Ein Ländermatch: Die Ohnmacht der Umweltministerin Gewessler
Die wichtigsten Regeln zum Klimaschutz macht nicht Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). Ob die neuen Fördermilliarden tatsächlich etwas bewirken, hängt zum guten Teil von den Bundesländern ab. Und die zieren sich, stemmen sich mit eigenen Strategien teilweise gegen die Ministerin.
Umweltministerin Leonore Gewessler muss sich gegen viel Gegenwind aus der Landespolitik stemmen.
Die Klagandrohung kam schneller, als Leonore Gewessler bis drei zählen konnte. Kaum hatte die Umweltministerin angekündigt, den ersten, überregionalen Teil des 1-2-3-Öffi-Tickets umzusetzen, kam schon der erste Protest aus den Bundesländern. Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil kündigte den Gang vor den Verfassungsgerichtshof an. Seine Landsleute würden extrem benachteiligt, beschwert sich der SP-Landespolitiker. Die geplanten Bundesländergrenzen als Tarifzonen für die neue, eigentlich günstige Jahresnetzkarte für Bim, Bahn und Bus verursachten für sie höhere Kosten, als in anderen Bundesländern. „Dilettantisch, „Frotzelei“ und „Nacht- und Nebelaktion“ waren seine Begleitworte.
Doch das Geplänkel könnte nur ein kleiner Vorgeschmack dessen sein, was auf Gewessler bei der Umsetzung vieler, nun geplanten Klimamaßnahmen aus den Bundesländern Österreichs so auf sie zukommen könnte. Denn auch wenn sie in den vergangenen Wochen im Rahmen des Konjunkturpakets über zwei Milliarden Euro an Klimaförderungen locker gemacht hat, ist deren konkrete Verteilung in fast jeden Bereich von regionalen gesetzlichen und regulativen Maßnahmen abhängig.
Nicht nur für das 1-2-3-Öffi-Ticket, für das einmal 540 Millionen Euro reserviert wurden. „Tatsächlich sind die größten Schwachpunkte der Umsetzung noch in den Verhandlungen mit Ländern und Gemeinden zu sehen“, gibt Gewessler in Nebensätzen dann auch zu verstehen.
Beispiel Wohnbau, in den mit 750 Millionen Euro der größte Teil des zweijährigen Klima-Konjunkturpakets fließen soll. Es geht im Wesentlichen um eine „Sanierungsoffensive“, weil der Altbaubestand hohen Energiebedarf für Wärme und Kälte nach sich zieht. Damit der auch nach einem Ausstieg aus Öl und Gas mit erneuerbaren Technologien abgedeckt werden kann, muss er zuvor durch Renovierungen zuerst einmal minimiert werden, so die Kalkulation.
Alleine – die Strategie, wie genau die Sanierungen vor sich gehen sollen, fehlt zu Gänze, beklagt sich etwa Roger Hackstock, Geschäftsführer des Interessenverbands Austria Solar, der für die Wärmeerzeugung aus Solaranlagen Stimmung macht und von einer Sanierungsoffensive in Wohnbau durchaus profitieren würde: „Es ist viel Geld da, aber die Sanierung ist Ländersache. Und seit zwei Jahren verhandeln wir erfolglos eine neue Wärmestrategie“.
Die mächtigen Worte der Referenten
Tatsächlich reden die Wohnbaureferenten der Länder ein gewichtiges Wort bei der Umsetzung mit: Wie hoch dürfen die maximalen Heizlasten für eine Förderung sein, wo liegen genau die minimalen Dämmwerte für Wände, braucht es Dreifachverglasungen für Fenster, ist ein per Online-Wetterdienst automatisch regulierbares Rollo-System zur Fassadenbeschattung noch Klimaschutz, oder Technik-Spielerei?
