Rauchverbot: Landeshauptleute gegen Regierung, vor Verfassungsklagen

Im Kampf um das Rauchverbot wird der Widerstand gegen die von der FPÖ geforderte "Wahlfreiheit" immer größer. Nun hat auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die FPÖ aufgefordert, ihre Position zu überdenken. Ärzte haben Informationskampagnen zum Volksbegehren "Don't Smoke" gestartet. Verfassungsklagen werden geprüft.

Rauchverbot: Landeshauptleute gegen Regierung, vor Verfassungsklagen

Rauchverbot: Alle Landeshauptleute sind in Oppsition zur Regierung.

Wie lange will die FPÖ noch gegen die eigene Bevölkerung entgegenhalten? Wie lange will die ÖVP noch an dem mit dem Koalitionspartner vereinbarten Regierungsprogram festhalten und dieses über ein beschlossenes Gesetz, über die allgemeine Vernunft und Gesundheit stellen? Fragen wie wie diese stellen sich inzwischen bereits hunderttausende Österreicher.

Trotz des laufenden, bereits von hunderttausenden unterschriebenen Volksbegehrens "Don't Smoke" hat die ÖVP und FPÖ am 28. Februar im Nationalrat den Initiativantrag, mit dem das ab 1. Mai gültige generelle Rauchverbot in der Gastronomie noch vor dessen Inkrafttreten ausgehebelt werden soll, eingebracht worden. Der Beschluss soll nach der Beratung im Ausschuss in einer der nächsten Nationalratssitzungen getroffen werden.

Landeshauptleute geschlossen gegen Regierung

464.544 Wahlberechtigte haben bis zum Freitag, 2. März das von der Ärztekammer und der Österreichischen Krebshilfe initiierten Volksbegehren "Don't Smoke" für den Schutz der Nichtraucher bereits unterschrieben - die Frist zur Abgabe von Unterstützungserklärungen läuft noch bis zum 4. April - und das Begehren erhält weiterhin Zuspruch, auch aus höchsten politischen Kreisen der Kanzler-Partei ÖVP.

Nachdem sich bereits alle anderen acht Landeshauptleute gegen die Pläne der Regierung gestellt hatten, hat sich nun auch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner für das absolzte Rauchverbot ausgesprochen und die FPÖ aufgefordert, ihre Position zu überdenken. Der Tiroler Günther Platter, der Salzburger Wilfried Haslauer, der Steirer Hermann Schützenhöfer, der Oberösterreicher Thomas Stelzer, der Vorarlberger Markus Wallner - alle ÖVP - sowie Michael Häupl (Wien), Hans Niessl (Burgenland) und Peter Kaiser (Kärnten) von der SPÖ hatten zuvor bereits klare Worte gefunden und betont, dass sie hoffen, dass der Koalitionspartner FPÖ "zur Vernunft kommen wird", wie Wallner sagte.

Gesundheitsministerin: "Keine Gefährdung"

Derzeit scheint Wallners Hoffnung allerdings noch ins Leere zu gehen. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein von der FPÖ ließ bei einer dringlichen Anfrage der Opposition am 28. Februar noch jegliche Kritik abprallen.

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein: "Ein grausliches Gesetz."

Hartinger-Klein erklärte, die frühere SPÖ/ÖVP-Bundesregierung habe das Gesetz nur deswegen mit einer dreijährigen Übergangsfrist beschlossen, "weil Sie gewusst haben, wie grauslich dieses Gesetz ist" und "damit Ihre Regelungen erst bei der nächsten Regierung in Kraft treten." Sie stellte auch einen Zusammenhang zwischen Rauchverboten in der Gastronomie und einem Rückgang der Raucherzahlen strikt in Abrede und erklärte, der Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung sei nicht gefährdet, zudem sei die "individuelle Entscheidungsfreiheit angemessen zugrunde zu legen".

