Landeshauptmann Doskozil: Alles eine Schmähparade!
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil über den trockenen Neusiedlersee und seine Forderung, bundesweit sofort 1.700 Euro netto Mindestlohn einzuführen.
Hans Peter Doskozil (SPÖ) regiert das Burgenland mit absoluter Mandatsmehrheit. Der frühere Landespolizeidirektor und spätere Verteidigungsminister feiert am 21. Juni seinen 50. Geburtstag.
trend:
Herr Landeshauptmann, trocknet der Neusiedlersee aus?
Hans Peter Doskozil :
Das glaube ich nicht. Vor etwa 100 Jahren war er schon einmal drei Jahre lang ausgetrocknet, das Problem gab es also schon früher.
Das Burgenland ohne See wäre eine Katastrophe, oder?
Natürlich ist der See das touristische Zugpferd schlechthin, das Burgenland ohne See nicht vorstellbar.
Also muss man eine Pipeline von der Donau her bauen?
Es gibt die Idee, Donauwasser einzuleiten, aber ich bin sehr skeptisch, das wird aus biologischen Gründen nicht funktionieren. Der Neusiedler See lebt vom Niederschlag. Er wird mittelfristig nicht austrocknen.
Durch welche Maßnahmen?
Grundwasser, Landwirtschaft, Schilfbewirtschaftung, alles ist Thema. Experten und Naturschützer werden Antworten erarbeiten.
Ich als Burgenländer krieg in Wien auch keinen Schnitzelfünfziger!
Tourismus, nicht nur am See, ist fürs Burgenland existenziell. Wie groß sind die Corona-Verluste für die Branche?
Die Buchungslage für den Sommer ist vielversprechend. Wir unterstützen das ja auch mit einem 75-Euro-Bonusticket ab drei Tage Buchung für alle Burgenländerinnen und Burgenländer.
Sie diskriminieren damit allerdings die Wiener Stammgäste. Ein kleines Revanchefoul?
Na ja, ich als Burgenländer krieg in Wien auch keinen Schnitzelfünfziger! Aber man muss schauen, dass man den regionalen Tourismus unterstützt. Ich bin ein Fan von Regionalität, deshalb konzentrieren wir uns auf den burgenländischen Konsumenten.
Warum bekommt dieses Bonusticket auch die Familie Doskozil, warum nicht vorrangig sozial schwache Bürgerinnen und Bürger?
Ja, es würde dieses Ticket auch die Familie Doskozil kriegen. Ich werde es aber nicht in Anspruch nehmen. Das ist eine grundsätzliche Diskussion über unsere sozialpolitische Fördersystematik. Unser Ziel ist vorrangig, die Betriebe zu unterstützen. Die laufen zur Zeit um jeden Gast.
Wie haben Sie als Sozialpolitiker die Mindestlohndebatte bei Laudamotion erlebt?
Das ist ebenso ein Witz, wie die Lufthansa beziehungsweise der AUA mit diesen vielen Hundert Millionen Euro zu unterstützen und keine Beteiligung dafür einzufordern. Der Bundeskanzler ist eingeknickt.
Was hätten Sie gemacht?
Mich strategisch beteiligt. Die Lufthansa hätte mit Sicherheit zugestimmt. Das war mangelndes Verhandlungsgeschick. Die wollen ja gute Standorte bewirtschaften, so wie Schwechat einer ist.
Man muss jetzt den Mindestlohn von 1.700 Euro netto umsetzen.
Die Regierung steuert der Corona-Depression entgegen. Wie gefallen Ihnen die 450 Euro für alle Arbeitssuchenden?
Das ist nett, aber die Frage ist: Wie begegnen wir insgesamt der Lage am Arbeitsmarkt? Es macht keinen Sinn, wenn die Regierung Unternehmen unterstützt, denen es prächtig geht.
Was macht denn Sinn?
Die Kaufkraft stärken. Das ist das wichtigste Element für die Wirtschaft. Man muss jetzt den Mindestlohn von 1.700 Euro netto umsetzen. Jetzt müsste das gesetzlich verankert in die Wirtschaft getragen werden. Dieses Geld bringt Konsum, bringt Arbeitsplätze. Bringt österreichische Arbeitskräfte statt solche aus dem EU-Ausland. Das ist nicht nur Wirtschafts- das ist auch sinnvolle Arbeitsmarktpolitik ...
... die nur leider schwer finanzierbar sein wird.
Wir werden in den Tourismusbetrieben des Landes trotz Corona beweisen, dass das möglich ist. Ab kommenden Jänner wird das auch in den Gemeinden umgesetzt, auch in der Pflege. 1.700 Euro netto ist die mit Abstand wichtigste politische Maßnahme.
Die aber für normale Klein- und Mittelbetriebe kaum zu stemmen ist.
Wer sagt das? Eine Mechanikerstunde in der Werkstatt kostet mehr als 100 Euro. Bei einer 40-Stunden-Woche macht das hochgerechnet 16.000 Euro Bruttoumsatz im Monat. Der Mindestlohn kostet brutto mit allen Beiträgen 3.200 Euro. Da frage ich mich schon, warum ein Mechaniker nicht 1.700 Euro verdienen soll.
Der Mindestlohn wäre für viele Menschen auch Anreiz, wieder arbeiten zu gehen.
Die Wirtschaftskammer sagt: undurchführbar, standortschädlich.
