Endstation Frühpension

Die Einsicht, dass es keine Katastrophe ist, länger zu arbeiten, verbreitet sich langsam. Aber die Politik hat keine Lösung, wie man die Leute länger im Berufsleben halten kann, ohne die Arbeitslosenzahlen explodieren zu lassen.

Endstation Frühpension

Haben Sie vielleicht auch kürzlich die Erstgutschrift Ihres Pensionskontos mit der Post bekommen? Und ist das, was durch Ihre bisherigen Berufsjahre zusammengekommen ist, weniger, als Sie gedacht haben? Wenn nicht, dann hatten Sie eine realistische Einschätzung, wie sich die letzten Reformen auf die Rentenhöhe auswirken. Wenn Sie - negativ - überrascht wurden, dann sind Sie womöglich gerade dabei, zu rechnen, wie lange Sie für eine halbwegs vernünftige Pension noch arbeiten müssen. Vielen Menschen wird langsam bewusst, dass die angespannte finanzielle Lage des staatlichen Pensionssystems nicht spurlos an ihnen vorüber gehen wird. Zumal die Regierung die Auswege in die Invaliditäts-oder die vorzeitige Alterspension spürbar einschränkt, auch wenn sie ihrem Zeitplan bei der Anhebung des faktischen Antrittsalters noch hinterher hinkt.

Das führt zu einem Umdenken, meist notgedrungen, mit der Zeit aber hoffentlich auch zu einem echten Kulturwandel, der auch jene Österreicher erfasst, die spätestens ab 50 die Frühpension als größtes Ziel vor Augen haben. Es gibt Menschen, und zwar gar nicht so wenige, die sehr gerne arbeiten und keine Abscheu haben, das länger als bisher üblich zu tun. Und es werden erfreulicherweise mehr. Womit nicht gemeint ist, dass der Bauarbeiter bis 65 mit Freude am Gerüst herumturnt und der Zugverschieber im Greisenalter, fröhlich ein Liedchen trällernd, sein Werk verrichtet. Vorausblickende Konzerne wie etwa die Voestalpine haben schon Programme, dem jeweiligen Alter angepasste Arbeitsplätze anzubieten.

Das ist keine mit links zu bewältigende Herausforderung, aber im Vergleich zur grundsätzlichen Problematik noch einfacher zu lösen. Denn: Gibt es die Jobs überhaupt? In dieser Frage steckt das Riesendilemma, in das Österreich immer tiefer gerät. Die Arbeitslosenzahlen steigen, gleichzeitig müssen die Leute länger arbeiten, damit das Pensionssystem nicht irgendwann kracht. Diese Rechnung führt, auch ohne tiefschürfende Analysen anzustellen, in kein ermutigendes Szenario.

Jetzt rächt sich, dass Österreich seine Volkswirtschaft schon über einen langen Zeitraum besser darstellt, als sie ist. Die Arbeitslosenstatistiken wurden frisiert, indem die Menschen früher als in fast allen anderen Ländern Europas in den Ruhestand gehen -finanziert durch zu hohe Steuern und immer neue Schulden. Solange die Wirtschaft kontinuierlich wuchs, ging sich die Trickserei irgendwie aus. Damit ist Schluss. Aber noch immer liegt das faktische Pensionsantrittsalter erst bei 58,8 Jahren. Der Zuschuss aus dem Budget steigt 2014 auf 9,1 Milliarden Euro.

Nichts helfen wird, dass demnächst vier von sechs SPÖ-Ministern aus der Gewerkschaft kommen, einer Institution, die den immensen Sanierungsbedarf hartnäckig leugnet. Die Regierungsparteien müssen sich endlich ungeschminkt eingestehen, dass unser System weniger nachhaltig ist als zum Beispiel in Deutschland oder Skandinavien. Und dass es jetzt doppelt schwierig wird, das Steuer herumzureißen, weil eine grundlegende Pensionsreform bis in die Phase hinausgezögert wurde, in der Wirtschaft nicht mehr wächst - wodurch die Anspannung am Arbeitsmarkt stetig steigt.

Neben dem Kulturwandel weg von der Frühpensions-Sehnsucht braucht es ein Bündel an Maßnahmen. Die Unternehmen werden die Sache nicht alleine schultern können (Stichwort: Bonus-Malus), müssten aber einen Beitrag leisten, indem mehr ältere Beschäftigte die Gewinnausschüttungen drücken. Die schon in Rente sind, müssten etwas abgeben, weil das Verhältnis zwischen Einzahlungen in und Leistungen aus dem Pensionssystem bei ihnen im Schnitt ohnehin viel besser aussieht als bei jüngeren Generationen. Die Arbeitnehmer sollten sich daran gewöhnen, dass sich die Gehaltskurve jenseits der Mitte 50 deutlich abflacht oder sogar nach unten neigt. Und natürlich muss der Staat generell sparen, um mehr Luft zu haben.

Die Österreicher ein paar Jahre länger im Beruf zu halten, ohne die Arbeitslosenzahlen explodieren zu lassen - daran wird sich Triumph oder Scheitern der Politik messen.

lampl.andreas@trend.at

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