Mehr Feuer mit Rauch? [Politik Backstage]
Der dritte Pandemie-Minister in drei Jahren wird nun auch zum Offenbarungs-Eid für Türkis-Grün. Warum „Mücke“ nicht stach und wirklich ging.
Der Vorarlberger Johannes Rauch wird dritter Gesundheitsminister in der Corona-Pandemie.
Über Wolfgang Mückstein erzählt man sich in der ÖVP in den vergangenen Wochen besonders gern folgende Geschichte, die gut drei Monate zurück liegt. Mitte November lag wieder einmal Lockdown-Alarm in der Luft. Oberösterreich und Salzburg waren wegen explodierender Coronazahlen kurz davor, zumindest lokal einen zu verhängen. Wie es im ganzen Land weitergehen sollte, wollten die Länderchefs gemeinsam mit Regierungsvertretern bei der routinemäßigen Landeshauptleute-Konferenz am Tiroler Achensee besprechen.
Im Kanzleramt saß gerade Übergangs-Regierungschef Alexander Schallenberg, im Gesundheitsministerium ordinierte bereits seit einem halben Jahr Wolfgang Mückstein. Sie reisten getrennt an.
Mücksteins Elektro-Dienst-Kutsche schaffte die Strecke nicht auf einmal und musste für einen langen Ladestopp anhalten. Als der Pandemieminister in Tirol eintraf, waren die bislang schärfsten Corona-Maßnahmen bereits ohne ihn abgesegnet worden. Die Länderchefs einigten sich auf einen österreichweiten Lockdown. Im Gegenzug wurde eine Impfpflicht beschlossen, um den Ärger des Gros der Geimpften, die mit in den Lockdown mussten, zu dämpfen.
Wolfgang Mückstein blieb nichts anderes übrig, als die Orders der rot-schwarzen Länderchefs und des ÖVP-Kanzler am Achensee freundlich abzunicken.
Spitze Zungen im Regierungsviertel sagen, diese Szene ist die prototypische für Mücksteins nicht einmal ein Jahr währende Minister-Ära. Wann immer der Gesundheitsminister in großen Runden auftauchte, waren die Entscheidungen längst anderswo gefallen. Ein Befund, der auf dem ersten Blick plausibel scheint, aber der komplexen Gemengelage nicht ganz gerecht wird.
Dauer-Infight
Kanzleramt vs. Coronaminister
Als Rudolf Anschober im April des Vorjahres den Herkulesjob des Pandemie-Ministers erschöpft aufgibt, wissen beide Seiten im Regierungsviertel: Mit dem neuen Ressortchef muss es auch im politischen Umgang einen Neustart geben. Das Team um Kurz weiß zudem: Mit einem Arzt als Gesundheitsminister kann der Ballhausplatz öffentlich nicht mehr so umspringen wie zuletzt mit Anschober.
Die Grünen wiederum wollen es diesmal erst gar nicht so weit kommen lassen. Die Dauer-Konfrontation zwischen dem kontrollsüchtigen Kanzleramt und dem - an sich allein zuständigen -Pandemie-Ministerium war drauf dran das Koalitionsklima breitflächig zu vergiften.
Denn Sebastian Kurz hatte von Beginn der Pandemie an versucht, die Führung an sich zu reißen. So hatte es sich auch eingebürgert, dass alle wesentlichen Pandemie-Entscheidungen zwischen dem Kurz- und Anschober-Team direkt ausgehandelt wurden.
Mit dem Wechsel von Anschober zu Mückstein wollten die Grünen daher gleichzeitig auch politisch einen anderen Weg einschalten. Wesentliche Entscheidungen in der Pandemie Politik sollten künftig zwischen Kanzleramt und Vizekanzler verhandelt werden. Der Gesundheitsminister sollte als alleiniger Reibebaum entlastet werden.
Die neue Strategie war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass mit Mückstein zwar ein Mediziner ins Amt kam, dieser aber - bis auf eine Funktion in der Ärztekammer - null politische Erfahrung hatte. Das Team um Werner Kogler nahm den Neuen an die Hand und übernahm damit vor allen auch die politische Führung beim grünen Corona-Kurs.
"Wir hatten mit Mückstein daher wenig direkten Kontakt. Es wurde dadurch aber auch mühsamer und schwieriger, Kompromisse und Lösungen zu finden”, resümiert ein Spitzen-Türkiser. Den grünen Ton in der Pandemiepolitik gab ab Mitte des Vorjahres nicht Mückstein, sondern Koglers Kabinettschef Stefan Wallner an.
Koglers Starthilfe
für Mückstein stottert
Dazu kommt: Mit politischen Auftritten und großen Gesten hatte es der Mittvierziger generell nicht so. Das mag daran liegen, dass er als Arzt gewohnt ist, automatisch die erwartungsvoll gespannte Aufmerksamkeit seiner Patienten zu genießen. Das mag auch daran liegen, dass ihm die Rituale, das Flügelschlagen und Imponiergehabe in der Politik bis zuletzt fremd blieben.
Sein Vorgänger hat das Feld schwer versehrt geräumt, politisch von den Türkisen wundgeschossen, körperlich ausgezehrt. „Es ist ein gnadenloser Job. Wenn Du nicht aufpasst, wirst du vernichtet“, resümierte vor knapp einem Jahr ein Mitglied in Rudolf Anschobers Ministerteam.
