Green Deal: Der Weg zu Europas Klimaneutralität
Die EU-Kommission ihre Pläne zur Erreichung der Klimaziele vorgestellt. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent sinken - bevor die EU dann 2050 klimaneutral ist. Wie diese Ziele erreicht werden sollen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentiert die Details des "Green Deal"
Die EU-Kommission hat ihr Klimapaket vorgestellt und dafür Lob. Im Kern sieht der Vorschlag der EU-Behörde vor, den Verbrauch von fossilen Energieträgern weiter zu verteuern, um den Umstieg auf klimafreundliche Technologien zu beschleunigen. Die eigentlichen Verhandlungen stehen allerdings noch bevor, vor allem zwischen den Mitgliedstaaten im Rat der EU und dem Europäischen Parlament. Wie lange die Gespräche dauern, ist unklar. Grundsätzlich ist aber Eile geboten, um Industrie und Verbrauchern möglichst viel Zeit für die Umstellungen und notwendigen Einsparungen zu geben.
Österreich und seine Wirtschaft müssen sich besonders anstrengen. Die neuen Ziele geben vor, dass Österreich seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 reduziert. Nur Schweden, Luxemburg, Deutschland, Finnland und Dänemark müssen die noch geringfügig höhere Vorgabe von 50 Prozent erreichen (siehe Grafik).
Die Gesamtheit der vorgeschlagenen Maßnahmen soll es den EU-Staaten ermöglichen, die Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu drücken. Deswegen wird das Paket von der Kommission auch "Fit for 55" genannt. Langfristiges Ziel der EU ist es, dass 2050 netto gar keine klimaschädlichen Gase mehr in die Atmosphäre gelangen. So sollen der menschengemachte Klimawandel und dessen Folgen aufgehalten werden.
Für die Pläne gab es Lob, aber auch Kritik aus der Wirtschaft und der Wissenschaft. Vertreter der Industrie und der Automobilindustrie kritisieren etwa die strenge Zielvorgaben. So sollen spätestens 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Verbraucher werden mit erhöhten Kosten für die Nutzung herkömmlicher Benzin- und Diesel-Fahrzeuge und für das Heizen rechnen müssen.
Auch die Luftfahrt sieht die EU-Pläne skeptisch und befürchtet Nachteile der Airlines in Europa gegenüber internationalen Konkurrenten. Die Kommission will allerdings für einige Industriezweige, wie Stahl und Zement, die im internationalen Wettbewerb stehen, eine Art CO2-Steuer an der Außengrenze zum Schutz der Branchen einführen.
Bei den großen Treibhausgas-Verursachern wie Verkehr, Gebäuden, Landwirtschaft und Müll müssen sich die 27 Nationalstaaten um eine Reduzierung kümmern. Österreich soll hier nach Vorstellungen der EU-Kommission einen Zahn zulegen. Hierzulande soll der CO2-Ausstoß in diesen Bereichen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden. Damit liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt von minus 40 Prozent. Bisher waren es für die Alpenrepublik beim sogenannten Effort Sharing (Lastenteilung) minus 36 Prozent.
Green Deal: Das EU-Klimapaket im Detail
1. Strengere CO2-Grenzwerte für Autos
Der Stand der Dinge:
Der Verkehr ist der einzige wichtige Sektor in der EU, in dem in den vergangenen Jahrzehnten kein signifikanter Rückgang der Treibhausgasemissionen verzeichnet wurde. Laut Umweltbundesamt stiegen zum Beispiel in Deutschland die gesamten Kohlendioxid-Emissionen des Pkw-Verkehrs zwischen 1995 und 2019 um 5,1 Prozent an, im Straßengüterverkehr waren sie 2019 sogar um 21 Prozent höher als 1995. Grund ist die deutliche Zunahme an gefahrenen Kilometern - dass Autos und Laster heute im Durchschnitt weniger Treibhausgase emittieren als noch 1995, linderte die Entwicklung lediglich ab.