Die frühere Gesundheitsministerin und jetztige SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner sowie die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima nahmen die Gesundheitsministerin daraufhin scharf in Kritik und beklagten ein skandalöses Vorgehen, das jegliche wissenschaftlichen Kenntnisse ignoriere. "Das sind Argumente jenseits jeglicher medizinischer oder gesundheitspolitischer Evidenz", zeigte sich Rendi-Wagner erbost.

Wahlfreiheit gegen Wahlfreiheit

Die von der FPÖ als Argument gegen ein allgemeines Rauchverbot ins Treffen gebrachte "Wahlfreiheit" im Sinne der Wirte hätten Passivraucher nicht. Dazu würden etwa Angestellte in der Gastronomie gehören. Auch Kinder und Jugendliche, die nun doch weiter in Raucherbereiche dürften.

"Das ist ein beispielloses Drüberfahren über die Bevölkerung", verwies Sima zudem auf das "Don't smoke"-Volksbegehren. Und auch jüngste Untersuchungsergebnisse zur Luftqualität in Lokalen führte sie ins Treffen: "Die Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereich funktioniert einfach nicht."

Vor Verfassungsklage

Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk hat "massive verfassungsrechtliche Bedenken" an den Regierungsplänen. Denn die Wahlfreiheit ende dort, wo andere dadurch betroffen oder gefährdet würden: "Im Kern geht es um den Schutz des Personals." Er hielt es für denkbar, dass bereits die derzeitige Raucher-Regelung schon verfassungsrechtlich anzuzweifeln sei.

Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk

Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk: "Es geht um den Schutz des Personals."

Es gebe verschiedene Möglichkeiten einer Klage. Es könne entweder ein Bundesland - also Wien - oder ein Drittel der Mitglieder des Nationalrats mittels Fraktionsantrag aktiv werden. In beiden Fällen sei es möglich, direkt das Höchstgericht anzurufen. Als "nicht sehr zielführend" erachtete Funk hingegen die dritte Option, nämlich über eine betroffene Person den Rechtsweg zu beschreiten. Dies sei umständlicher und riskanter.

Rendi-Wagner und Sima kündigten an, dass die SPÖ intensiv eine Verfassungsklage prüfen werde. Sie kritisierten auch, dass der Jugendschutz nicht wie vorgesehen in den Initiativantrag aufgenommen wurde. Möglich ist auch, dass es gleich mehrere Verfassungsklagen geben wird, und zwar wenn sowohl die Fraktionen - NEOS und Liste Pilz haben der SPÖ Unterstützung signalisiert - als auch Wien eigene Anträge einbringen. Möglich ist die Anrufung des VfGH derzeit aber noch nicht. Dazu muss die neue Regelung erst beschlossen und kundgemacht werden.

Informationskampagne der Ärzte

Nahezu österreichweit haben auch Ärzte Informationskampagnen zum Nichtraucherschutz und zum Volksbegehren gestartet. In Arztpraxen in sieben Bundesländern liegt Informationsmaterial für die Patienten auf, nur die Ärzte in Tirol und Vorarlberg sind daran nicht beteiligt. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres hatte die Informationswelle bereits angekündigt. "Der Hebel der Ärzteschaft sind die Patienten. Unsere Kollegen haben pro Tag etwa 300.000 Patientenkontakte", sagte er zum Start der Unterstützungserklärungsphase für das "Don't Smoke" Volksbegehren.

Berend Tusch, Vorsitzender des Fachbereichs Tourismus, von der Gewerkschaft vida sieht durch ein doch nicht kommendes Rauchverbot in der Gastronomie außerdem den Schutz der Mitarbeiter gefährdet. Er forderte von Ministerin Hartinger-Klein eine klare gesetzliche Regelung, "dass nur in zu hundert Prozent rauchfreien Gastronomiebetrieben Lehrlinge und Praktikanten ausgebildet werden dürfen, um Gesundheitsschäden zu vermeiden und den Jugendschutzbestimmungen Rechnung zu tragen". Die Aufhebung des Rauchverbots bezeichnete er als "nichts anders als ein von der Bundesregierung gelegtes faules Ei für die über Fachkräftemangel klagenden Betriebe".

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