Tickende Zeitbombe in Schwarz [Politik Backstage]

Die neuen Attacken auf Alma Zadic und die Justiz sind nur das Vorspiel. Der kommende U-AUSSCHUSS, der sich allein der Aufdeckung der ÖVP-Korruption verschreiben will, wird zur ultimativen Belastungsprobe für das Kabinett Nehammer-Kogler.

Thema: Politik Backstage von Josef Votzi
Justizministerin Alma Zadic

Justizministerin Alma Zadic

In der zweiten Jännerwoche klingelte in österreichischen Redaktionen auffällig oft das Telefon, ausgehend von der gleichen Nummer: Warum finden die Plagiatsvorwürfe gegen Alma Zadic so wenig oder -in einigen Fällen - gar keinen medialen Niederschlag? Es würde sich lohnen, einen schärferen Blick auf die Doktorarbeit der Justizministerin zu werfen. Urheber der höflichen, aber bestimmten Anrufe war eine bekannte Wiener Rechtsanwaltskanzlei, die im Umgang mit der obersten Chefin der Justiz nicht frei von Interessen ist. Die Advokatur vertritt Beschuldigte in anhängigen Ermittlungsverfahren rund um die Korruptionsvorwürfe im Umfeld der ÖVP.

Das mediale Echo blieb mangels Substanz trotz der nachdrücklichen Hinweise weiter überschaubar. Eine Nachfrage bei den akademischen Stellen, die die Doktorarbeit von Alma Zadic einst approbierten, ergibt zudem: Schon kurz nach deren Amtsantritt als Justizministerin waren kritische Nachfragen von Plagiatsjägern eingelangt und genauso abschlägig wie jüngst beantwortet worden. Mangels Masse fanden die Recherchen vor zwei Jahren öffentlich keinen Niederschlag. Der Befund von "Plagiatsjäger" Stefan Weber fiel auch nach dem neuerlichen Anlauf auffällig zurückhaltend aus. Im kleinen Kreis soll er zudem wissen lassen haben: Sein Auftraggeber sei mit dem Ergebnis alles andere als glücklich gewesen.


Nur kurze Feuerpause

an der Justizfront


Nach dem endgültigen Rücktritt von Sebastian Kurz Anfang Dezember schien sich koalitionsintern auch das Klima an der Justizfront zu beruhigen.

Nach dem Unfriendly Fire auf die grüne Ressortchefin ist es mit der Feuerpause nun wieder vorbei. Die Vorwürfe gegen Alma Zadic wurde erstmals auf ÖVPnahen Onlineplattformen ventiliert.

Das kommt nach zwei Jahren türkis-grüner Vernunftehe für viele im Regierungsviertel zwar nicht überraschend. Gerätselt wird aber noch, ob das in Absprache mit der neuen Parteiführung passiert oder ob das in die zweite Reihe zurückgedrängte Kurz-Lager zum Rachefeldzug bläst. Eines gilt für beide Varianten: Das Misstrauen gegen Alma Zadic, aber auch gegen den grünen Kurz- Kompagnon a. D. Werner Kogler sitzt da und dort in der ÖVP tief. Die ÖVP-Spitzen nehmen Kogler und Zadic auch persönlich übel, dass sie die Korruptionsjäger in der WKStA nicht nur nicht spürbar an die Kandare genommen haben, sondern die vorhandenen Zügel auch noch lockerten. Die Ära des machtbewussten heimlichen Justizministers und Du-Freundes vieler ÖVP-Größen Christian Pilnacek ist nach dessen Suspendierung Geschichte. Dem lähmenden permanentem Machtkampf zwischen Oberstaatsanwaltschaft (OStA) und WKStA suchte die Ressortchefin, durch eine Organisationsreform den Boden zu entziehen.

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Die Korruptionsstaatsanwälte haben generell nicht mehr an den Dauerwidersacher in der OStA, Behördenchef und Pilnacek-Intimus Johann Fuchs, zu berichten, sondern an dessen Stellvertreter Michael Klackl. Die besonders heikle Fachaufsicht im umfangreichen Ibiza-Verfahren wurde zudem personell ausgelagert und an einen Juristen der OStA Innsbruck übertragen, dem keine Nähe zum Wiener Justiz-und Politik-Insidergeflecht nachgesagt werden kann.


Kurz-Abgang

befeuert Justizphobie


Besonders schmerzhaft für die manisch kontrollsüchtigen türkisen Spitzen: Die einst von ÖVP-Justizminister Josef Moser eingeführte Berichtspflicht an die Justizspitzen drei Tage vor geplanten Hausdurchsuchungen wurde gestrichen. In der ÖVP verfestigte all das freilich nur die fixe Vorstellung: Eine kleine verschworene Truppe in der WKSta habe sich zum Ziel gesetzt, Kurz und die ÖVP mit allen juristischen Mitteln zu jagen. Erst nur mit dem Segen, jetzt auch noch mit zusätzlichem Rückenwind durch die Grünen.

Durch den von Kogler erzwungenen Rücktritt von Kurz und den Machtwechsel in der ÖVP sieht sich diese Gruppe in der ÖVP auch noch bestätigt.

