Volkspartei im Fadenkreuz
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt in der Telekom-Affäre seit kurzem auch gegen die ÖVP als Verband sowie gegen Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer und Staatssekretär Reinhold Lopatka (Bild).

Mangelndes Selbstvertrauen kennt er nicht. Staatsanwalt Hannes Wandl ist auf dem besten Weg, in jungen Jahren zur Legende zu werden. Denn in einem tiefschwarzen Umfeld plant Wandl eine Offensive, die vor ihm kein Anklagevertreter gewagt hat einen Frontalangriff gegen die Österreichische Volkspartei (ÖVP). Das ist beachtlich, weil Justiz- (Beatrix Karl) und Innenministerium (Johanna Mikl-Leitner) fest in schwarzer Hand sind.
Was die ÖVP rund um Obmann Michael Spindelegger überrumpelt hat: Der dem Justizministerium unterstellte Staatsanwalt hat kurz nach den Nationalratswahlen die strafrechtliche Verfolgung der ÖVP angeordnet. Der Auftrag wird vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung im Innenministerium ausgeführt. In der FORMAT exklusiv vorliegenden Ermittlungsanordnung vom 17. Oktober 2013 steht: Gegen die Österreichische Volkspartei Bundespartei sei nach Paragraf 3 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz zu ermitteln. Der Beitrag zur Veruntreuung von Geldmitteln der Telekom Austria soll überprüft werden.
Damit detoniert eine Politbombe inmitten laufender Koalitionsverhandlungen. Belastet werden die Schwarzen ausgerechnet vom langjährigen Parteisoldaten Michael Fischer. Denn der Telekom- Lobbyist und Ex-VP-Organisationsreferent hat gegenüber der Justiz ausgepackt. Das brisante Protokoll der Beschuldigtenvernehmung vom 12. März 2013, das hohe VP-Granden schwer belastet, liegt FORMAT ebenfalls vor. ÖVP-Pressesprecherin Michaela Berger will die Vorwürfe nicht kommentieren.
_______________________________________________________
ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka ist nach der Veröffentlichung des Artikles auf FORMAT.at umgehend an die Redaktion herangetreten und hat eine Klarstellung zu den Ereignissen abgegeben.
Lesen Sie hier Reinhold Lopatkas Erklärung.
_______________________________________________________
Konkret geht es um illegale Parteienfinanzierung durch die Telekom. Über die Valora AG von Peter Hochegger sollen hundertausende Euro Telekom-Geld in schwarzen Kassen gelandet sein. So wurden Wahlkämpfe finanziert oder der ÖAAB unterstützt, wo Spindelegger sowie die jetzigen Ministerinnen Karl und Mikl-Leitner hohe Funktionen bekleiden.
Verteilt wurden Zuwendungen über drei VP-nahe Spezialvehikel: die Alpha Medien Service GmbH, die Mediaselect GmbH und die Agentur The Whitehouse. Aus Sicht des Staatsanwalts liegt nicht nur illegale Parteienfinanzierung vor, sondern auch der Verdacht der strafbaren Untreue. Natürliche Personen müssen dafür bis zu zehn Jahre ins Gefängnis. Weil die ÖVP als verdächtiger Verband aber nicht eingesperrt werden kann, droht ihr eine Geldstrafe von bis zu 1,3 Millionen Euro. Die tut weh, kann auch angesichts klammer Parteikassen lebensbedrohlich sein.
Wie gehts weiter?
Doch die tickende Zeitbombe liegt woanders. So wirft die Strafverfolgung der ÖVP heikle Fragen für die Zukunft auf:
Darf eine vorbestrafte Bundespartei bei Nationalrats- oder EU-Wahlen antreten? Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz gibt es seit 1. Jänner 2006 und die ÖVP ist die erste politische Partei, die strafrechtlich verfolgt wird. Darum existiert keine Judikatur und somit auch keine einfache Antwort.
Darf eine beschuldigte Partei in die Regierung? Weil die Unschuldsvermutung gilt, bleibt die ÖVP als Koalitionspartner für die SPÖ intakt zumindest vorläufig. Denn wie der VP-Status nach einer möglichen Verurteilung aussieht, steht in den Sternen.
Michael Spindelegger muss bis zur Klärung aller Vorwürfe in Unsicherheit leben und als Bundesparteiobmann schon bald den Canossagang in die BAK-Zentrale in Wien-Meidling antreten, wie Staatsanwalt Wandl in seiner Anordnung vom 17. Oktober 2013 ankündigt: Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Wien möge ein Entscheidungsträger des belangten Verbandes gemäß Paragraf 17 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz vernommen werden.
Spindelegger, der nicht als Beschuldigter geführt wird, sei darauf hinzuweisen, dass Aussagen nicht nur der eigenen Verteidigung dienen, sondern vor allem jener des belangten Verbandes. Doch am Ende könne alles auch als Beweis gegen ihn und gegen den Verband verwendet werden. Zudem müsse im Fall Spindelegger sowie bei anderen Mitgliedern des Nationalrats vor der Befragung die Aufhebung der parlamentarischen Immunität beantragt werden.