Bisher gilt, dass der CO2-Ausstoß bei Neuwagen 2030 im Schnitt um 37,5 Prozent niedriger sein muss als 2021. Hersteller, deren Flottenemissionen die Grenzwerte überschreiten, sollen dann eine Abgabe für alle zusätzlichen CO2-Emissionen zahlen.
Was sich ändern soll:
Die EU-Kommission schlägt vor, die Zielvorgabe auf einen Wert von 55 Prozent anzuheben. Zudem sollen alle Neuwagen ab 2035 emissionsfrei sein. Dabei soll es jedoch eine Überprüfungsklausel geben. Demnach soll alle zwei Jahre analysiert werden, wie weit die Hersteller sind; 2028 soll ein großer Prüfbericht folgen. Theoretisch könne das Datum 2035 dann noch verschoben werden.
Mögliche Probleme:
Die Autoindustrie warnt vor einseitigen Auflagen. Der europäische Herstellerverband Acea machte zuletzt deutlich, dass er eine deutliche Verschärfung von CO2-Grenzwerten nur dann für machbar hält, wenn es gleichzeitig verbindliche Vorgaben für mehr Infrastruktur für Elektrofahrzeuge gibt.
2. Weniger Verschmutzungsrechte für die Industrie
Der Stand der Dinge:
Um den Treibhausgasausstoß der EU zu senken, wurde bereits 2005 das sogenannte Emissionshandelssystem (EU-ETS) eingerichtet. Es sieht vor, dass bestimmte Unternehmen für den Ausstoß von Kohlendioxid, Lachgas und perfluorierten Kohlenwasserstoffen Verschmutzungszertifikate brauchen, die sie entweder ersteigern müssen oder kostenlos zugeteilt bekommen. Da die Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikate kontinuierlich sinkt und sie auch im Nachhinein gehandelt werden können, gibt es für Unternehmen einen großen Anreiz, ihre Emissionen soweit wie möglich zu reduzieren.
Derzeit gilt das Emissionshandelssystem für mehr als 10.000 Anlagen im Stromsektor und in der verarbeitenden Industrie sowie die Emissionen durch den innereuropäischen Luftverkehr. Insgesamt deckt es rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU ab. Momentan wird die Obergrenze für die Zahl der Zertifikate jährlich um 2,2 Prozent verringert.
Bei den übrigen großen Treibhausgas-Verursachern wie Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Müll wird auf Lastenteilung gesetzt. Das bedeutet, die nötige Reduzierung der Klimagase in diesen Sektoren wird mit nationalen Zielen unter den 27 EU-Staaten aufgeteilt.
Was sich ändern soll:
Das System soll überarbeitet werden, um es noch effizienter zu machen. Die EU-Kommission schlägt vor, Teile des Seeverkehrs mit einzubeziehen. Zudem soll ein eigenes Emissionshandelssystem für die im Straßenverkehr und zum Heizen von Gebäuden genutzten Brennstoffe geschaffen werden. Darüber hinaus will die Kommission die Menge der verfügbaren Verschmutzungszertifikate schneller verkleinern als geplant. Dadurch soll der Treibhausgasausstoß der vom ETS-Handel erfassten Sektoren um 61 Prozent bis 2030 verglichen mit 2005 sinken. Also 18 Prozentpunkte mehr als zuvor.
Auswirkungen für ärmere Menschen sollen über einen Sozialfonds angegangen werden. Dieser könnte einen Umfang von 144,4 Milliarden Euro haben, so könnten EU-Länder Kommissionsangaben zufolge ihren Bürgerinnen und Bürgern Geld für Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz- und Kühlsysteme und sauberere Mobilität zur Verfügung stellen.
