Juncker am Pranger: Steuerflüchtige Konzerne in Luxemburg

Investigativen Recherchen zufolge wurde internationalen Konzernen in Luxemburg der Weg in die legale Steuerflucht geebnet. Die Dokumente stammen aus der Amtszeit Jean-Claude Junckers, der seit wenigen Tagen EU-Kommissionspräsident ist.

Juncker am Pranger: Steuerflüchtige Konzerne in Luxemburg Juncker am Pranger: Steuerflüchtige Konzerne in Luxemburg

Luxemburg hat deutschen und internationalen Konzernen bei der legalen Steuerflucht Medienberichten zufolge jahrelang den roten Teppich ausgerollt. Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" soll es manchen Firmen dadurch gelungen sein, auf ihre Gewinne nur noch ein Prozent Steuern zu zahlen. Belegt werde dies durch eine Auswertung von 28.000 Seiten geheimer Dokumente durch eine Gruppe investigativer Journalisten. Demzufolge haben Luxemburger Behörden komplexe Finanzstrukturen genehmigt, die das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Unternehmen entwickelt habe. Finanzminister Wolfgang Schäuble bekräftigte am Donnerstag im Bundestag seine Initiativen gegen Steuerflucht. Der Opposition reicht das nicht.

Dass das Großherzogtum mit niedrigen Steuersätzen um große Konzerne wirbt, ist seit Jahren bekannt und wird von EU-Partnern wie Deutschland mit Argwohn gesehen. Die von dem Recherche-Netzwerk ausgewerteten Dokumente geben nun einen Einblick, wie sich die Firmen steuerlich arm gerechnet haben. Genannt werden Konzerne wie PepsiCo, FedEx, Procter & Gamble, Amazon und Ikea. Aber auch die Dax-Konzerne Deutsche Bank, E.ON und Fresenius Medical Care (FMC) tummeln sich demnach in Luxemburg.

Die genannten Konzerne betonten dem Blatt zufolge, dass sie stets legal arbeiteten. Die Unternehmensberatung PwC habe erklärt, sie handele "in Übereinstimmung mit lokalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen". Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel verteidigte das Vorgehen seines Landes. "Was Luxemburg gemacht hat, war okay", zitiert ihn die Zeitung. Sein Land sei keine Steueroase. Allerdings hat die EU-Kommission die Steuerdeals Luxemburgs mit dem Online-Händler Amazon ins Visier genommen. Sie prüft, ob der Konzern dadurch unerlaubte Staatshilfen erhalten hat.

Junckers Arbeit

Die Unterlagen stammen dem Bericht zufolge vorwiegend aus den Jahren 2008 bis 2010 und fallen damit in die Amtszeit des damaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker, der seit wenigen Tagen EU-Kommissionspräsident ist. Juncker sagte dem Sender NDR: "Ich werde in den Fällen keinen Einfluss auf die Geschehnisse nehmen. Ich werde mein Amt nicht missbrauchen."

An den Recherchen des Journalistennetzwerks ICIJ waren dem Bericht zufolge neben der "Süddeutschen Zeitung" und dem NDR auch der WDR beteiligt sowie der "Guardian" (Großbritannien), "Le Monde" (Frankreich), der "Tages-Anzeiger" (Schweiz) und Dutzende weitere Medien.

"Beihilfe zur Steuerhinterziehung"

Schäuble sagte, auch in Luxemburg hätten sich die Dinge geändert, selbst wenn es noch viel zu tun gebe. So gehöre das Großherzogtum zu den über 50 Staaten, die Ende Oktober vereinbart hatten, sich ab 2017 automatisch mit Steuerdaten ihrer Bürger zu beliefern. Außerdem verwies Schäuble auf seine vor Jahren im Rahmen der G20-Staaten gestartete Initiative gegen Steuerflucht von Konzernen (BEPS). Ihr Ziel ist es, dass Firmen ihre Gewinne dort versteuern, wo die tatsächliche Wertschöpfung stattgefunden hat und das Geld nicht - etwa über Lizenzgebühren - zu Töchtern ins steuergünstigere Ausland transferiert wird.

