenden Meinung in seiner Ökonomen-Zunft, sondern auch zu großen Teilen des republikanischen Partei-Establishments - viele Republikaner im Kongress sind entsetzt über die Strafzölle.

Der Konvertit

Der neue, für Wirtschaftsfragen zuständige starke Mann an der Seite von Donald Trump ist eine Reizfigur und international kein Unbekannter. In der Regierung von Trump kam er allerdings bislang nicht so zum Zug, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Wirtschaftsprofessor schrieb eine ganze Reihe Bücher.

Mehr als ein Dutzend Bücher hat Navarro geschrieben - eines der zentralen Themen ist China, das er als Hauptbedrohung für Freiheit und Frieden in der Welt sieht. Aus einem dieser Bücher, "Death by China" (Tod durch China), entstand auch eine Filmdokumentation. In seinen düsteren Warnungen geht Navarro weit über die gängige Kritik an der chinesischen Wirtschafts- und Militärpolitik hinaus - China befindet sich in seiner Sicht auf einem regelrechten globalen Eroberungsfeldzug.

Nicht erst seit Ausbruch des aktuellen Handelsstreits hat er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Schon seit längerem provoziert er mit beinharter Kritik an anderen Ländern, darunter auch Deutschland.

In einem Aufsehen erregenden Zeitungsinterview kurz nach Trumps Amtsantritt bezichtigte er Deutschland, die USA sowie andere EU-Staaten mittels eines angeblich drastisch unterbewerteten Euro "auszubeuten". Dass Navarro zuletzt an Einfluss im Weißen Haus hinzugewonnen hat, ist für die deutsche Bundesregierung also - über den Streit um Aluminium und Stahl hinaus - eine überaus beunruhigende Nachricht.

Wirtschaftsprofessor Navarro brachte wie auch Trump keinerlei Regierungserfahrung ins Weiße Haus mit. Seine lange akademische Laufbahn führte ihn vom Ostküstenstaat Massachusetts, wo er an der Eliteschmiede Harvard den Doktortitel erwarb, nach Kalifornien. Dort lehrte er mehr als 20 Jahre an der University of California in Irvine.

Bereits in den neunziger Jahren unternahm Navarro, der damals noch den Demokraten angehörte, mehrere Anläufe für eine politische Karriere. Doch scheiterte er mit einer Serie von Kandidaturen, unter anderem für das Bürgermeisteramt in San Diego und das US-Repräsentantenhaus. Der Professor erfand sich daraufhin neu und strebte als Buchautor nach Einfluss auf ein breites Publikum.

Als Buchautor soll Navarro auch die Aufmerksamkeit Trumps gewonnen haben, der ihn dann in sein Wahlkampfteam holte. Inwieweit der Professor damals die protektionistische Agenda des Rechtspopulisten mitprägte, lässt sich schwer ermessen. In jedem Fall war Trump von Navarro beeindruckt. Dieser habe die "von der Globalisierung verursachten Schäden" für die US-Arbeiterschaft früh vorhergesehen, rühmte er den Ökonomen bei dessen Berufung ins Weiße Haus.

In der Regierung hatte es der Professor dann aber nicht leicht. Von Stabschef John Kelly wurde er Cohn unterstellt, was einer Degradierung gleichkam. Doch vor drei Wochen machte Trump dies laut "Washington Post" rückgängig, indem er Navarro aus dem Cohn-Stab herausholte und in seiner Rolle aufwertete. Trumps Zollankündigung und Cohns Rücktritt krönten dann Navarros Comeback.

Trumps Drohung an die EU

Trump hatte nach dem Rücktritt Cohns noch einmal der EU die Rute ins Fenster gestellt. In der Debatte um US-Strafzölle auf ausländischen Stahl sowie auf Aluminium hat US-Präsident Donald Trump erneut schwere Geschütze in Richtung Europa aufgefahren. Sollte die EU Vergeltungszölle beschließen, wie etwa von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgeschlagen auf Jeans, Bourbon-Whiskey und Motorräder, dann würden die USA zurückschlagen, kündigte Trump am Dienstag in Washington an.

