Finanzausgleich: Bund, Länder und Gemeinden einigen sich
Die Verhandlungen zum Finanzausgleich wurden abgeschlossen. Der Pakt wurde besiegelt. Länder werden über 300 Millionen Euro mehr bekommen. Die Details zur Einigung und der zukünftigen Aufteilung der Steuermittel.

Mit Erleichterung haben die Verhandler von Bund, Ländern und Gemeinden die Einigung auf den neuen Finanzausgleich angenommen. Eineinhalb Jahre nach Beginn der Verhandlungen ist damit die Verteilung der Steuermittel von 1. Jänner 2017 bis Ende 2021 geregelt. Finanzminister Hans Jörg Schelling zeigte sich dabei besonders erfreut, dass der Einstieg in eine Aufgabenorientierung gelungen sei. Die Länder wiederum sind über die 300 Millionen-Gabe beglückt. Ursprünglich hatten Länder und Gemeinden 500 Millionen Euro zusätzlich vom Bund verlangt.
"Das Wunder ist vollbracht", lautete der Kommentar von Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer nach dem Abschluss seiner vierten und laut eigenen Angaben schwierigsten Finanzausgleichsverhandlungen. Bis zuletzt war um die Zusatzforderungen der Länder und Gemeinden gerungen worden und deren Beharrungsvermögen hat sich durchaus gelohnt.
Konkret ist vorgesehen, dass den Bundesländern jedes Jahr 300 Millionen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese zweckgebunden sind. Ein gutes Drittel davon geht an die Gemeinden, besonders bedacht werden strukturschwache Gemeinden. Hinzu kommt noch eine Einmalzahlung von 125 Millionen Euro zur Bewältigung der großen Flüchtlingswelle des Vorjahres.
Von diesen 125 Millionen gehen 37 Millionen an Gemeinden, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Insgesamt bekommen die Kommunen vom 300 Millionen-Brocken 106 Millionen Euro. 60 Millionen fließen hier in einen Fonds für strukturschwache Gemeinden. Schließlich können sich die Kommunen noch über 80 Millionen (über die ganze Periode gerechnet) für die Siedlungswasserwirtschaft freuen.
Valorisierung gibt es beim Pflegefonds
Eine Valorisierung gibt es beim Pflegefonds um 4,5 Prozent, was einen Wert von 110 Millionen bis 2021 entspricht, als Anschub für den Ausbau von Hospiz und Palliativversorgung fließen 18 Millionen Euro. 15 Millionen kostet die Abschaffung des Kinderselbstbehalts in Spitälern.
Was die Aufgabenorientierung angeht, werden die Mittel für Kindergärten ab 2018 kriteriengebunden vergeben. Ab 2019 gilt dasselbe für die Nachmittagsbetreuung an Schulen.
Verländert wird der Wohnbauförderungsbeitrag, deren Zweckbindung wieder eingeführt wurde. Der Wohnbauförderungsbeitrag wird per 1. Jänner 2018 zu einer ausschließlichen Landesabgabe. Hinsichtlich der Tarifhöhe sind die Landesgesetzgeber komplett autonom - es gibt keine bundesgesetzliche Vorgabe einer Ober- oder Untergrenze. Gleichzeitig soll eine bundeseinheitliche Bauordnung etabliert werden. Die technische Vereinheitlichung der Vorschriften soll die Kosten eindämmen. Des Weiteren werden "überhöhte Standards und Normen" insbesondere im sozialen Wohnbau zurückgefahren. Es wird billiger gebaut.
Eine weitere Einigung gibt es bei der Errichtung von Eisenbahnkreuzungen. Hier teilen sich Bund und Länder, rtespektive Gemeinden die Errichtungskosten zu gleichen Teilen. Vereinbart wurden auch noch (bis 2018) Haftungsobergrenzen für die Gebietskörperschaften sowie ein Spekulationsverbot.
Zu guter Letzt wurden noch Kostendämpfungspfade für Gesundheit und Pflege vereinbart. Bei der Gesundheit wird von 3,6 auf 3,2 Prozent bis 2021 abgeschmolzen. Die Mindestsicherung an sich war beim Finanzausgleich direkt kein Thema. Allerdings schwebt über den Ländern weiter das Damoklesschwert, gut 40 Millionen für die Krankenversicherung der Bezieher zu verlieren, wenn es zu keiner neuen Bund/Länder-Vereinbarung kommt. Bestrebungen, dieses Geld schon jetzt sicher zu stellen, waren nicht von Erfolg gekrönt.
Kritische Stimmen
Experten finden für die neue Vereinbarung durchaus kritische Stimmen. Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO etwa hätte sich stärkere Schritte bei Steuerautonomie und Aufgabenorientierung gewünscht. Karoline Mitterer vom KDZ sieht den Pakt "von einem großen Wurf ganz weit entfernt".
Schratzenstaller kritisiert, dass bei den Bereichen Steuerautonomie, Aufgabenorientierung sowie beim Abbau der Transferverflechtungen "nur sehr wenig passiert". Die Chance auf eine grundsätzliche Reform des Finanzausgleichs sei verpasst worden. Positiv sieht sie die Ankündigung, bis Ende 2018 einen neuen Anlauf zu einer Bundesstaatsreform zu unternehmen. "Das ist ein sehr zentraler Reformbereich. Freilich braucht es daneben noch tiefgreifendere Schritte in weiteren zentralen Reformbereichen", so Schratzenstaller.