Die ersten sieben Punkte eines von der OECD erarbeiteten BEPS-Aktionsplans mit insgesamt 20 Punkten soll kommende Woche beim G20-Gipfel im australischen Brisbane verabschiedet werden.

Die Linken-Finanzpolitikern Sahra Wagenknecht sagte in der Debatte, die Steuerpraxis in Luxemburg habe Juncker zu verantworten. Es sei bemerkenswert, dass offenbar "Beihilfe zur Steuerhinterziehung" in Europa für höchste Ämter prädestiniere. Der Bundesregierung warf sie Untätigkeit vor, weil sie nicht mit deutschen Gesetzen der Steuerflucht einen Riegel vorschiebe. Die Bundesregierung setzt dagegen auf internationale Koordinierung.

Grüne fordern Rücktritt

Aus den Reihen der Grünen werden Rücktrittsaufforderungen an Juncker laut. "Jean-Claude Juncker ist nach einer Woche im Amt schon rücktrittsreif", erklärte der grüne österreichische EU-Abgeordnete Michel Reimon zu den Ergebnissen der Untersuchung des "International Consortium of Investigative Journalists". Reimon: "Juncker war von 1995 bis 2013 Regierungschef von Luxemburg - als solcher war er dafür verantwortlich, dass Hunderte Konzerne die Steuerfluchtoase Luxemburg mit pseudo-legalen Methoden nützen konnten. Derartige Steuerfluchtmodelle sind ein Extremfall von nationalstaatlichem Egoismus - das macht Juncker auch als Europäer, dem es um Gemeinschaftsinteressen geht, völlig unglaubwürdig."

Ähnlich äußerte sich am Donnerstag auch der deutsche Grün-Europaabgeordnete Sven Giegold bei einer Diskussion über Unternehmenstransparenz im Europaparlament. "Es gibt keine Ausreden mehr. Das ist ein schwerer Schlag für Herrn Junckers Glaubwürdigkeit, im europäischen Interesse zu handeln", sagte Giegold. Es gebe Grund zur Annahme, dass Juncker auch als EU-Kommissionspräsident sein Heimatland Luxemburg schützen werde.

Giegold kritisierte, in der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission würden für die gesamte EU nur acht Personen zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung arbeiten. "Das ist ein Witz. Es muss personell mindestens vervierfacht werden. Außerdem muss die EU-Kommission die Möglichkeiten des Beihilferechts jetzt scharf anwenden und gegen Steuerdumping mit Rückforderungen hart vorgehen." Die EU-Wettbewerbskommissarin Kommissarin Margrethe Vestager müsse jetzt handeln.

Regner fordert europaweite Regelungen

Evelyn Regner, geschäftsführende Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten, will europaweite Regelungen, um "mit den Steuertricksereien Schluss zu machen", heißt es in einer OTS-Meldung. Sie zitiert eine Studie der sozialdemokratischen Fraktion, laut der jährlich EU-weit 1000 Milliarden Euro durch Steuerbetrug und "Schummeleien" verloren gehen - das sind jährlich 2000 Euro pro EU-Bürger. "Ein erster Schritt wäre die Einführung der Regel, wonach Steuern immer in jenem Land zu zahlen sind, in dem der Gewinn erwirtschaftet wird", sagt Regner.

Die von Juncker geführte EU-Kommission erklärte am Donnerstag Vormittag, man sei zu einer Bestrafung Luxemburgs bereit, falls das Land mit seinen Steuerpraktiken EU-Regeln gebrochen hat. Es liefen bereits Ermittlungen zu den Steuernachlässen für Unternehmen in Luxemburg, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas am Donnerstag in Brüssel.

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