Mögliche Probleme:
Der Druck auf energieintensive Branchen steigt nochmals, wenn die Vorschläge so angenommen werden. Dann wäre fraglich, was dies für Auswirkungen auf deren internationale Wettbewerbsfähigkeit hat. Wenn auch Verkehr und Gebäude von einem Emissionshandelssystem erfasst werden, kann das zu sozialen Ungerechtigkeiten führen. Es gibt EU-weit große Kaufkraft-Unterschiede, die dazu führen würden, dass Verbraucher in Ländern mit niedrigerem Einkommen überdurchschnittlich belastet würden. Das soll zwar durch den Sozialfonds ausgeglichen werden - aber ob das funktioniert, muss sich zeigen. In Ländern wie Frankreich haben etwa die Gelbwestenproteste gezeigt, was eine mögliche Steigerung von Benzin-und Dieselpreisen auslösen kann.
3. CO2-Grenzausgleichsmechanismus
Der Stand der Dinge:
Schon jetzt beklagen Unternehmen, dass sie wegen hoher Kosten für den Klimaschutz auf dem Weltmarkt benachteiligt sind - vor allem dann, wenn sie in direkter Konkurrenz zu Firmen stehen, die keine oder nur vergleichsweise geringe Klimaschutzkosten haben. Durch die neuen EU-Klimagesetze könnte sich die Situation noch einmal verschärfen. Zudem besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihre Produktion aus Kostengründen in andere Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen verlagern. Dies könnte zu einem Verlust von Arbeitsplätzen und einem Anstieg der weltweiten Emissionen führen.
Was sich ändern soll:
Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass vergleichsweise klimaschädlich produzierte Produkte aus Drittstaaten in der EU künftig keine Wettbewerbsvorteile mehr haben. Dazu soll für bestimmte Produkte eine sogenannte CO2-Grenzabgabe eingeführt werden, die sich danach richtet, wie viele Treibhausgase bei der Produktion der Produkte entstehen und ob dafür im Ausland bereits gezahlt wurde. So könnten Waren aus Nicht-EU-Ländern mit weniger strengen Klimaschutzauflagen deutlich teurer werden. Konkret soll ab 2026 CO2 zuerst bei Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium und der Stromerzeugung eingepreist werden.
Mögliche Probleme:
Die Einführung eines sogenannten Grenzausgleichsmechanismus gilt als extrem heikel. Das liegt daran, dass er eventuell nur dann mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO vereinbar ist, wenn Unternehmen in der EU keine kostenlosen Verschmutzungszertifikate mehr bekommen. Dies wiederum bedeutet, dass energieintensive Branchen zwar auf dem heimischen Markt gegen unfaire Konkurrenz geschützt sind, nicht aber auf dem Weltmarkt. Grundsätzlich könnten zudem mit Ländern wie den USA, China und Indien neue Handelskonflikte drohen.
4. Weitere Punkte
Mehr erneuerbare Energien
Derzeit gilt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien spätestens im Jahr 2030 einen Anteil von 32 Prozent erreichen soll. Diese EU-weite verbindliche Zielvorgabe soll auf 40 Prozent angehoben werden.
Mehr Steuern auf Energie
Künftig sollen auch auf im Luftverkehr und in der Schifffahrt genutzte Treibstoffe Energiesteuern fällig werden. Grundsätzlich sollen Energiesteuern zudem auf Basis des Energiegehalts und der Umweltverträglichkeit der Kraft- und Brennstoffe und des elektrischen Stroms erhoben werden. Bisher ging es um das Volumen.
Emissionskompensation
Künftig sollen mehr Emissionen etwa durch Aufforstung kompensiert werden. Geplant ist beispielsweise, drei Milliarden Bäume bis 2030 zu pflanzen. Dadurch soll der Treibhausgasausstoß etwa in der Landwirtschaft ausgeglichen werden. Solange Menschen etwa Käse und Fleisch essen wollen, fallen bei der Produktion Treibhausgase wie Methan durch die Verdauung von Kühen an.