So machte rund um dem vollständigen Rückzug von Sebastian Kurz aus der Politik in höchsten ÖVP-Kreisen das Ondit die Runde, Peter Pilz sei erst kürzlich wieder bei Betreten des Palais Trautson, des Sitzes des Justizministeriums in der Wiener Museumsstraße, gesehen worden. Das befeuerte die türkise Urban Legend, der Ex-Grüne, Listengründer und nunmehrige Promotor des linken Onlineboulevardportals "ZackZack" ziehe beim Feldzug von Justiz, Grünen und Co gegen die Türkisen die Fäden.

Fakt ist freilich: Das Verhältnis zwischen Alma Zadic und Peter Pilz ist zerrüttet, seit sie nicht noch einmal auf dessen Liste "Jetzt" ihr Glück versuchen wollte, sondern zu den Grünen wechselte. Pilz spricht seither nicht besonders freundlich über seine einstige Zukunftshoffnung. Zadic wiederum ließ wiederholt im kleinen Kreis wissen, sie habe Pilz seit ihrem Wechsel zu den Grünen weder gehört noch gesehen.


Justiz zeigt Muskeln


Kurz-Skeptiker der frühen Stunde in der ÖVP wie Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer haben das Justizbashing noch zu Hochzeiten des Exkanzlers kritisiert. Stelzer war nicht der einzige Spitzenschwarze, der davor warnte, die Dauerattacken auf die Justiz würden immer mehr zum Bumerang. In der Tat: Je stärker die Angriffe, desto genauer wird die Rolle der ÖVP im Justiz-Alltag unter die Lupe genommen. Je aggressiver die parteipolitischen Rundumschläge, desto entschlossener rückt die Justiz zusammen.

Die Richterschaft legt an sich bis zu den Höchstgerichten auf öffentliche Zurückhaltung wert, um nicht in Verdacht zu geraten, ihre Rolle als unabhängige Kontrollinstanz zu verlassen. Der politische Außendruck hat nicht nur das ausgeprägte Standesbewusstsein der Justiz geweckt, sondern auch scharfe Gegenreaktionen provoziert. Das zeigt sich zuletzt auch am jüngst ruchbar gewordenen Fall der Postenschieberei rund um die ÖVP-nahe bisherige Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshof (OGH) Eva Marek.

Öffentliche Kritik an Justiz-Kollegen ist zumal in Höchstgerichten an sich verpönt. OGH-Chefin Elisabeth Lovrek hatte schon im Vorjahr die Justizattacken der ÖVP entschieden gekontert. Nachdem sie nun auch öffentlich Konsequenzen im Fall Marek forderte, blieb dieser keine andere Wahl mehr, als "freiwillig" ihren Job als OGH-Vizepräsidentin zu quittieren.


Nehammers Chance

für Strategiewechsel


Neo-ÖVP-Chef Karl Nehammer hat den Umgang mit der heißen Kartoffel Justiz bislang gemieden. Im Vorfeld des nächsten Untersuchungsausschusses positionierte er sich kürzlich erstmals in einem großen Puls-4-Interview. Der Kurz-Nachfolger suchte sein Heil in der defensiven Opferrolle. Er "sieht kein Systemproblem" und wehrt sich "gegen Pauschalverdächtigungen".

Die erste Chance zum offensiven Neustart ließ der 49-jährige Niederösterreicher so liegen. Noch hat die ÖVP ein paar Wochen Zeit, eine neue Strategie beim Start des nächsten U-Ausschusses Anfang März zu finden. Denn die im Ibiza-Ausschuss gewählte ist gründlich schiefgegangen: erst ignorieren, dann attackieren, erst lächerlich machen, dann boykottieren.

Der Ibiza-Ausschuss war ursprünglich den Korruptionsvorwürfen der verhängnisvollen Nacht von Heinz-Christian Strache mit einer vermeintlichen Oligarchennichte gewidmet.

Das Handy von Kurz-Intimus Thomas Schmid lieferte dann im Übermaß Munition zum Dauerfeuer auf die ÖVP. Der Kickl-FPÖ gelang es durch besonderen Eifer, selbst bislang blau-kritische rote, pinke und grüne Ausschuss-Abgeordnete Ibiza über Nacht vergessen zu machen.

Zum massiven Missfallen der ÖVP bekommt die vereinigte Opposition jetzt kurz vor Start des nächsten U-Ausschuss reichlich Nachschub an belastenden Chat- Nachrichten. Ausgerechnet das Handy von Michael Kloibmüller, dem langjährigen Kabinettschef mehrerer ÖVP-Innenminister, wurde von ehemaligen BVT-Mitarbeitern geknackt. Schon nachdem die ersten Fundstücke in Sachen ÖVP-Postenschiebereien auf der Onlineplattform von Peter Pilz landeten, war in der Justiz und in der ÖVP Feuer am Dach.

Die Abgeordneten im neuen U-Ausschuss erwarten nicht zu Unrecht, dass das Handy von Kloibmüller noch reichlich mehr Stoff bieten dürfte. Die Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP und der Umgang mit der Justiz könnten so zur ultimativ tickenden Zeitbombe für den dritten Kanzler der türkis-grünen Koalition werden.


Der Autor

Josef Votzi

Josef Votzi

Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Der Enthüller der Affäre Groër arbeitete für profil und News und war zuletzt Politik- und Sonntagschef des "Kurier". Für den trend verfasst er jede Woche "Politik Backstage".

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