6 Monate Mindestlohn in Deutschland - Zeit für eine erste Bilanz

8,50 Euro pro Stunde - das ist seit Jänner das Mindeste, was man in Deutschland für seine Arbeit bekommen muss. Was heißt das für Wirtschaft und Verbraucher? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

6 Monate Mindestlohn in Deutschland - Zeit für eine erste Bilanz

Seit einem halben Jahr gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde. Viele Geringverdiener haben profitiert - aber wer bezahlt die Lohnsteigerungen? Eine erste Bilanz:

1. Hat der Mindestlohn auch Folgen für die Verbraucher?

Durchaus. Allerdings haben Experten ein halbes Jahr nach Start des Mindestlohns keine flächendeckenden Preissteigerungen beobachtet, es geht vielmehr um einzelne Dienstleistungen vor allem in Ostdeutschland. Dort brachte die 8,50-Euro-Grenze besonders kräftige Lohnsteigerungen, weil das Niveau zuvor vergleichsweise niedrig war. "Es gibt keine außergewöhnlichen flächendeckenden Preissteigerungen in Deutschland, aber in einzelnen Branchen und Regionen sieht man entsprechende Effekte", sagt der stellvertretende Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller.

2. Welche Branchen sind vor allem betroffen?

Die Kunden im Taxi, beim Bäcker oder in Hotels und Gaststätten müssen vielerorts spürbar mehr bezahlen. Mit dem Jahreswechsel sei etwa die Fahrt im Taxi im Bundesdurchschnitt schlagartig um 5,2 Prozent teurer geworden, schrieb die Deutsche Bundesbank im Mai. Nach weiteren Erhöhungen hätten sich die Preise bis dahin sogar um rund zehn Prozent erhöht. Betroffen seien Branchen, "in denen die Lohnkosten insbesondere von Geringverdienern ein bedeutende Rolle für die Gesamtkosten spielen", sagt Holtemöller.

3. Sind noch größere Preissprünge zu erwarten?

Die ein oder andere Dienstleistung könnte wegen des Mindestlohns in den nächsten Monaten noch teurer werden, meinen Experten. Große Preissprünge erwarten sie aber eher nicht. "Ich rechne nicht damit, dass noch große Preisschübe kommen", sagt der Konjunkturexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner. "Preise passt man relativ schnell an. Es gibt aber bestimmte Branchen, wo dies mit einer gewissen Verzögerung geschieht, zum Beispiel im Hotelbereich." Ronald Bachmann vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung sagt: "Die Preise werden noch ein bisschen steigen, aber ich erwarte keinen starken Trend nach oben mehr."

5. Kostet der Mindestlohn Jobs?

Zu einem - von manchen Kritikern befürchteten - drastischen Jobabbau ist es bisher nicht gekommen. "Im Moment sieht man auf dem Arbeitsmarkt so gut wie nichts, mit Ausnahme der Minijobs", sagt RWI-Arbeitsmarktexperte Bachmann. Angaben der Minijob-Zentrale zufolge gab es Ende März fast 190 000 dieser Jobs weniger als vor einem Jahr. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass die bisherigen Minijobber ihre Arbeit verloren haben. Etliche dieser Beschäftigungsverhältnisse wurden nach Experteneinschätzung in reguläre Arbeitsplätze umgewandelt. Wie groß dieser Effekt tatsächlich ist, werde man aber wohl frühestens am Jahresende wissen, sagt der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller.

6. Und wie wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter entwickeln?

"Es ist vorstellbar, dass im nächsten Abschwung die Arbeitsmarkteffekte etwas ausgeprägter sind als sie es ohne den Mindestlohn wären", sagt Fichtner. Und auch Holtemöller gibt zu bedenken: "Die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt hat in der letzten Rezession sehr viel dazu beigetragen, dass sich die Lage stabilisiert hat. Die negativen Effekte geringerer Flexibilität wird man erst in der nächsten konjunkturellen Schwächephase sehen können."

7. Halten sich die Unternehmen an den Mindestlohn?

"Dass bei den Preisen und der Beschäftigung wenig zu sehen ist, würde ich zum einen darauf zurückführen, dass die Unternehmen das über sinkende Gewinne kompensieren, zum anderen aber dass Unternehmen mit Umgehungsstrategien Kosten sparen, möglicherweise sogar in Übereinstimmung mit den Arbeitnehmern", sagt RWI-Arbeitsmarktexperte Bachmann. "Es ist damit zu rechnen, dass Schwarzarbeit oder Umgehung des Mindestlohns, zum Beispiel indem Überstunden nicht bezahlt werden, auch eine große Rolle spielen. Das dürfte in nicht unerheblichem Maße stattfinden."

8. Gibt es noch Änderungen am Mindestlohn?

Trotz harscher Kritik von Wirtschaftspolitikern der Union dürfte sich vorerst nichts Substanzielles an den Regeln und vor allem am Mindestlohngesetz ändern. Möglicherweise gibt es noch Änderungen bei den Regeln für das Ehrenamt, denn viele scheinbar Ehrenamtliche fallen unter das Mindestlohngesetz, bekommen aber zu wenig Geld. Künftig prüft eine Mindestlohn-Kommission alle zwei Jahre, ob der Mindestlohn der allgemeinen Einkommensentwicklung angepasst werden muss. Der neunköpfigen Mindestlohn-Kommission gehören ein Vorsitzender, jeweils drei stimmberechtigte Vertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaften sowie zwei beratende, nicht stimmberechtigte Mitglieder aus der Wissenschaft an.

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