Ex-Familienministerin Sophie Karmasin enthaftet

Nach dreieinhalbwöchiger U-Haft gegen gelindere Mittel ist Sophie Karmasin ab sofort auf freiem Fuß. Das Oberlandesgericht OLG gab einer Haftbeschwerde nun Folge. Ex-Mitarbeiterin Beinschab hat Karmasin neuerlich belastet.

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin enthaftet

Sophie Karmasin ist nach 24 Tagen in Untersuchungshaft nun auf freiem Fuß - gegen strikte Auflagen und Kontaktverbot zu Sebastian Kurz und anderen ÖVP-Freunden.

Wien. Die am 2. März im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre festgenommene und seit 4. März in U-Haft befindliche frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin ist am Montag um 16.20 Uhr enthaftet worden. Wie die APA in Erfahrung brachte, gab das Wiener Oberlandesgericht (OLG) einer Haftbeschwerde Folge, die Karmasins Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm (Kanzlei Kollmann Wolm) gegen den U-Haftbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen eingebracht hatten.

OLG-Sprecher Reinhard Hinger bestätigte der APA diese Entscheidung. Der dringende Tatverdacht und die Haftgründe seien zwar nach wie vor gegeben. Nach dreieinhalbwöchiger U-Haft sei aber nach Ansicht des OLG eine Enthaftung gegen gelindere Mittel möglich, sagte Hinger.

Kontaktverbot zu Kurz, Schmid, Fellner & Co

Karmasin musste unter anderem per Gelöbnis zusichern, bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens keinen Fluchtversuch zu unternehmen oder sich verborgen zu halten und jeglichen Kontakt zu den anderen Beschuldigten in der Inseratenaffäre - Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mehrere Kurz-Vertraute, Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Karmasins ehemalige Mitarbeiterin Sabine Beinschab und die Medienmacher Wolfgang und Helmuth Fellner - und Zeugen zu unterlassen.

Karmasin wurden außerdem Versuche untersagt, "die Ermittlungen zu erschweren", wie Hinger wenig später in einer Pressemitteilung ergänzend erläuterte. Weiters wurde ihr mittels Weisung aufgetragen, an ihrer Adresse wohnen zu bleiben und jeden Wechsel des Aufenthalts anzuzeigen. Sie muss auch ihre Ausbildung zur Psychotherapeutin fortsetzen.

Dringender Tatverdacht

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Karmasin in der ÖVP-Inseratenaffäre wegen Untreue und Bestechlichkeit und daneben wegen Geldwäscherei, Vergehen gegen wettbewerbsbeschränkende Absprachen und schweren Betrugs.

Zu sämtlichen Delikten sei der dringende Tatverdacht weiterhin gegeben und der vom Landesgericht angenommene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr "im Prinzip" zu bejahen, bekräftigte das OLG. Da Karmasin aber durch das Strafverfahren und die Inhaftierung "erhebliche negative Konsequenzen auf beruflicher und sozialer Ebene" zu tragen habe, bestehe kein Risiko, dass ihr in nächster Zeit Geschäfte möglich seien, mit denen strafbare Handlungen verwirklicht würden, begründete das OLG die Enthaftung: "Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass der Eindruck der bisherigen Haft bei der unbescholtenen Beschuldigten zu einem Wohlverhalten führen wird."

"Die Entscheidung des Drei-Richter-Senats des OLG folgt unserer von Beginn an vorgebrachten Argumentation, wonach der von der WKStA und vom Erstgericht herangezogene Haftgrund der Tatbegehungsgefahr im konkreten Fall jedenfalls durch gelindere Mittel substituiert werden kann und letztendlich auch substituiert werden muss", kommentierten Karmasins Rechtsvertreter Norbert Wess und Philipp Wolm am Montagabend die jüngsten Entwicklungen. In einer der APA übermittelten gemeinsamen Stellungnahme verwiesen sie darauf, Karmasin habe die dafür erforderlichen Zusicherungen "bereits von Anfang an gegenüber der WKStA und auch gegenüber dem Erstgericht" abgegeben. Die Enthaftung stelle "für die Mandantin daher eine große Erleichterung" dar.

Der WKStA-Verdacht - Der Tatplan

Die WKStA verdächtigt Karmasin, "Urheberin und maßgebliche Ideengeberin" eines PR-Tools gewesen zu sein, von dem der damalige Außenminister und spätere Bundeskanzler Sebastian Kurz und die ÖVP mittels vom Steuerzahler finanzierten Umfragen profitiert haben sollen. Karmasin stellt das in Abrede. Sie habe "an keinem gemeinsamen 'Tatplan' mitgewirkt", sei zu keinem solchen - von wem auch immer - überredet worden und habe lediglich den Kontakt zwischen dem späteren ÖBAG-Chef und damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und der Meinungsforscherin Sabine Beinschab vermittelt.

Dass sie dieser Vorgaben - wie Beinschab behauptet - für zu veröffentlichende Umfragen gelegt habe, bestritt Karmasin bisher eben so wie einen Deal zwischen dem Finanzministerium, über das die Umfragen abgerechnet wurden, und den Medienmachern Helmuth und Wolfgang Fellner. Es habe auch kein "Package" mit Zusagen für Inseratenaufträge gegeben, sondern nur "übliche Dinge, wonach man Medien gelegentlich mit Exklusivgeschichten versorgt".

Ex-Mitabeiterin Beinschab legt ein Schäuferl nach

Unterdessen legte Beinschab, die ihre einstige Mentorin Karmasin im Oktober erstmals belastet hatte, in der vergangenen Woche mit einer "ergänzenden Stellungnahme" ein Schäuferl nach.

Wie die "Kronen Zeitung" Montagmittag in ihrer Online-Ausgabe berichtete, behauptet Beinschab, Karmasin habe - entgegen derer Darstellung - ihre Tätigkeit als Markt- und Meinungsforscherin bis Dezember 2021 fortgesetzt. Außerdem habe Karmasin sie zur Löschung von Daten "ermahnt" und um Hilfestellung gebeten, weil sie nicht wusste, wie man die automatische Löschung von Nachrichten beim Messenger-Dienst "Signal" aktiviert.

Für Karmasin und Beinschab gilt - eben so wie für Kurz und die weiteren Verdächtigen in der ÖVP-Affäre, darunter mehrere langjährige Kurz-Vertraute, Schmid und die Medienmacher Helmuth und Wolfgang Fellner - die Unschuldsvermutung.

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