Schwarze Geldwäsche?
Im Telekom-Strafakt mit der Aktenzahl 614 St 3/10m steckt aber noch viel mehr politischer Sprengstoff. Denn vor Spindi sind laut behördlicher Anordnung zwei schwarze Spitzenpolitiker dran. Die Staatsanwaltschaft Wien teilt mit, dass die Ermittlungen (Anm.: in der Telekom-Affäre) im Hinblick auf die Belastungen durch Rudolf Fischer bzw. Michael Fischer gegen Wilhelm Molterer und Reinhold Lopatka ausgedehnt wurden. Der Vorwurf gegen Ex-Parteichef und Ex-Finanzminister Molterer sowie Staatssekretär Lopatka lautet Geldwäscherei sowie Beihilfe zur Untreue der Telekom-Vorstände. Beide sollen als Beschuldigte zum Sachverhalt vernommen werden, heißt es in der Anordnung.
Molterer ist derzeit Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB). Das Verfahren gegen ihn könnte strenge EIB-Compliance-Regeln verletzen. Bei Lopatka ist die Sache komplizierter. Der ehemalige ÖVP-Generalsekretär und spätere Finanzstaatssekretär koordiniert laufende Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ. Auch wenn vor Lopatkas Einvernahme der Immunitätsausschuss zustimmen muss, was zeitaufwendig ist, sind die aktuellen Ermittlungen gegen ihn ein Rückschlag für Obmann Spindelegger.
Die Troubles haben Molterer, Lopatka und Co einem alten Parteifreund zu verdanken: Michael Fischer.
Gleich am Beginn meiner Tätigkeit in der Telekom Austria, erinnert sich Michael Fischer laut Protokoll, hat mein weisungsbefugter Vorgesetzter Rudolf Fischer mir den Auftrag erteilt, seine Sponsoringzusage von 20.000 Euro, die er für den SV Sierning auf Ersuchen von Wilhelm Molterer, wie er mir gesagt hat, getätigt hatte, an unsere PR-Agentur Hochegger weiterzuleiten. Ab 2007 flossen so Jahr für Jahr zehntausende Euro an den Club. Molterer war Finanzminister und Telekom-Eigentümervertreter. Ich sehe hier keine Unvereinbarkeit, sagt VP-Mann Michael Fischer und begründet das so: Molterer kam als Parteipolitiker (zu uns) und nicht als Finanzminister. Fakt ist: Ein vom Staatsanwalt bestellter Gutachter stellte fest, dass die vom Verein Sierning vorgelegten Fotos mit Telekom-Bandenwerbung gefälscht worden waren. Folglich hatte die Telekom ohne Gegenleistung gesponsert. Hochegger zur Sierning-Causa: Für mich war der positive Eindruck bei Wilhelm Molterer ausschlaggebend. .
Das Problem lag daran, dass permanent Ersuchen aus der Politik um Sponsorings herangetragen wurden, klagt Rudolf Fischer. Gewusst davon haben sicher Genot Schieszler, Michael Fischer und die PR-Abteilung (Martin Bredl). Ein Abteilungsleiter konnte bis zu einem Betrag von zirka 10.000 bis 15.000 Euro Zahlungen über Hochegger direkt anordnen. Die ÖVP wurde so gut versorgt.
Laut Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer wollte Molterer immer mehr für die Partei. Einmal sollte die Telekom rund 100.000 Euro für den ÖVP-Wahlkampf 2008 zahlen: Ich habe damals sehr oft Treffen mit Wilhelm Molterer gehabt, so Fischer. Geldwünsche aus dem Kabinett von Molterer oder aus dem ÖVP-Klub seien keine Seltenheit gewesen. Fischer: Hier fällt mir eher Lopatka ein, der solche Zahlungen in der Regel eher eingefädelt hat und/oder abgewickelt haben könnte. Lopatka war fürs Lukrieren von Geldern für die ÖVP zuständig,
Leistung weiß ich nicht.
Besonders forsch agierte Spindeleggers ÖAAB. Am Ende eines Heurigenbesuchs bat Fritz Neugebauer Rudolf Fischer, den geplanten ÖAAB-Bundestag zu unterstützen, sagt Michael Fischer. Das Geld floss über Hochegger an den Arbeitnehmerbund. Kurze Zeit später kam ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon nochmals auf ihn zu. Fischer: Ich habe ihm mitgeteilt, dass es bereits eine Zusage gibt. Amon und Hochegger schlossen sich kurz und das Geld wurde losgeschickt. Welche Gegenleistung zwischen Hochegger und ÖAAB vereinbart wurde, weiß ich nicht, so Fischer. Keine, vermutet Staatsanwalt Wandl und wittert Untreue.