Was ist bloß im Finanzressort los?
Peinliche Fehler, schlampige Bescheide, immer mehr Beamtenfrust - Durch Umstrukturierungen im Finanzressort wurde die letzte Beamten-Kontrollinstanz abgeschafft. Das Finanzministerium ist drauf und dran, seinen guten Ruf zu verspielen. Aber es macht Parteipolitik.

Man weiß, dass der Wiener Rechtsanwalt Gabriel Lansky eine lockere Zunge hat. Aber selten noch hat er sich zu einer solch saftigen Suada hinreißen lassen wie vergangenen Montag in seinem Rundumschlag gegen die drei jüngst vom Finanzministerium erteilten neuen Glücksspiellizenzen, bei denen sein Mandant, die Casinos Austria, leer ausgegangen ist.
Die Bescheide strotzten nur so vor "Rechtswidrigkeiten, haarsträubenden Fehlern und mangelhafter Qualität, dass einer Sau graust", so Lansky. Besonders pikant: Angeblich hat sich das Ministerium beim Addieren der Punkte für die Casinos Austria verrechnet - und, um das nicht zugeben zu müssen, kurzerhand eine Einzelbewertung geändert, damit die Summe wieder stimmt.
Für Finanzminister Michael Spindelegger war dies der zweite gravierende Fauxpas innerhalb weniger Tage. Kurz zuvor hatte er sich -wieder einmal - die ÖBB vorgeknöpft. Mit sagenhaften 5,3 Milliarden Euro würde die Bahn das Budget belasten, mindestens eine Milliarde müsse dringend eingespart werden. Seinem Kabinett ist aber leider ein "Rechenfehler" um genau diese eine Milliarde
(siehe Kasten, unten)
unterlaufen.
Man habe sich beim Kopieren einer Excel-Datei geirrt, hieß es tags darauf kleinlaut. Womit Spingelegger das Kunststück gelungen ist, eine aufgelegte Pflichtübung - schwarzer Säckelwart geißelt Milliardenzuschüsse an die rote Erbpacht - mit Anlauf zu versemmeln.
Ein ähnlicher Ausrutscher war ihm bereits Anfang Juli passiert, als er den ÖBB um 30 Prozent höhere Baukosten im Vergleich zu anderen europäische Bahngesellschaften vorwarf. Ebenfalls falsch, wie ÖBB-Chef Christian Kern postwendend belegen konnte.
Parteitreue statt Fachkenntnis. Es verwundert nicht, dass sich angesichts derartiger fachlicher Schlampereien - abgesehen von einer inhaltlich umstrittenen Finanzpolitik - immer mehr Experten die bange Frage stellen, wie schlimm es um die einstige Hochburg der österreichischen Elitebeamten eigentlich bestellt ist. "Das Ministerium verliert zunehmend seinen guten Ruf", fürchtet der frühere SP-Ressortchef Ferdinand Lacina.
Schuld daran sei vor allem die Personalunion von Parteichef und Finanzminister, die dazu führe, "dass der Apparat zwangsläufig parteipolitischer agiert und heute nicht mehr wie früher drübersteht", sagt Lacina.
Damit ist ein Hauptproblem angesprochen: Das Finanzressort spielt beim parteipolitischen Hickhack mit, was ihm als einer Art "Über-Ministerium" nicht ansteht. Das hat bereits unter den Finanzministern Wilhelm Molterer und Josef Pröll begonnen und sich unter Maria Fekter intensiviert: politische Postenbesetzungen auf höchster Beamtenebene, immer größere Kabinette, die zu Ignoranz und Abschottung tendieren, eine zunehmende Frustration unter den Fachbeamten und ein schmerzhafter Brain Drain von Topexperten.