„Mit mir hat Frau Ministerin Gewessler noch nicht gesprochen“, zeigt sich etwa der zuständige Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner in Oberösterreich von den Vorhaben Gewesslers nicht wirklich beeindruckt. Und will der Umweltministerin lieber zeigen, wo der Bartl den Most herholt: „Oberösterreich ist seit Jahren bundesweiter Spitzenreiter bei der Sanierung. Ich lade die Ministerin gerne ein, sich meinen Erfolgsweg anzusehen.“
Oberösterreich hat erst mit 1. Juni eine neue Sanierungsverordnung in Kraft gesetzt und will etwa weg von allzu rigiden Vorschriften im zentralen Sanierungsbereich der Wärmedämmung. Haimbuchner: „Wir wollen weg vom Dämmen um des Dämmens Willen“. Das Geld, das frei wird, soll lieber in die Nachverdichtung und in den Kampf gegen Bodenverbrauch fließen. Kritiker halten die neuen, gelockerten Vorgaben für kontraproduktiv. Dennoch, allzu große Lust, das Paket wegen neuer Vorgaben aus Wien wieder aufzuschnüren, hat Haimbuchner nicht.
Er ist mit seiner Skepsis nicht alleine. Die Bundesländer insgesamt haben ganz aktuell eine eigene Renovierungsstrategie entwickelt (Long Term Renovation Strategy), die durchaus im Widerspruch zu dem Anspruch von Gewessler steht, die so genannte Sanierungsrate zu erhöhen. Lieber setzt man auf den erhöhten Einsatz von Biogas, um den Energiebedarf zu decken.
Was auch Umweltorganisationen empört. Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von der NGO Global 2000: "Wir fordern eine völlige Generalüberholung der Strategie und prüfen derzeit rechtliche Schritte, damit Österreich eine vernünftige und fundierte Strategie erhält“.

Ähnlich ist die Lage bei anderen großen Klimaschutzförderungen, die Gewessler angekündigte, aber in den Bundesländern investiert werden, etwa für neue Windkraftwerke. 250 Millionen Euro aus dem Klimaschutzpakt sind für den Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion reserviert. Immerhin muss der Windkraftausbau vervierfacht werden, und die Fotovoltaik mehr als verzehnfacht, um das Regierungsziel der klimaneutralen Stromproduktion in Österreich zu erreichen.
Wo genau die neuen Windräder oder PV-Paneele hingestellt werden sollen, ist allerdings noch unklar. Sicher ist, jedes einzelne Projekt braucht Flächenwidmungen. Und die sind, genauso wie das 1-2-3-Öffi Ticket und die Wohnraumsanierung, Ländersache.
Windkraft mit Gegenwind
Weil Windkraft vor Ort ob der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu heftigen Auseinandersetzungen führen kann, sind die Bundesländer nicht begeistert davon, neue Flächen für Windräder um zuwidmen.Das windreichste Bundesland Niederösterreich etwa schließt derartiges bereits dezitiert aus. „Wir haben bereits einen Klimafahrplan und werden diesen mit der jetzigen Zonierung auch gut erreichen. Da gibt es in anderen Bundesländern noch viel größeren Aufholbedarf“, heißt es im Büro des für Energie zuständigen Landesrates Stephan Pernkopf.
Tatsächlich ist Niederösterreich mit 730 Windrädern schon ganz gut bestückt, westliche Bundesländer glänzen mit Größenordnungen im einstelligen Bereich. Dennoch müssten auch in Niederösterreich eben wegen seines Windreichtums noch weitere Fläche frei gemacht werden, heißt es aus der Interessenvertretung IG Windkraft. Sprecher Martin Fliegenschnee: „Ohne Zonenausweitung in Niederösterreich werden wir den Ausbauplan nicht erreichen“.
Schatten über der Photovoltaik
Weiter geht das Dilemma bei der Photovoltaik. Auch die Flächen für die benötigten neuen Sonnenkraftwerke sind nicht automatisch verfügbar, sondern brauchen zuerst Umwidmungen von Ländern und Gemeinden. Das Umweltministerium kann zwar über den Klimafonds Förderungen für Privathausbesitzer vergeben.
Doch die Größenordnungen, um die es bei dem nun angedachten Zubau geht, übersteigt mit 11 Terawattstunden Erzeugungskapazität das hier lukrierbare Potential um ein Vielfaches, heißt es etwa beim Verbund, der eben mit 200.000 Quadratmeter die größte PV-Freifläche in Österreich errichtet – auf einem Firmenstandort von Projektpartner OMV.
Und zunehmend rückt dabei auch der Ausbau der Stromnetze in den Vordergrund, die die Strommengen aus Sonnenkraft abtransportieren müssen. Auch hier sind lokale Genehmigungen für die Trassenplanung notwendig, auf die die Umweltministerin wenig Einfluss hat. Klagt etwa Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Interessensverbandes für Photovoltaik: „Wir brauchen neue Regeln mit den lokalen Körperschaften, um den Ausbau in der gewünschten Höhe zu schaffen. Doch davon ist weit und breit noch nichts zu sehen“.
