Für und wider CETA - Sechs Argumente der beiden Lager
Die deutschen Sozialdemokraten stimmen grundsätzlich dem Freihandelsabkommen CETA zu. Österreichs Bundeskanzler Christian Kern hält das Handelsabkommen der EU mit Kanada Abkommen für "so nicht umsetzungsreif"

Das umstrittene Handelsabkommen CETA mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement) hat diese Woche mehrere Hürden genommen. Am Montag stimmte die SPD in Deutschland dem umstrittenen Freihandelsabkommen mit Kanada grundsätzlich zu. In Österreich will die SPÖ dem Abkommen aber in der derzeitigen Form nicht zustimmen. Der österreichischen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bezeichnete das Handelsabkommen als "so nicht umsetzungsreif". Er fordert bislang Nachbesserungen beim Investitionsschutz, Arbeitnehmerrechten und öffentlichen Dienstleistungen.
Bei einem informellen Treffen in Bratislava beraten die EU-Handelsminister gemeinsam mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström über eine gemeinsame Zusatzerklärung der EU und Kanada zu CETA. Diese soll vor dem 18. Oktober fertig sein und rechtsverbindliche Klarstellungen bringen. Der Vertrag soll am 27. Oktober unterzeichnet werden. Beraten wird auch darüber, welche Teile von CETA vorläufig, also ohne Zustimmung der nationalen Parlamente, angewendet werden können.
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will sich etwa dafür einsetzen, dass insbesondere der Investitionsschutz von der vorläufigen Anwendung des Abkommens ausgeschlossen wird. Formelle Entscheidungen können hier nicht fallen.
Ein richtiges Loblied auf CETA sang der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. "Es muss allen klar sein, dass mit CETA ein Stand erreicht wird, der weit über alles hinausgeht, was wir je erreicht haben", sagte er. Damit schaffe man erstmals "vernünftige Regeln für die Globalisierung". Erstmals würden damit keine Standards abgesenkt, es führe nicht zu Zwangsprivatisierungen oder sinkenden Verbraucherstandards.
Auch wenn man CETA auch noch verbessern könne, sei das Abkommen ein bedeutender Schritt über die Zusammenarbeit mit Kanada hinaus. Nicht nur sei dies nun der Standard für ein allfälliges künftiges Abkommen mit den USA, sondern auch alle alten Freihandelsabkommen sollten auf diesen Standard aufgewertet werden. "Das ist ein Beispiel wie man den Welthandel nachhaltig gestalten kann".
Auf der Zielgeraden prallen die Argumente von Befürwortern und Gegnern noch einmal aufeinander, vermischt immer mit der Debatte über das noch nicht fertige, aber vergleichbare Abkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) von der EU (28 Mitgliedsländer) sowie weiteren 21 Staaten mit den USA und Kanada siehe Grafik unten.
Hier einige Streitpunkte:
1. WIRTSCHAFTLICHER NUTZEN
PRO: Die EU-Kommission verspricht sich von CETA mehr Wirtschaftswachstum und Exporte. Fast alle Zölle sollen wegfallen, ebenso bürokratische Hürden. Europäische Exporteure sollen so nahezu eine halbe Milliarde Euro sparen. Die Kommission erwartet, dass die Ausfuhren um etwa 12 Mrd. Euro pro Jahr steigen, und rechnet vor, dass mit jeder zusätzlichen Milliarde 14.000 Jobs entstehen könnten.
Die CETA-Gegner befürchten dagegen wegen der wachsenden Konkurrenz massive Jobverluste und verweisen auf Folgen früherer Abkommen. Die jüngste Studie der US-amerikanischen Tufts University in Boston geht von massiven Arbeitsplatzverlusten aus. So sollen alleine in Europa bis zu 200.000 Jobs wergfallen, in Kanada etwa 30.000 und weitere 80.000 Jobs sollen im Rest der Welt wegfallen. Gleichzeitig würden auch die Lohneinkommen bis 2023 in Kanada um durchschnittlich 1.776 Euro und in Europa je nach Land zwischen 316 und 1.331 Euro pro Jahr schrumpfen. Mit den Löhnen würden auch Steuereinnahmen und Bruttoinlandsprodukte sinken. Die Wohlstandsverluste würden sich in Kanada auf 0,96 Prozent und in der EU auf 0,49 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) summieren.
