Erdogan gewinnt klar die Präsidentenwahl

Der Führer der konservativ-islamischen Partei AKP, Recep Tayyip Erdogan hat mit seinem Wahlsieg seinen persönlichen Höhepunkt erreicht. Kritiker befürchten, dass Erdogan künftig mit dem Präsidentenamt im Alleingang regieren wird - unter Ausschaltung der Opposition und das Land weiter islamisieren wird. Wahlbeobachter und Opposition kritisieren, Erdogan habe im Wahlkampf vor allem die staatliche Medien unverhältnismäßig für seine Zwecke missbraucht und somit einen Startvorteil gehabt. Einer Wahlkonfrontation im Fernsehen mit den beiden anderen Kandidaten hatte sich der AKP-Führer nicht gestellt.

Erdogan gewinnt klar die Präsidentenwahl

Istanbul/Ankara. Recep Tayyip Erdogan hat den Gipfel seiner Macht erreicht. Gleich im ersten Wahlgang wurde er mit der Mehrheit der Stimmen gewählt. Nach Auszählung von etwa 98 Prozent der Stimmen, liegt der bisherige Regierungschef und Parteiführer der konservativ-islamischen Partei AKP laut TV-Sender CNN-Türk mit 51,79 Prozent klar in Führung - Stand 20 Uhr.

Der Gemeinschaftskandidat der beiden größten Oppositionsparteien CHP und MHP, Ekmeleddin Ihsanoglu, liegt demnach bei 38,5 Prozent. Der Kandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, erzielte bei diesem Stand der Auszählung knapp 9,7 Prozent.

Die Wahlbeteiligung war mit 72,8 Prozent schwächer als erwartet und um 15 Prozentpunkte niedriger als bei den Kommunalwahlen im Frühjahr.

Beim Start der ersten Hochrechnungen lag Erdogan bei 67 Prozent.

Es war das erste Mal, dass die Türken ihr Staatsoberhaupt direkt wählen konnten. Um gewählt zu werden, ist die absolute Mehrheit notwendig.

"Nation hat ihren Willen ausgedrückt"

Nach seinem Wahlsieg machte sich Erdogan laut Fernsehberichten auf den Weg zum Gebet in die historische Eyüp-Sultan-Moschee in Istanbul, wie es bereits die osmanischen Sultane taten, bevor sie den Thron bestiegen. "Heute hat unsere Nation bei den Wahlen ihren Willen ausgedrückt", erklärte Erdogan vor jubelden Anhängern in Istanbul. Anschließend wollte er in die Hauptstadt Ankara reisen, um eine Ansprache vor seinen Anhängern zu halten.

Erdogan hat die Wahl selbst angestrebt, weil er laut Statuten seiner Partei nicht ein viertes Mal Ministerpräsident hätte werden können. Der 60-Jährige strebt nun zwei Amtszeiten von je fünf Jahren an. Seit 2003 ist der AKP-Führer Regierungschef. Am 28. August soll er als neue Präsident vereidigt werden.

Nach Einschätzung von OSZE-Beobachtern war die Beteiligung im Vergleich zur Kommunalwahl im März gering. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, der die Wahl gemeinsam mit dem Grünen Abgeordneten Georg Willi in Istanbul beobachtete, berichtete von einem "Erdrutschsieg von Erdogan" im dortigen Sprengel. Es habe keine Wahlrechtswidrigkeiten geben, sagte Lopatka. Der Wahlkampf sei aber alles andere als ausgeglichen gewesen, Erdogan habe im Verhältnis "100:1" dominiert. Auch die mediale Berichterstattung sei "einseitig dominiert" gewesen.

Erdogan Gegner Ihsanoglu sprach am Wahlsonntag noch von ungerechten Bedingungen. Der Wahlkampf sei unter "ungleichen Voraussetzungen" geführt worden, sagte er laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Erdogan hatte eine direkte Wahlkonfrontation im Fernsehen abgelehnt. Begründung: Die beiden Kandidaten könnten alleine von der Präsenz mit dem AKP-Führer profitieren.

55,89 Millionen Türken waren wahlberechtigt. Weitere 2,8 Millionen wahlberechtigte Türken konnten erstmals an ihrem Wohnsitz im Ausland wählen. Nur 5,9 Prozent der Auslandtürken haben ihre Stimme abgegeben.