Für KDZ-Finanzausgleichsexpertin Mitterer enthält der neue Vertrag zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vor allem technische Änderungen. "Es wurden einige Maßnahmen gesetzt, aber keine, die am Gesamtsystem etwas geändert hätten." Aus Mitterers Sicht müsste ein Finanzausgleich neben der Basisfinanzierung auch eine echte Aufgabenorientierung und einen wirksamen Ressourcenausgleich zwischen finanzstarken und schwachen Regionen enthalten. Mit letzteren Punkten habe man sich aber nicht wirklich beschäftigt. Die Aufgabenorientierung bei der Kinderbetreuung betreffe letztlich nur die Verteilung der Mittel auf die Länder, nicht aber auf die einzelnen Gemeinden. Und der Ressourcenausgleich zwischen reichen und finanzschwachen Gemeinden werde künftig überhaupt gänzlich den Ländern überlassen, kritisiert Mitterer.
Finanzausgleich - Die Regeln im Detail
KINDERBETREUUNG Aus dem gesamten Steuerkuchen werden Mittel für die Kinderbetreuung herausgenommen und aufgabenorientiert verteilt. Die Kriterien für die Kindergärten sollen bis September kommenden Jahres stehen, wobei auf Faktoren wie Anzahl der Kinder, Öffnungszeiten, aber auch Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund abgestellt werden soll. Erstmals nach diesen Kriterien Mittel verteilt werden 2018. Bei der Nachmittagsbetreuung an Schulen ist das selbe Prozedere vorgesehen, nur ein Jahr später.
GESUNDHEIT/PFLEGE Für die Bereiche Gesundheit und Pflege wurden Kostendämpfungspfade entwickelt. Bei der Gesundheit soll der jährliche Zuwachs von 3,6 auf 3,2 Prozent bis zum Ende der FAG-Periode abschmelzen. Bei der Pflege darf der Anstieg nicht mehr als 4,6 Prozent ausmachen, wobei weitere Verhandlungen möglich sind, sollte der Wert nicht zu halten sein.
Zudem wird der Pflegefonds mit 350 Mio. Euro weitergeführt und ab 2018 mit 4,5 Prozent valorisiert. Im Bereich Hospiz- und Palliativmedizin werden für den Ausbau von Angeboten jährlich 18 Millionen zur Verfügung gestellt, wobei sich Bund, Länder und Sozialversicherung die Kosten zu je einem Drittel teilen. Abgeschafft wird der Kinder-Selbstbehalt in Spitälern. Die Kosten werden ebenfalls mit einer Drittel-Lösung getragen.
EISENBAHNKREUZUNGEN Für die Errichtung von gesicherten Eisenbahn-Übergängen wird ein Fonds geschaffen, der in den Jahren 2017 bis 2029 jährlich mit 9,6 Millionen gespeist wird. Die Aufwendungen werden zur Hälfte von Bund und Gemeinden getragen.
HAFTUNGEN Vereinbart wurde ein einheitliches Spekulationsverbot für Bund, Länder und Gemeinden, das bis spätestens Ende kommenden Jahres umzusetzen ist. Hinzu kommen neue Haftungsobergrenzen. Für Bund und Länder gilt, dass Haftungen bis zu 175 Prozent der Bemessungsgrundlage (im wesentlichen die Netto-Einnahmen) möglich sind, bei Gemeinden bis zu 75 Prozent.
TRANSPARENZDATENBANK In den Bereichen Umwelt und Energie soll die Transparenzdatenbank befüllt und gemeinsam analysiert werden. Die Einmeldungen beziehen sich auf Daten der Länder ab 2017 und nur aus Pilotbereichen. Die Daten des Bundes liegen ab 2013 vor.
CONTROLLING So genannte "Spending Reviews" sollen dafür sorgen, dass Aufgaben und Ausgaben unter anderem darauf untersucht werden, ob sie zeitgemäß sind und gewünschte Resultate bringen bzw. wo es sinnvolle Ansatzpunkte zu Einsparungen gibt. Etabliert werden soll ferner ein Benchmarking, wo sich die Gebietskörperschaften in allen Aufgabenbereichen vergleichen. Die Ergebnisse sollen veröffentlicht werden.
ZUSÄTZLICHE MITTEL Abseits des normalen Verteilungsschlüssels werden den Ländern und Gemeinden 300 Millionen zur Verfügung gestellt, die sie nach eigenem Gutdünken verwenden können. Davon gehen 106 Millionen an die Kommunen, wovon wiederum rund 60 Millionen in einen Fonds für strukturschwache Gemeinden (z.B. mit starker Abwanderung) gehen. Ferner werden einmalig 125 Millionen zur Bewältigung der besonderen Aufwendungen durch die starke Flüchtlingsbewegung vor allem im Vorjahr zur Verfügung gestellt. 37 Millionen fließen dabei an die Gemeinden, wobei jene profitieren sollen, die auch Quartiere für Asylwerber zur Verfügung gestellt haben. Für die Siedlungswasserwirtschaft werden 80 Millionen locker gemacht.
STEUERAUTONOMIE Der Wohnbauförderungsbeitrag wird mit Wirkung 2018 zu einer ausschließlichen Landesabgabe mit voller Autonomie für die Länder hinsichtlich des Tarifs. Eine Arbeitsgruppe soll sich mit weiteren Möglichkeiten einer stärkeren Autonomie, konkret in den Bereichen Lohn- und Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer und motorbezogene Versicherungssteuer befassen. Geprüft wird die Einhebung der Kommunalsteuer durch die Sozialversicherung. Schließlich soll bis Mitte 2017 eine Arbeitsgruppe "eine Stärkung der Abgabenautonomie der Gemeinden durch eine Reform der Grundsteuer" vorbereiten.