Werner Kogler stellte der neuen Schlüsselfigur der Grünen im Kabinett deshalb Vertrauensleute zur Seite, alle zentralen Posten im Kabinett wurden im Eiltempo neu besetzt.

Wolfgang Mückstein zieht sich nach nur zehn Monaten wieder aus der Politik zurück. Trotz parteiintener Unterstützung fehlte es ihm an Durchsetzungskraft.
Als Interims-Managerin lieh Kogler Mückstein seine Kabinettschefin Eva Wildfellner. Sie kennt das Gesundheitsressort von innen – als Kabinettschefin von Sabine Oberhauser führte sie das Haus praktisch im Alleingang, als das Krebsleiden der SPÖ-Ministerin ausbrach.
Die Kommunikation übernahm Stephan Götz-Bruha, Ex-Ö3-Mann, Social-Media-Experte im Wahlkampf für Alexander Van der Bellen und in dieser Funktion auch im grünen Regierungsteam aktiv.
Die grünen Söldner für den Neustart sind heute längst wieder anderswo im Einsatz. Mückstein war aber es bis zuletzt nicht gelungen, ein eigenes starkes Team um sich zu formen. Als Polit-Praktikant im ersten Lehrjahr kann man so angesichts der Ansprüche und Widersprüche in einem Mammutressort wie aber diesem nur scheitern.
Denn seit dem Spätherbst lief es auch zwischen dem grünen Vizekanzleramt und dem grünen Gesundheitsministerium nicht mehr rund. Als sich rund um die legendäre Landeshauptleute-Konferenz am Achensee die Pannen häuften, zog sich Koglers Kabinettschef Stefan Wallner aus der Koordination des grünen Pandemie-Managements gänzlich zurück.
Gewesslers Bürochef
als letzte Krisen-Feuerwehr
Ein anderer alter Haudegen der grünen Truppe, Felix Ehrnhöfer, musste nun – zusätzlich zum Job als Bürochef bei Klima-Ministerin Leonore Gewessler – auch die politische Oberaufsicht im Gesundheitsministerium übernehmen.
Ressortchef Wolfgang Mückstein galt da auch grün-intern längst nicht mehr als der Mann am Ressort-Steuer. Er wurde zunehmend zum Passagier, zerrieben zwischen widerstrebenden Ratgebern und gegensätzlichen Interessen. Immer mehr wurde an Mückstein vorbei entschieden – zumal in der ÖVP nach dem Sturz von Kanzler Kurz auch in Sachen Corona wieder die schwarzen Landeshauptleute das Kommando übernommen hatten.
Kugelsichere Weste
im Dienstauto
Bei den Grünen gibt man sich nach außen dennoch felsenfest überzeugt, es gäbe nur einen Rücktrittsgrund: Wolfgang Mückstein wollte nicht mehr mit dauernder Bedrohung und Personenschutz Rund-um-die-Uhr leben.
Mit dem Ja zur Impfpflicht hatten in den letzten Monaten nicht nur die persönlichen Attacken und Drohungen gegen den Minister massiv zugenommen. Mückstein und seine Familie mussten auch damit leben, dass die Wiener Minister-Wohnung 24-Stunden unter Polizeischutz gestellt wurde.
Als man ihm jüngst zudem vorsorglich eine kugelsichere Weste ins Auto legte, sagt ein enger Mitarbeiter, habe Mückstein innerlich die Reißleine gezogen: Hier ein immer mühseliger werdender Job, dort immer mehr angstmachende Todesdrohungen. „Das ist auf Dauer nicht auszuhalten”, begründete Mückstein seinen dringenden Demissions-Wunsch.
Mehr Feuer
mit Rauch?
Vergangenes Wochenende eröffnete der Mediziner der grünen Parteispitze erstmals, dass er sich deswegen aus der Politik zurückziehen will.
Mit Johannes Rauch, grünes Urgestein und langjähriger Landesrat in Vorarlberg, zieht nun binnen drei Jahren der dritte Chef neu ins Gesundheits- und Sozialministerium ein.
Bei den Grünen setzt man große Erwartungen in den 62-Jährigen. Nach Jahrzehnten in der Spitzenpolitik kennt er das Geschäft und vor allem auch seine Gegenüber auf Länderebene. Jeder Gesundheits- und Sozialminister ist auf die Kooperation mit den föderalen Kleinfürsten besonders angewiesen.
Am Wiener Ballhausplatz beschreibt ein Spitzen-ÖVP-Mann das neue Gegenüber im Pandemie Ministerium knapp und knackig so: „Wir haben ihn in den Regierungsverhandlungen als Persönlichkeit mit vielen Facetten kennengelernt. Johannes Rauch kann sehr verbindend, er kann aber auch sehr provozierend sein. Jetzt muss er einmal zeigen, ob er dieses schwierige Ministerium in den Griff bekommt.”
Der Autor
Josef Votzi
Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Der Enthüller der Affäre Groër arbeitete für profil und News und war zuletzt Politik- und Sonntagschef des "Kurier". Für den trend verfasst er jede Woche "Politik Backstage".
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