Flüchtlingspolitik: G’schamster Diener, Herr Bürgermeister!
Michael Häupl zeigt in diesen eher schwierigen Tagen, was von Politikern so oft vergeblich eingefordert wird: Führungsstärke, Haltung.
trend Chefredakteur Andreas Weber
Man kann über Michael Häupl viel sagen: Dass 20 Jahre Regieren die eine oder andere Verschleißerscheinung mit sich gebracht hat; dass für die Weiterentwicklung dieser einzigartigen Metropole der Masterplan fehlt; dass das Auffälligste der letzten Jahre ein kleinkariertes Hickhack um eine Fuzo war.
Was man über Michael Häupl aber nicht sagen kann, ist: Dass er in einer der größten Krisen auch nur eine Sekunde schwankend geworden wäre. "Es ist eine humanitäre und moralische Pflicht, diesen Flüchlingen zu helfen.“ Wer nach Wien kommt, Hilfe braucht, dem wird geholfen. Ende der Durchsage. Kein Fingerzeigen auf andere, keine Schuldzuweisungen an Bundesregierung, Innenministerin, Ungarn, Tschechen, wen auch immer.
Wien macht. Organisiert Quartiere. Der Magistrat funktioniert nahezu wie geschmiert - ausnahmsweise ohne Hintergedanken gemeint. Selbst eine Kapazitätsobergrenze für Flüchtlinge verbittet sich der Chef: "Will ich gar nicht. Wir haben im Bosnienkrieg 80.000 Flüchtlinge in der Stadt gehabt.“ Nun ist Michael Häupl weder Sozialromantiker noch Birkenstockträger, sondern abgebrühter Machtpolitiker, neben Erwin Pröll der letzte dieser Art.
No na weiß er um den Zulauf, den die extreme Rechte erhält, die Abstiegsängste der einfacheren Bevölkerung, die Polarisierung der Gesellschaft im Gesamten, was im roten Wien erstmals zu einem echten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rot und Blau führt. Bisher wurde das ja stets von beiden Seiten aus wahltaktischen Gründen herbeifantasiert.
Diesmal ist es Realität. Und was sagt Häupl? "Es interessiert mich nicht, ob ich dadurch (Anm.: die Wiener Flüchtlingspolitik) Wählerstimmen gewinne oder verliere.“ Keine Niessliaden, klare Botschaften, auch wenn die quer zu den Haltungen der SP-Kernwähler liegen. Häupl zeigt in diesen Tagen, was von Politikern oft vergeblich eingefordert wird: Führungsstärke, Haltung - das in einem Wahlkampf.
Fitter als zuletzt ist er auch, seit ihm die Chefin zu Hause drei Mal die Woche Ergometer verordnet hat. Schau mer mal, wie sie ausgeht, die Schlacht am 11. Oktober. Fürs Erste jedenfalls: G’schamster Diener, Herr Bürgermeister!