Othmar Karas – der schwarze Fünf-Sterne-Europäer

Eigentlich wäre es ja ganz leicht. "Wir haben mit dem Vizepräsidenten des EU-Parlaments derzeit ein echtes europäisches Aushängeschild in unseren Reihen“, könnte ÖVP-Chef Michael Spindelegger zum Beispiel sagen, "das von allen Seiten geschätzt wird. Da ergibt es sich von selbst, dass wir mit ihm als Spitzenkandidat in die EU-Wahl gehen. Er wird helfen, sie zu gewinnen“. Aber so einfach will man es sich in der ÖVP wohl nicht machen...

Othmar Karas – der schwarze Fünf-Sterne-Europäer

Wahlerfolge, die ihnen dank personeller Optimalbesetzungen in den Schoß fallen, sind die Schwarzen nicht mehr gewohnt.

Jedenfalls wartet die Volkspartei derzeit mit dem Erstellen ihrer Liste für die kommende EU-Wahl am 25. Mai noch zu. "Das werden wir zu gegebener Zeit erledigen“, heißt es aus der Umgebung von Parteichef Michael Spindelegger.

FORMAT-Nachfrage: Was denn unter "gegebener Zeit“ zu verstehen sei? Trotzige Antwort: "Das wird sich zeigen“.

Warum die Volkspartei zum aufgelegten Elfmeter nicht antreten möchte, den eine frühzeitig bekannt gegebene Kandidatur von Karas am ersten Listenplatz bedeuten würde, ist ein Rätsel. Die SPÖ ließe sich damit unter Zugzwang bringen. Denn die Roten müssen mit ihrer Liste warten, weil sich "möglicherweise Interferenzen“ mit der Besetzungsliste für nationale Regierungsjobs ergeben könnten, wie aus Verhandlerkreisen zu hören ist.

Erfolgsmodell Karas

Auf europäischer Ebene ist Karas jedenfalls ein Erfolgsmodell. Nicht erst, seit der in Ybbs an der Donau geborene und mit Kurt-Waldheim-Tochter Christa verheiratete Niederösterreicher im Jänner 2012 zum Vizepräsident des europäischen Parlaments gewählt wurde. Viele streuen dem Chef der VP-Europa-Abgeordneten schon länger Rosen. Etwa Jörg Leichtfried: "Karas ist einer der letzten echten Europäer in der ÖVP“, sagt der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament. "Eine vorbehaltlos europäische Denkweise“ attestiert der sozialdemokratische Leichtfried dem konservativen Karas. Außerdem "großartige Handschlagsqualität“: "Wenn man sich mit ihm etwas ausmacht, dann funktioniert das genau so.“

Oder Philippe Lamberts. Als EU-Abgeordneter der belgischen Grünen liegt ihm konservatives Gedankengut fern. Mit Karas verbinden ihn Projekte, bei denen beide immer wieder miteinander zu tun hatten. Einer Meinung war man nicht oft, aber dem Belgier fällt nur Gutes zu Karas ein. "Wir bräuchten mehr Politiker wie ihn,“ sagt Lamberts, "weil er Rückgrat hat, mit Respekt auf Menschen zugeht und sich Inhalten verpflichtet fühlt, nicht Parteilinien“.

Dass Karas vor knapp zwei Jahren komplikationslos zu einem der 14 Vizeprsäidenten des europäischen Parlaments gewählt wurde, ist Folge seiner tadellosen Europa-Reputation. Seit 1999 ist der frühere ÖVP-Generalsekretär und langjährige Nationalratsabgeordnete schon im EU-Parlament. In dieser Zeit ist Karas mehr Europäer geworden als Österreicher geblieben.

Irritationen zuhause

Gerade das mag im heimatlichen Wien zu Irritationen beitragen. Vielleicht ist es auch ein wenig kleinkrämerischer nationaler Neid, stehen doch fulminante Auftritte schwarzer Austro-Politiker auf europäischen Bühnen nicht gerade an der Tagesordnung.

Seit Karas sich aus dem österreichischen ins europäische Parlament verabschiedet hat, ist die ÖVP jedenfalls seine politische Heimat, aber alles andere als ein wärmendes Zuhause. Wirklich wohl gelitten ist das längstdienende Mitglied des Parteivorstandes in der schwarzen Truppe schon länger nicht mehr.

Einen bis heute nicht vollständig verleimten Bruch gab es nach der EU-Wahl 2009, als der damalige Parteichef Josef Pröll dem untadeligen Europäer Karas seinen gnadenlosen Parteisoldaten Ernst Strasser als Brüsseler Delegationsleiter vor die Nase setzte. Ergebnis: bekannt. Die Rückstufung traf Karas schwer. Erst nachdem Strasser sich mit seinem Lobbyisten-Auftritt auf YouTube aus dem EU-Parlament gesprengt hatte, übernahm Karas wieder die Delegationsleitung, die ihm seiner Ansicht nach wegen der bei der Wahl erhaltenen knapp 113.000 Vorzugsstimmen auch zustand.

Ausgeschlossen ist es nicht, dass die Geschichte sich wiederholt. Denn auch wenn Spindelegger und Karas "bestes Einvernehmen“ betonen, gibt es genug Hinweise, dass die beiden sich in Wahrheit weniger gut verstehen, als sie behaupten. Karas gibt dabei den Gentleman und lässt sich, wohl aus Vorsicht, kein Wort der Kritik über seinen Parteiobmann entlocken. Doch auch Spindelegger dürfte über einen anderen Schwarzen als Karas für die Spitze der Liste zur EU-Wahl zumindest nachdenken. Karas wiederum macht für seine Kandidatur "eine Europäisierung der österreichischen Politik“ zur Voraussetzung. Gut möglich, dass in der ÖVP hinter den Kulissen über EU-Besetzungen ebenso heftig gestritten wird, wie man derzeit um schwarze Regierungs- und Parteijobs rangelt.

In Europa gewinnt Karas derweil weiter an Gewicht. Dieser Tage wurde ihm die Rolle übertragen, die Arbeit der EU-Troika zu kontrollieren. Hintergrund ist der bereits Jahre dauernde Kampf des Europa-Parlaments um mehr Einfluss in der EU. Die Troika agiert auf der Basis zwischenstaatlicher Vereinbarungen der EU-Mitgliedsstaaten - und nicht auf dem Fundament von EU-Rechtsgrundlagen. Damit ist sie der Parlamentskontrolle entzogen, was die 766 Abgeordneten schmerzt. Karas soll das korrigieren.

Dass der Österreicher mit diesem Job beauftragt wird, der in Sachen Einfluss für das EU-Parlament zum Meilenstein werden könnte, zeugt vom Vertrauen, das Karas in Brüssel genießt. Nur in der ÖVP-Parteizentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse kommt das vielleicht nicht so gut an. "Völlig unverständlich“, sagt sogar der belgische Grüne Lamberts.

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