Machtpoker in Nahost

Der Niedergang der Muslimbrüder in Ägypten, die Erfolge der Armee in Syrien und eine Hofübergabe in Katar: drei Entwicklungen, die nun die Karten in Nahost neu mischen könnten.

Machtpoker in Nahost

War es die bürgerliche Mitte, die in vielen arabischen Staaten im Frühling 2011 die Revolutionen lostrat, so gewannen danach die Islamisten dank Verwurzelung in der Gesellschaft die Wahlen in Tunesien und Ägypten. Ihr Slogan „Der Islam ist die Lösung“ entzaubert sich aber zusehends, die zur Schau getragene moralische Überlegenheit zerbricht an Korruption und politischer Gewalt. Wenn die Stromversorgung versagt, der Smog und der tägliche Überlebenskampf die Millionen in den Megastädten zermürben, dann offenbart sich, dass die Religion doch keine Antworten liefert. Die zornigen jungen Männer demonstrierten mit jenen Parolen gegen die Islamisten, die zuvor gegen Mubarak skandiert wurden.

Den Sturz von Präsident Mohammed Mursi begrüßte Syriens Präsident Baschar al-Assad, Saudi-Arabien unterstützte die Intervention der Armee diskret, während viele westliche Regierungen dies als Putsch verurteilten.

Und in Katar vollzog sich ein Machtwechsel, der viele Rätsel aufgibt. Der rüstige Emir Hamid bin Khalifa al-Thani übergab zu Lebzeiten die Macht an den Thronfolger. Der Grund hierfür mag weniger in plötzlicher Krankheit liegen, sondern vielmehr hat vielleicht äußerer Druck eine Neuausrichtung Katars verlangt.

Das an Erdgas reiche Emirat hat sich in den letzten 20 Jahren von einem kleinen Supermarkt in der Wüste zur Regionalmacht gemausert. Neben den radikalen TV-Predigern des Senders Al-Jazira sorgten vor allem Waffen und viel Geld aus Katar für den Aufstieg der extremistischen Salafisten von Libyen bis Syrien – und für wachsendes Unbehagen. Der ehrgeizige Emir zog über die von ihm geschaffenen Medien und über junge Gotteskrieger die Fäden in so manchem Kriegsgebiet. Einige Beobachter trauten ihm gar zu, die Saudis als Regionalmacht zu beerben.

Offenbar sprach sich in Washington herum, dass der Zustrom islamistischer Terrorgruppen nach Syrien auch auf sein Konto ging. Jedenfalls wünschte man einen neuen Kurs und sah in einem Generationswechsel mit neuem Kabinett die ideale Option.

Stand Assad noch vor einem Jahr mit dem Rücken zur Wand, so gewinnt die syrische Armee Gebiete zurück, die unter Kontrolle der Rebellen waren. Militärisch hilfreich ist hierbei die libanesische Partei und die Miliz Hisbollah, deren Kämpfer in der Guerilla-Kriegsführung geübt sind. Die Hisbollah bedankt sich so für die Jahrzehnte syrischer Unterstützung im Libanon und garantiert dem Iran gleichzeitig die alte Schutzmachtrolle der Schiiten im arabischen Raum. Russland erweist sich neuerlich als zuverlässiger Verbündeter, denn Moskau hält die laufenden Rüstungslieferungen ein. Die syrische Luftwaffe ist so dem syrischen Widerstand massiv überlegen.

Als die USA Mubarak im Februar 2011 fallen ließen, erwartete Obama, dass Putin mit Assad dasselbe tue. Doch in Russland und im Orient spielt man Schach und nicht Baseball, man überlegt sich daher jeden Zug. Die alte Orientfrage, die wir heute als Nahostkonflikt bezeichnen, war schon um 1900 auf dem Schachbrett der Geopolitik. In gewisser Hinsicht dauert der Erste Weltkrieg in dieser Weltecke fort, denn die Grenzen und Dispute sind Ergebnis damaliger Entscheidungen.

Mit der Erhebung des nichtverschleierten Bürgertums in der Türkei gegen die islamistische Regierung scheinen auch hier die Machtverhältnisse aufzubrechen.

Spricht man in Beirut mit Politikern, egal welcher Strömung, so fällt kein einziges Mal der Name Israels. Die arabische Welt ist mit sich selbst beschäftigt. Und wenn ein Abgeordneter der Hisbollah meint, dass wir demnächst das Ende der islamistischen Bewegungen erleben werden, wird klar: Die Orientfrage dreht sich in eine neue Richtung.

Mitte Mai wurde der Prozess gegen den früheren ägyptischen Präsidenten Mubarak kurz wieder aufgenommen. Nicht mehr auf der Bahre mit versteinerter Miene, sondern mit frisch gefärbtem Haupt aufrecht im Sessel verfolgte Mubarak die Verhandlung. Ein sarkastisches und wissendes Lächeln zog sich durch sein Gesicht. Es wäre wohl Ironie der Geschichte, wenn in seine Zelle nun Mursi einzieht.

- Karin Kneissl ist Arabistin, Nahost-Expertin und Autorin mehrerer Publikationen über den arabischen Raum.

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