Erdogan: Verfolgung der Gegner "bis in ihre Höhlen"

Erdogan will nun als Staatsoberhaupt, das bisher eher repräsentative Aufgaben hatte, sich neue Befugnissen holen. Nach seinem Willen soll das Staatsoberhaupt, das bisher eher repräsentative Aufgaben hatte, sich mehr und aktiv in die Tagespolitik einmischen. Er hat bereits eine neue Verfassung angekündigt, mit der er sich als Präsident weitreichende Rechte gesetzlich absegnen lassen will.

Sein autokratischer Führungsstil, mit dem er Entscheidungen bis in Gemeinden hinein beeinflusst, gilt in der Zwischenzeit bei der Opposition als gefürchtet. In den vergangenen Jahren hat er sukzessive damit begonnen das Land zu spalten und seine eigenen Anhänger zu bevorzugen. Und auch die Islamisierung des Landes hat er vorangetrieben. Und jenen Gegnern, die seine Art der Demokratie nicht teilen, droht er unverhohlen - immer wieder. "Wir werden sie bis in ihre Höhlen verfolgen", drohte er unter anderem auch den Demonstranten vom Gezi-Park in istanbul. In einer Abschlusskundgebung hatte der AKP-Führer und bisheriger Regierungschef die Einheit des Landes beschworen. Allerdings hatte er immer wieder von einer osmanischen Tradition gesprochen, die seine Kritiker als rückwärtsgewandte Politik beurteilen. Seine Gegner sehen in der Beschwörung der Einheit kaum mehr als nur Lippenbekenntnisse. Erdogan spricht von einer "neuen Türkei". Kritiker sehen darin nicht mehr als die Forderung nach Gleichmacherei bis hin zur Ausschaltung der Opposition und kritischer Stimmen. Zuletzt hatte Erdogan scharf in Richtung Medien geschossen.

Die dem Laizismus bisher verpflichtet Türkei, mit klarer Trennlinie zwischen Staat und Religion seit der Republiksgründung 1923 durch Mustafa Kemal Atatürk, wird durch die Politik Erdogans zusehends zurückgedrängt. Es wird eine weitere Islamisierung befürchtet, die Erdogan nun als Präsident am Höhepunkt seiner Macht im Alleingang verfügen will.

Viele Skandale

Erdogan, sein Sohn und etliche Parteigänger waren in den vergangen zwei Jahren in mehrere Korruptionsskandale verwickelt, die bis heute noch nicht vollends geklärt sind. Im Frühjahr waren Telefonmitschnitte aufgetaucht, wo Erdogan mit seinem Sohn über die Verschiebung von Schwarzgeld in Höhe von 30 Millionen Euro besprochen hat. Die Gelder sollen aus Bauprojekten stammen, in denen Erdogans Familie und vor allem sein Sohn involviert war. Staatsanwälte und zuletzt auch Polizisten, die in der Causa ermittelten, wurden in mehrere Etappen, selbst noch in der vorigen Woche, aus ihrem Dienst entfernt oder versetzt.

Erdogan hatte die Telefonmitschnitte nie geleugnet. Er sieht hinter allen Skandalen der vergangenen zwei Jahre eine Verschwörung. Zum Jahreswechsel hatte Erdogan über die Hälfte seiner Ministerriege ausgetauscht.

Teil dieser "Verschwörung", neben Banken der "Ostküste Amerikas", wie Erdogan immer wider in seinen Hetzreden betont, ist sein ehemaliger Parteigängers, Ex-Financier und Ex-Freund Fethullah Gülen. Gülen lebt in den USA. Sein Einfluss reicht noch immer bis in die AKP hinein.

Ein Teil der "Verschwörung" ortet Erdogan und die AKP auch in den Sozialen Netzwerken. Auf Verfügung von Erdogan hat der Justizminister Twitter und YouTube zeitweise sperren lassen. Die Nutze konnten sich aber über andere Server weiterhin über Social Media ihren unmut kundtun. Facebook wurde ebenso eine Sperre angedroht. Seit den brutalen Polizeiaktionen mit Wasserwerfern und weit über 5000 Verletzten und am Istanbuler Gezi-Park sowie den darauf folgenden Demonstrationen im ganzen Land gegen die autokratische Herrschaft Erdogans hat sich der Protest via Internet verstärkt.

"Einer von uns"

Die Anhänger Erdogan sehen über die Skandale und Korruption hinweg. "Er ist einer von uns", sagen viele Türken. Viele sind durch das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre zum Teil wohlhabende Menschen geworden. Wenngleich ein Großteil der Türken noch immer unter prekären Verhältnissen arbeitet. Steigende Mieten und Inflation sind für viele Menschen der entstandenen Mittelklasse, vor allem noch immer für die unteren Einkommensschichten ein wachsendes Problem.

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