Bleibt Gewessler also nichts anderes übrig, als sich in Zweckoptimismus zu üben. Dort wo notwendig, werde man die Gespräche neu starten (etwa bei einer neuen Wärmestrategie), versichert die Umweltministerin. Anderswo habe sie durchaus eine gute Gesprächsbasis (etwa nach Niederösterreich). Und dass die kommenden Landtagswahlen in Wien Mitte Oktober die Arbeit an der Umsetzung der neuen Klimaförderungen auf politischer Ebene blockieren könnte, glaubt sie nicht: „Einen Stopp gibt es mit mir sicher nicht“. Den freilich könnte es auch ganz ohne sie geben.
FPÖ-Wohnbaulandesrat Heimbuchner: "Ich erwarte mir auch Ideen aus Wien"

trend:
Herr Haimbuchner, hat die zuständige Ministerin Gewessler schon mit Ihnen als Landes-Wohnbaureferenten Sachen Sanierungsoffensive gesprochen?
Manfred Haimbuchner:
Mit mir hat Frau Ministerin Gewessler noch nicht gesprochen. Oberösterreich ist seit Jahren bundesweiter Spitzenreiter bei der Sanierung. Während andere noch denken, sind wir längst im Tun. Ich lade die Ministerin gerne ein sich meinen Erfolgsweg anzusehen.
Wie soll das Geld aufgeteilt werden und welche Maßnahmen kämen aus Ihrer Sicht in Frage?
Ich erwarte mir auch Ideen aus Wien. Die Bundesregierung kokettiert unter dem Motto „Koste es was es wolle“ immer mit absurden Summen. Einen konkreten Plan hingegen vermisse ich in vielen Bereichen.
Wieviel Geld wird denn jetzt in Oberösterreich in Sanierung investiert, und wie hoch ist die Sanierungsrate?
Das Land Oberösterreich investierte in den letzten zehn Jahren unter meiner Ressortverantwortung durchschnittlich ein gefördertes Darlehensvolumen von 169,4 Millionen Euro pro Jahr allein in die Sanierung von Wohneinheiten.
Die Höhe der Sanierungsrate ist problematisch, da es noch immer keine gemeinsame Definition gibt. Viele gehen vom gesamten Gebäudebestand aus, das heißt es sind auch bereits sanierte oder frisch gebaute Wohneinheiten dabei. Das verfälscht das Ergebnis. Ein neues Eigenheim etwa ist ja nicht sanierungsbedürftig.
In Oberösterreich sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, die älter als zwanzig Jahre sind, im Wesentlichen durchsaniert.
Welche Schwerpunkt hat Ihr Bundesland für die nächsten Jahre geplant und ist das kompatibel mit den Plänen der Bundesregierung?
Die nächsten Jahre ist für mich eine besonders hohe Sanierungsleistung wichtig. Die Wohnbauressorts der Bundesländer sind Konjunkturmotoren. Unter anderem können wir durch eine hohe Sanierungsrate aktiv Arbeitsplätze und leistbaren Wohnraum schaffen. Das ist mein Anspruch und die letzten 10 Jahre ist mir das auch ausgezeichnet gelungen. Die Pläne der Bundesregierung – sollten sie überhaupt schon vorhanden sein – kenne ich nicht. Die Regierung wäre aber gut beraten sich in Oberösterreich nach praxistauglichen Ideen zu erkundigen. Gerne lade ich alle Verantwortungsträger ein sich vor Ort ein Bild zu machen.
Warum ist die Sanierungsrate Österreich-weit nicht höher?
Es krankt vor allem an attraktiven Förderschienen, weil die Auflagen zu hoch sind. Es kommt zur Flucht vor einer Sanierung. Wir sehen in Oberösterreich, dass man auch im Sanierungsbereich erfolgreich sein kann, wenn man potentiellen Fördernehmern interessante Angebote anbietet. Gleichzeitig stört mich seit Längerem, dass der Wohnbau immer für die Erreichung von Klimazielen herhalten muss, obwohl er in der Vergangenheit bereits viel geleistet hat. Diese Zitrone ist ziemlich ausgequetscht, wenn man so möchte.