Der Wechsel von Gerhard Steger, dem mächtigen Leiter der Budget-Sektion, in den Rechnungshof im März 2014 war nur der letzte Mosaikstein in der Verlustbilanz fachlicher Expertise. Kurz zuvor war Thomas Wieser, Chef der wirtschaftspolitischen Sektion, dem Ruf zum Leiter der Eurogruppe in Brüssel gefolgt, weil er sich nicht weiter für die "Lachnummern", die seine Vorgesetzte Maria Fekter bisweilen ausgelöst hatte, schämen wollte, wie es heißt. Und etwa gleichzeitig ist der frühere ministerielle Doyen in Fiskalfragen, Wolfgang Nolz, in die Funktion des Kapitalmarktbeauftragten weggelobt worden, woraufhin sein Vize in der Steuer-und Zollsektion, Eduard Müller, ebenfalls gleich das Handtuch warf.
Gefüllt wurden die Lücken mit Günstlingen, "deren Auswahl nicht mehr nach fachlicher Expertise erfolgt ist", so der Ökonom Kurt Bayer, Ex-Gruppenleiter der wirtschaftspolitischen Abteilung. Zum Teil wurden für sie sogar völlig neue Topfunktionen mit Weisungsrecht geschaffen. So inthronisierte Maria Fekter den früheren Grasser-Intimus Hans- Georg Kramer, dem ein Faible für Uniformen und ein Hang zu Schießübungen im Keller der Finanzagentur nachgesagt wird, als Chef der Steuersektion IV, zuständig etwa für die Finanzpolizei. Vorsorglich wurden mangels eines einschlägigen Studiums von Kramer komplexere Steuerangelegenheiten in die Sektion VI ausgelagert.
Überhaupt sorgte Fekters Protegierung ihrer "Polizeitruppe" aus dem Innenministerium für immer miesere Stimmung im Haus. Spitzenbeamte bemängelten naserümpfend die Bestellung ihres Ex-Kabinettschefs, Gerhard Zotter, zum Leiter der Präsidialsektion. Als dann Fekter in der Hierarchieebene direkt unter Zotter zwei neue Toppositionen erfand, um Wolfgang Eder (Ex-Innenministerium) und ihre Protokollchefin, Ulrike Danzmayr, sowie noch zwei weitere "Polizisten" in Leitungspositionen unterzubringen, geriet der Beamtenapparat gänzlich in Rage: "Die politische Personalpolitik hat grauenerregende Ausmaße angenommen", sagt ein Insider.
Ebenfalls ein Problem: Die schon vor vielen Jahren erfolgte Abschaffung der Bankensektion hat sich als Hypothek bei der Lösung diverser Bankenkrisen erwiesen.
Zunehmende Sorge. Doch peinliche Rechenfehler sind von den früheren Ressortchefs nicht bekannt. Selbst unter Fekter, der fehlendes Vertrauen zur Beamtenschaft des Hauses nachgesagt wurde, hatte noch immer eine Fachkraft aus der zuständigen Sektion die finale Kontrolle ausgeübt, bevor das Kabinett mit Statements oder Zahlen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Unter Michael Spindelegger, so heißt es aus VP-Kreisen, sei diese Kontrollinstanz aufgrund interner Umstrukturierungen schlichtweg abgeschafft worden, was die Fehleranfälligkeit sichtlich erhöht.
Selbst in der Oesterreichischen Nationalbank beobachtet man diese Entwicklungen mit zunehmender Besorgnis. "Fehler wie jüngst passieren erfahrenen Beamten nur äußerst selten, sondern entstehen durch Stress, Zwang zur Verkürzung und manchmal sogar Unkenntnis auf politischer Ebene", meint ein Notenbanker. "Leider gehen dort viele unserer Ratschläge bei einem Ohr hinein und beim anderen wieder hinaus. Uns wundert nicht, dass sich unter der Beamtenschaft im Finanzministerium ein gewisser Frust breitmacht, der auch ein Ausdruck ihres Niedergangs ist."
Wie weit diese Dissonanz zwischen Kabinett und Belegschaft inzwischen geht, zeigen die drei Casinokonzessionen. In einem der Bescheide wurde schlicht vergessen, ein Expertenurteil zu streichen, demzufolge eine Lizenz an Casinos Austria und nicht an Novomatic gehen hätte müssen. Woraufhin ein involvierter Beamter seine weitere Mitarbeit am Berichtigungsbescheid verweigert haben soll.