Eine Machtdemonstration der Landeshauptleute
Als Erster könnte die hoch verschuldete Steiermark den Exit wählen.
Franz Voves mag das, der steirische SPÖ-Landeshauptmann steht gern im Mittelpunkt. Also war das Landeshauptleutetreffen vergangene Woche eine gute Gelegenheit, den Bundespolitikern wieder einmal publikumswirksam zu demonstrieren, wer in Österreich wirklich das Sagen hat nämlich die Länderchefs. Gleichzeitig konnte Voves als Gastgeber Imagepunkte sammeln. Also genoss der PR-bewusste Steirer die Bühne, welche ihm die Pressekonferenz nach der Klausur mit seinen Kollegen bot und zog wieder einmal seine Reform-Show ab.
Die Landeshauptleute lieferten im repräsentablen Schloss Stainz bei Graz eine gut koordinierte Machtdemonstration gegenüber dem Bund ab. Vereinbart wurde: Die Bundesländer können sich ihre Beiträge zum Stabilitätspakt untereinander ausmachen, solange die Gesamtsumme von 5,2 Milliarden bis 2016 steht. Sogar die Verabschiedung eines Landes aus dem Deal ist damit wegen der umständlichen bis zahnlosen Sanktionsmöglichkeiten in der Praxis möglich, wenn ein Landeschef die Bedingungen partout nicht mehr erfüllen will oder kann. Eine Art Notausstieg, in die Vereinbarung aufgenommen als Lex Kärnten aus Rücksicht auf den dortigen Landeschef Gerhard Dörfler.
Lex Kärnten für die Steirer
Die Ersten, für die ein Abschied aus dem Stabilitätspakt durch das Hintertürchen infrage kommen könnte, sind allerdings Voves Steirer. Auch wenn Bettina Vollath, die als steirische Vorsitzende der Finanzreferentenkonferenz der Länder den Deal mit dem Bund im Detail verhandelt hat, schwört: Im steirischen Reformweg ist der Beitrag, den das Land zum Stabilitätspakt zu leisten hat, bereits eingepreist.
Doch in Wahrheit hängt das Gelingen der von Voves und seinem ÖVP-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer vollmundig angekündigten steirischen Reformen am seidenen Faden. Immer noch steht die Steiermark am Rande eines Finanzdebakels. Von einer Sanierung des Haushaltes kann keine Rede sein.
Abgesehen vom kaum vergleichbaren Wien sowie von Niederösterreich (wo genügend Familiensilber zum Verscherbeln zwecks Schuldenabbau zur Verfügung steht), hat kein Bundesland derart hohe Verbindlichkeiten wie die Steiermark. Und nirgendwo sonst werden 2012 so viel neue Schulden gemacht: Die steirischen Außenstände wachsen heuer um 381 Millionen Euro. Bis Jahresende wird Voves 2,45 Milliarden an Schulden angehäuft haben, knapp 50 Prozent des steirischen Jahresbudgets. Trotz Sparkurs und Reformversprechen.
Dabei liegen einige Budgetbomben mit hoher Sprengkraft noch unentschärft im Vorgarten des Landeshauptmannes: So sitzt das Land auf Haftungen von 4,77 Milliarden Euro. 700 Millionen davon werden 2014 aus der Haftung für eine Anleihe schlagend, die das Land über eine abenteuerliche Konstruktion rund um den Immobilienbesitz seiner Krankenanstalten-Tochter Kages begeben hat. In den steirischen Reformbudgets ist diese Summe nicht eingepreist und keiner weiß südlich des Semmerings, wie das Geld aufzutreiben sein könnte. Wir beraten darüber in den nächsten Monaten, zuckt Vollath ein wenig resignierend mit den Schultern. Man werde wohl den Weg einer rollierenden Außenfinanzierung gehen müssen. Sprich: neue Schulden aufnehmen, um alte abbauen zu können.
Reformzwillinge
Um den Bankrott des Landes abzuwehren, hat das landauf, landab als Reformzwillinge abgefeierte Duo Voves/Schützenhöfer im vergangenen Jahr Strukturreformen, Personalabbau und Verwaltungsvereinfachungen angekündigt. Allein: Tatsächlich passiert ist bisher kaum etwas. Der Landeschef und sein Vize brachten bis jetzt so gut wie keine der viel gepriesenen Reformen auf den Weg.
Im Gegenteil: Die geplante Bezirkszusammenlegung im Südosten der Steiermark droht nicht nur wegen der unglücklichen Namensgebung (Vulkanland) zu scheitern. Viele Gemeinden verweigern ihrem Landeshauptmann beim Wechsel in neue Strukturen schlicht den Gehorsam. Flächendeckend machen Bürgermeister gegen Voves und Schützenhöfer mobil. Otto Marl etwa, wehrhafter SPÖ-Ortschef in Bad Aussee, hat für seinen Parteifreund Voves schon lange kein freundliches Wort mehr: Mit diesen Plänen werden wir uns nie arrangieren, das Land will uns da ein Diktat aufzwingen.
Wie auch immer es mit den Reformen weitergeht spätestens 2014, wenn die Rückzahlung der Kages-Anleihe fällig ist, könnte Voves nichts übrig bleiben, als den eingegangenen Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt ade zu sagen. Sobald die besser bestallten Bundesländer dann nicht mehr für die Steirer einspringen wollen, wäre der Pakt wohl Geschichte.
Der publikumswirksame Schulterschluss der Bundesländer untereinander sowie mit der Finanzministerin ist also hauptsächlich eine PR-Aktion, um den Schein der geschlossenen Linie zu wahren.
Irgendwann könnte den Ländern die Lust vergehen, fürs Sparpaket des Bundes den Gürtel noch enger zu schnallen, als es die eigenen Schuldenstände ohnehin schon vorgeben. Denn finanziell gesund stehen die wenigsten Länder da. Im ebenfalls schwer verschuldeten Niederösterreich etwa wird derzeit Familiensilber zu Barem gemacht, um für die kommende Landtagswahl im März 2013 als schöne Braut dazustehen. Rund 500 Millionen Euro holt sich Landeschef Erwin Pröll heuer aus dem Verkauf von Wohnbaudarlehen und befeuert damit wohl lieber das eigene Budget, als das Geld in den Stabilitätspakt zu zahlen.
Die nächste Machtdemonstration der Länder gegenüber dem Bund läuft gerade an. Diesmal ist Pröll federführend. Dass der Bund den Ländern Transparenz-Richtlinien bei der Parteienfinanzierung vorschreibe, komme nicht infrage, ließ er Vizekanzler Michael Spindelegger ausrichten. Da hat Pröll zwar Diskussionsbedarf mit seinem oberösterreichischen Kollegen Josef Pühringer, der das anders sieht. Aber man darf vermuten: Es wird sich eine Formel finden, die nach außen alle das Gesicht wahren lässt und den Granden der Länder dennoch Freiheiten einräumt.
Klaus Puchleitner
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