"Dann belegen wir ihre Autos mit einer Steuer von 25 Prozent - und glaubt mir, dann machen sie es nicht sehr lange", sagte Trump. "Die Europäische Union war besonders hart zu den Vereinigten Staaten", sagte Trump bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Stefan Löfven am Dienstag im Weißen Haus in Washington. "Sie machen es fast unmöglich für uns, Geschäfte mit ihnen zu machen, und trotzdem senden sie ihre Autos und alles andere in die Vereinigten Staaten", sagte Trump. "Die Europäische Union hat uns nicht sehr gut behandelt und es ist eine sehr, sehr unfaire Situation", fuhr er fort.

Trump machte aber auch deutlich, dass es Gesprächsbereitschaft für den Fall gebe, dass die EU bereit sei, Handelshemmnisse zu beseitigen. "Wenn die EU einige ihrer furchtbaren Hürden abbaut, dann können wir anfangen zu reden", sagte er. Einen Handelskrieg scheue er nicht. Er würde den Vereinigten Staaten weniger schaden als anderen Ländern, die derzeit einen Handelsüberschuss mit den USA hätten.

Mit Cohn verliert Trump einen der letzten Befürworter von Freihandel und Globalisierung in seinem direkten Beraterstab. Dies könnte auch Auswirkungen auf die laufenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen NAFTA mit den Nachbarn Mexiko und Kanada haben.

Cohns Rücktritt reiht sich in eine bereits lange Liste von Abgängen aus Trumps Regierungsteam ein. Knapp eine Woche zuvor hatte die Kommunikationsdirektorin im Weißen Haus, Hope Hicks, ihren Rücktritt erklärt. Im Februar war der Stabssekretär im Weißen Haus, Rob Porter, ausgeschieden. Insgesamt haben bereits über ein Dutzend zum engeren Stab zählende Trump-Freunde seit seinem Amtsantritt vor über einem Jahr w.o. gegeben oder mussten abdanken.

Die jetzige Demission des Wirtschaftsberaters konterkariert Trumps Beteuerung, dass im Weißen Haus alles geordnet zugehe. Noch am Dienstag (Ortszeit) hatte er die Berichte über Chaos in der Regierungszentrale als "Falschnachrichten" bezeichnet. "Leute werden immer kommen und gehen" schrieb Trump im Kurzbotschaftendienst Twitter. Statt "Chaos" gebe es im Weißen Haus "große Energie".

Die Beratung der EU

Die EU-Kommission berät am Mittwoch über mögliche Gegenmaßnahmen auf Zölle. Im Gespräch sind etwa Revanche-Zölle auf Bourbon-Whiskey und Harley-Davidson-Motorräder. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wird die Überlegungen der Brüsseler Behörde präsentieren.

Es wird nicht damit gerechnet, dass die EU-Kommission konkrete Entscheidungen trifft, solange die US-Maßnahmen noch nicht in trockenen Tüchern sind. Erwartet wird eine Grundsatzerklärung.

Der Koordinator der deutschen Regierung für transatlantische Zusammenarbeit Jürgen Hardt warnte davor, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Trumps Ankündigung von Strafzöllen sollte mit Verfahren der Welthandelsorganisation, Überzeugungsarbeit und der Suche nach Partnern begegnet werden, sagte Hardt am Dienstag (Ortszeit) in Washington. Er habe Hoffnung, dass Trumps Pläne abgeschwächt oder modifiziert werden könnten, sagte Hardt Stunden vor Cohns Rücktritt.

Die internationale Stahlbranche trifft sich am Mittwoch in Düsseldorf. Ein Strafzoll insbesondere für Stahl könnte dabei nach Einschätzung der IG Metall Arbeitsplätze auch in Deutschland in Gefahr bringen. "Wir gehen davon aus, dass es Beschäftigungseffekte haben wird", sagte der Stahl-Experte der IG Metall, Heiko Reese, vor der Handelsblatt-Jahrestagung Stahl. Zu der zweitägigen Tagung werden unter anderem der Chef der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, sowie Manager der Stahlkonzerne Salzgitter, ArcelorMittal, Tata Steel und Voestalpine erwartet.

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