Ukrainischer Gas-Oligarch in Wien verhaftet
Der US-Inlandsgeheimdienst FBI fahndete jahrelang nach Dimitri Firtash wegen Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Am Mittwoch wurde der Gesuchte in Wien verhaftet. Er gilt als zweitreichster Ukrainer und Gönner von Ex-Präsident Janukowitsch. Ob die Festnahme mit den aktuellen Vorgängen in der Ukraine zusammenhängt, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Nach jahrelangen Ermittlungen durch das FBI ist am Mittwoch einer der reichsten Männer der Ukraine in Wien verhaftet worden. Bei dem Festgenommenen handelt es sich offenbar um Dmitry Firtash. Die US-Behörden werfen ihm laut Bundeskriminalamt im Zusammenhang mit Auslandsgeschäften Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor.
Mario Hejl, Sprecher des Bundeskriminalamts (BK), hielt zur Person des Verdächtigen nur fest, dass das FBI schon jahrelang gegen den 48-Jährigen ermittle und die Verhaftung nichts mit den aktuellen politischen Umstürzen in der Ukraine zu tun habe. Die amerikanischen Ermittlungen liefen demnach bereits seit 2006 - Firtash wurde - als Rechtshilfeakt für das FBI - in Wien-Wieden verhaftet.
Festnahme auf offener Straße
Der Oligarch, dem sehr enge Kontakte zu dem gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch nachgesagt werden, sei in Begleitung von Leibwächtern gewesen, die Festnahme sei aber ohne Zwischenfälle erfolgt. Ort war die Schwindgasse im Bezirk Wieden, wo sich der Firmensitz von Firtash befindet und er auch polizeilich gemeldet gewesen sei. Der Zugriff sei auf offener Straße erfolgt, in unmittelbarer Nähe eines Firmensitzes des Verdächtigen. An dem Einsatz waren laut Hejl Kriminalpolizisten und Spezialkräfte des Polizei-Einsatzkommandos Cobra beteiligt.
Der angeblich zweitreichste Mann der Ukraine sitzt seit Mittwochabend in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Die Frist für die Verhängung der Auslieferungshaft läuft in der Nacht auf Samstag ab, sagte Gerichtssprecherin Christina Salzborn. "Die Haftfristen sind dieselben wie bei Verhängung der Untersuchungshaft", erläuterte Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. "Binnen 48 Stunden nach Verhaftung muss entschieden werden", ob er ausgeliefert werde.
Im Fall Firtash läuft die Frist am Freitag kurz vor Mitternacht ab. Das Landesgericht für Strafsachen muss außerdem prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Auslieferung vorliegen. Wie lange es bis zu einer Entscheidung dauert, ist nicht von vornherein festgelegt. Erst danach kann der Oligarch tatsächlich in die USA gebracht werden.
Firtash-Kontakte waren Thema in U-Ausschuss
In Österreich selbst laufen laut BK-Sprecher Hejl keine Ermittlungen gegen den Ukrainer. Firtash ist aber kein Unbekannter: Seine Kontakte zur Raiffeisen Investment AG (RIAG) waren Gegenstand beim Banken-Untersuchungsausschuss des Parlaments im Jahr 2007.
Raiffeisen-Manager Wolfgang Putschek musste damals Details über die Treuhandschaft der Raiffeisen Investment bei der Gashandelsgesellschaft RosUkrEnergo erklären. Beide Treugeber, die ukrainischen Geschäftsleute Dmitry Firtash und Iwan Fursin, würden vom FBI als hochrangige Mitglieder der Organisation von Semion Mogilevich (SMO) bezeichnet, dem Geldwäsche und Betrug in großem Stil vorgeworfen würden, zitierte der Grüne Abgeordnete Werner Kogler aus einem Bundeskriminalamt-Bericht. Die Frage, ob es aktuelle (im Jahr 2007, Anm.) Geschäftsbeziehungen der Raiffeisen-Gruppe mit Firtash gebe, ließ Putschek damals im Parlament offen. Firtash galt als Hauptsponsor für den Sieg Janukowitschs bei der Präsidentenwahl in der Ukraine 2010. Nach den jüngsten Massenprotesten in Kiew war Janukowitsch nach Russland geflüchtet. Firtash und dem russischen Staatskonzern Gazprom gehören 50 Prozent am ehemaligen Gaszwischenhändler RosUkrEnergo. Er ist zudem Hauptanteilseigner am größten ukrainischen Fernsehsender Inter. Seine Holding Group DF ist in Wien registriert.
Bankgeheimnis macht Österreich im Osten "beliebt"
Firtash ist nicht der einzige Oligarch mit engen Beziehungen zur bzw. in der Alpenrepublik . Die vielschichtigen Verbindungen sind historisch gewachsen. Ein Hauptgrund dafür ist das noch immer bestehende Bankgeheimnis.
Früher sei das Bankgeheimnis noch ein "stärkerer Anreiz" für Milliardäre gewesen, ihr Geld auf österreichischen Konten zu bunkern, erklärte Friedrich Schneider, Professor an der Johannes Kepler Universität Linz der APA. Aber auch jetzt sei Österreich in dieser Hinsicht "noch immer relativ sicher", so der Experte für Schattenwirtschaft. Banken in Österreich dürfen in der Regel nur Auskünfte geben, wenn ein Strafverfahren anhängig ist oder wenn ein verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren eingeleitet worden wurde.
"Im Großen und Ganzen ist Österreich nicht mehr so interessant für kriminelle Organisationen", betonte Schneider. Vor zehn bis 15 Jahren sei dies anders gewesen - heute käme "kaum noch ein Neuer". Bis 2017 soll das Bankgeheimnis für Ausländer überhaupt fallen - Grund dafür ist die Einführung des automatischen Informationsaustausches. Österreicher sind im eigenen Land davon nicht betroffen. Kritik am Umgang mit ausländischen Oligarchengeldern übte kürzlich die Grüne EU-Mandatarin Ulrike Lunacek: "Wie haben immer noch das Bankgeheimnis für Ausländer. Das ist ein Beitrag für Geldwäsche und Steuerbetrug" und es seien "massive Schritte notwendig, das zu ändern".
Zusammenhang mit Umsturz in der Ukraine?
Für den Ökonomen Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) ist Österreich noch immer ein "sicherer Hafen für ausländisches Kapital", wie er sagte. Wien sei nicht nur bei ukrainischen Oligarchen, sondern generell im russischen und post-sowjetischen Raum beliebt.
Für Astrov hängt die Verhaftung Firtashs durchaus mit den politischen Entwicklungen in der Ukraine der vergangenen Wochen zusammen. Durch den Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch verlor Firtash auch die politische Unterstützung, mutmaßt der Experte. Innenpolitische Auswirkungen werde dies seiner Ansicht nach jedoch nicht haben.