Das ist doch eine Schmähparade! Viele Großunternehmen haben den Mindestlohn schon umgesetzt. Und sogar für den Reinigungsdienst in der Landesregierung haben sich Österreicherinnen beworben, insgesamt 400. Diese Berufsbilder werden wieder angenommen. Wenn eine Friseurin 50 Euro Umsatz pro Stunde produziert, sind das 8.000 bis 9.000 Euro brutto Umsatz im Monat. Es kann mir niemand erklären, warum eine Friseurin nicht 1.700 Euro verdienen soll.
Geschätzte 20 Prozent der Unternehmen überleben Ihre Rosskur nicht.
Mit Sicherheit überleben die das. Der Geschäftsführer eines Fließbandbetriebs sagt mir: Wenn wir das umsetzen, haben wir eben nicht vier, sondern nur drei Millionen Euro Gewinn. Das, was uns die Wirtschaft erzählt, ist Politik, ist eine große Schmähparade. Der Mindestlohn wäre für viele Menschen auch Anreiz, wieder arbeiten zu gehen. Man muss einem Menschen so viel zahlen, dass er von 40 Stunden Arbeit in der Woche leben kann. Wenn wir so weitermachen wie bisher, sind wir bald dort, wo Deutschland ist. Dort sind 30 Prozent der Beschäftigten in prekären Lohnverhältnissen. Deutsche Pensionisten müssen Taxi fahren und putzen.
Was gefällt Ihnen am Klimaticket nicht?
Pendler würden profitieren. Ein Burgenländer, der via Niederösterreich nach Wien fahren muss, würde 1.095 Euro pro Jahr bezahlen. Das ist ein bisschen billiger als jetzt. Nur: Ein Pendler aus Oberwart hat bislang 180 Euro Pendlerpauschale pro Monat bekommen.
Sie befürchten, dass die Pendlerpauschale abgeschafft wird?
Ich weiß nicht, was die Regierung vorhat. Da kommt sicher was! Das Hauptproblem ist: Von Oberwart nach Wien fährt man im Bus zwei Stunden, für 110 Kilometer, eine Richtung. Das ist nicht attraktiv. Ich frage: Was hat der burgenländische Pendler von diesem Ticket? Ich habe zwei Jahre lang mit den ÖBB über die Direktanbindung von Eisenstadt nach Wien diskutiert. Das ist ja eine Farce. Jetzt gibt es eine grüne Ministerin, die mantramäßig mehr öffentlichen Verkehr verlangt. Aber wo ist er? Man müsste nur sagen: Wir bauen die Schleife Ebenfurth. Aber es gibt kein Bekenntnis dazu!
Haben Sie schon mit der Klimaministerin darüber geredet?
Nein. Aber mit den ÖBB. Und die sagen: Machen wir vielleicht irgendwann in den nächsten 20 Jahren. Was soll das?
Vielleicht machen Sie als Landeshauptmann zu wenig Druck?
Wir werden nicht die Aufgaben der Ministerin erledigen. Die grüne Ideologie kennen wir jetzt, aber unser Vorschlag, nur noch die Schiene und nicht die parallel fahrenden Busse zu fördern, sobald die nötige Schieneninfrastruktur zur Verfügung steht, ist nicht einmal aufgegriffen worden. Auch die Wechselstrecke wird nicht attraktiviert.
Die Diskussion um die 30-Stundenwoche bringt uns nicht weiter.
Vielleicht war ja durch Corona noch keine Zeit für Detailprojekte.
Na geh bitte! Ich kann nicht nur in Corona-Lethargie herumsitzen, das geht nicht. Ich habe noch keine Infrastrukturausbaupläne von der Frau Ministerin gesehen.
Sie sind im Gegensatz zu führenden Parteigenossen kein Freund der Arbeitszeitverkürzung. Warum?
Die Menschen müssen doch schon bei den derzeitigen Löhnen pfuschen gehen, um zu überleben. Das soll sozialdemokratische Arbeitsmarktpolitik sein? Das ist ein Hohn. Die Diskussion um die 30-Stundenwoche bringt uns nicht weiter.
Sie empfehlen der Parteichefin, ab sofort nur noch auf den 1.700 Euro Mindestlohn zu setzen?
Der zukünftige Spitzenkandidat oder die -kandidatin ist für sich und die Themen, die er oder sie setzt, selbst verantwortlich. Aber ja, der Mindestlohn ist derzeit das richtigste und wichtigste Thema.
Es braucht an der Spitze jemanden, der Glaubwürdigkeit hat. Eine Person, die Vertrauen versprüht.
Nur damit kommt die SPÖ wieder in die Regierung?
Es braucht an der Spitze jemanden, der Glaubwürdigkeit hat. Eine Person, die Vertrauen versprüht. Wo die Menschen wissen: Es geht in diese und genau diese Richtung. Das brauchen wir.
Das klingt so, als ob die aktuelle Parteispitze nicht ganz Ihre Idealbesetzung ist.
Das habe ich nicht gesagt. Es ist die Aufgabe von Pamela Rendi-Wagner, Vertrauen aufzubauen und zu vermitteln, die Themen zu setzen, die die SPÖ braucht. Ich gebe aber zu, dass ich mit der 30-Stunden-Thematik sehr unglücklich bin. Darüber hat es keine Kommunikation mit mir gegeben.
Etliche Genossen in Wien sind böse auf Sie und sagen: Der Doskozil fällt uns bei jeder Gelegenheit in den Rücken.
Das stimmt doch nicht. Aber man muss auch nicht bei jedem Blödsinn mitlaufen.