2. AUSHÖHLUNG VON SOZIAL- UND UMWELTSTANDARDS
Die Organisation Attac nennt CETA und TTIP eine Gefahr für europäische Sozial- und Umweltstandards, etwa beim Umgang mit genmanipulierten Lebensmitteln, die in EU-Staaten ausgewiesen werden müssen und mehr Kontrolle unterliegen.
Die EU-Kommission weist dies zurück. US-Firmen und kanadische Unternehmen blieben an EU-Standards gebunden, sollten sie auf hiesigen Märkten aktiv werden. Auch an den EU-Regelungen für genmanipulierte Lebensmittel ändere sich nichts.
3. VORSORGEPRINZIP
Kritiker sehen das in der EU geltende Vorsorgeprinzip bedroht. Es erlaubt Produkte nur, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind. Güter können auch vorsorglich vom Markt genommen werden, wenn verfügbare Daten noch keine umfassende Risikobewertung zulassen. In den USA gilt dagegen das Risikoprinzip und damit eine Umkehr der Beweislast: Aufsichtsbehörden müssen nachweisen, dass von einem Stoff eine Gefahr ausgeht.
Kanada nutzt das Vorsorgeprinzip laut deutschem Wirtschaftsministerium "in vielen Fällen" - was die Berliner Regierung für ausreichend hält. Kritikern sind die Formulierungen in CETA zum Vorsorgeprinzip dagegen zu weich, sie verlangen Klarstellungen.
4. INVESTITIONSSCHUTZ
CETA enthält Regelungen zum Schutz von Investitionen. Zunächst war ein Festhalten am alten System privater Schiedsgerichte vorgesehen. Nun ist beabsichtigt, dass ein öffentlicher Investitionsgerichtshof Streitfälle mit Konzernen löst. Kritiker monieren, auch das sei eine "Paralleljustiz" wie in früheren Abkommen.
Das deutsche Wirtschaftsministerium hält die Klauseln in CETA für einen Fortschritt, lässt aber selbst Skepsis erkennen: "Die Bundesregierung hält spezielle Vorschriften zum Investitionsschutz in Freihandelsabkommen zwischen Staaten mit entwickelten Rechtssystemen weiter für nicht unbedingt erforderlich."
5. VORLÄUFIGE ANWENDUNG
CETA muss nach der Unterzeichnung sowohl vom EU-Parlament als auch von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten beraten werden. Doch schon nach Zustimmung im Europaparlament sollen vorläufig die Teile in Kraft treten, die in EU-Zuständigkeit fallen. Welche Teile dies konkret sind, wird derzeit noch geprüft.
CETA-Kritiker sind gegen die vorläufige Anwendung, weil damit die Rechte des deutschen Bundestags beschnitten würden. Ein Bündnis will das per Eilantrag vom deutschen Bundesverfassungsgericht verhindern lassen.
6. CHANCEN AUF ÄNDERUNGEN
Die SPD will auf Druck interner Kritiker im parlamentarischen Verfahren Nachbesserungen erreichen, etwa durch verbindliche ergänzende Erklärungen. Kanada ist bereit dazu, auch die EU-Kommission, sie schließt Nachverhandlungen am eigentlichen Vertragstext aber aus. Auch möglichen Beschlusses noch nicht Beim deutschen Bundesverfassungsgericht wurden beriets Klagen eingereicht. Am 12. Oktober verhandelt das deutsche Höchstgericht über mehrere Eilanträge gegen das kurz vor der Unterzeichnung stehende Freihandelsabkommen CETA. Österreichs Bundeskanzler Kern Die EU hat einmal mehr erneuert, dass es zu keinen Neuverhandlungen mehr kommen wird.
Die Organisation Foodwatch warnt, rechtsverbindlich seien Korrekturen nur bei Zustimmung aller Beteiligten: Kanada, EU-Mitgliedstaaten und EU-Parlament. Die Organisation dringt daher auf Änderungen am Abkommen vor der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung. Denn Änderungen im Ratifizierungsprozess würden Jahre dauern.

