Casinolizenzen - Kein Jackpot für den Steuerzahler
Der Steuerzahler ist der Verlierer in dem Spiel. FORMAT zeigt die Details aus dem umstrittenen Vergabebescheid.

Die betuchte, glücksspielaffine Klientel, die sich schon auf die Eröffnung des Casinos im mondänen Palais Schwarzenberg freut, wird sich wohl noch etwas gedulden müssen. Eigentlich war im Projektplan der siegreichen Betreiber, bestehend aus dem Schweizer Stadtcasino Baden und der deutschen Gauselmann-Gruppe, von einem "Soft Opening" am 1. August 2014 (!) die Rede.
Durch die Verzögerung bei der Lizenzvergabe rutschte der Starttermin auf Juli 2015. Und nun wird auch dieser Termin bei Weitem nicht halten. "Wir brauchen zwölf Monate bis zur Inbetriebnahme", erläutert Hubertus Thonhauser, Projektverantwortlicher des "Grand Casino Wien". Beobachter rechnen eher mit zwei bis drei Jahren für den Umbau. Und der kann zudem erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bescheids beginnen.
Und bis dahin kann es noch dauern, denn die Casinos Austria (Casag), nur Zweitplatzierte im Kampf um die lukrative Wiener Casinolizenz, haben angekündigt, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Dieser wurde aufschiebende Wirkung zuerkannt. "Im Worst-Case-Szenario kann das Verfahren etliche Jahre dauern", bestätigt Walter Schwartz, Glücksspielrechtsexperte und Anwalt von Novomatic. Denn gemeinsam mit der Schaffung der neuen Bundesverwaltungsgerichte Anfang dieses Jahres wurde auch die Möglichkeit der Säumnisbeschwerde abgeschafft. Damit haben Betroffene kein Druckmittel gegen das Gericht. Die Verwaltungsrichter können sich mit ihrer Entscheidung theoretisch so lange Zeit lassen, wie sie möchten. Sollten sie außerdem noch zur Erkenntnis gelangen, die Entscheidung wäre von EU-rechtlicher Tragweite, und würden den EuGH einschalten, kämen bis zu drei weitere Jahre hinzu.
"All das nützt nur den Casinos Austria und schadet dem Steuerzahler", resümiert ein Vertreter eines unterlegenen Bewerbers. Denn etliche Millionen an Spielbankenabgabe gingen damit verloren, so wie auch viele neue Arbeitsplätze. Wie aus dem Bescheid des Finanzministeriums zur Lizenzvergabe hervorgeht, der FORMAT vorliegt, wären im Grand Casino Wien 164 Angestellte beschäftigt gewesen, acht Millionen Euro jährlich wären an den Fiskus geflossen.
100 Millionen Euro verspielt. Doch damit hört das kollektive Kopfschütteln über die für den Steuerzahler nachteilige Lizenzvergabe noch lange nicht auf. Man wundert sich, warum das Finanzministerium, anders als das Verkehrsministerium bei der Vergabe der Mobilfunklizenzen, keine Auktion durchgeführt hat.
Dann wäre nämlich viel schneller Geld ins Budget geflossen, nicht erst bei der Eröffnung des Casinos. Insider taxieren allein den Wert der Lizenz für das Casino Wien Süd-West auf 100 Millionen Euro. Immerhin beträgt die Dauer der Konzession 15 Jahre. Auch eine Eröffnungsgarantie für eine bestimmte Zeit wurde den Lizenzwerbern in dem Verfahren nicht abverlangt. Lediglich eine geringe Pönale ist zu zahlen, wenn der in Aussicht gestellte Eröffnungstermin nicht eingehalten werden kann. Statt beim Betreiber liegt das volle Risiko beim Finanzministerium.
Rätselhafte Punktevergabe. Abgesehen von den "Übertragungsfehlern","Darstellungsfehlern" und "Rechenfehlern", die das Finanzministerium mittels Berichtigungsbescheid letzte Woche ungeschehen machen wollte das Finanzministerium mittels Berichtigungsbescheid letzte Woche ungeschehen machen wollte, finden sich noch viele weitere Rätsel oder Unklarheiten in dem 360 Seiten dicken Lizenzbescheid.
So ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum alle vier Standorte in der Rubrik "Infrastruktur" exakt dieselbe Punktezahl (35,6) bekamen, und das, obwohl die Casinos Austria mit einem wenig attraktiven Standort an der Wiener Westausfahrt, noch dazu in der Nähe einer Schule, ins Rennen gingen, die Century Casinos und Gauselmann hingegen mit einer Luxusspielbank in einem sehr attraktiven Rahmen.
Auch nicht ganz klar ist, warum ausgerechnet die Century Casinos, die immerhin sehr strenge Spielerschutzregeln in den USA befolgen müssen, in der Kategorie "Spielerschutz" so weit hinten gereiht sind: nur 51,12 statt der 74,76 Punkte von Casinos Austria. Dazu heißt es im Bescheid: "Die Drittantragstellerin (Century Casinos) legte zwar ein solides Konzept vor, hat allerdings wichtige Teilaspekte nur oberflächlich und schlagwortartig adressiert." Welche das sein könnten, blieb aber offen.
Wie der Bescheid verdeutlicht, hatten die Sieger im Palais Schwarzenberg in den Punkten "Betriebsinterne Aufsicht" und "Entwicklungsmaßnahmen" gegenüber den zweitplatzierten Casinos Austria die Nase vorn. Punkteabzüge in der "Betriebsinternen Aufsicht " der Casag gab es vor allem wegen des Argentinien-Debakels. Auf nicht weniger als drei Seiten werden die Verfehlungen des dortigen Betreibers Enjasa bis ins kleinste Detail aufgelistet: Bußgelder wegen unerlaubter Pokerturniere, wegen Regelwidrigkeiten bei Automaten und wegen Geldwäsche.
Ähnlich penible Prüfungen bei den Konkurrenten seien hingegen ausgeblieben, wird im Casag-Umfeld bemängelt. Stattdessen hebt das Finanzministerium bei der Gauselmann-Gruppe die geplante Einrichtung einer Whistleblower-Hotline als positiv hervor.
Interessant auch das Kapitel "Entwicklungsmaßnahmen", in dem sich Verlierer Casag als "Regionalversorger", quasi als Auffangbecken für den Wegfall des kleinen Glücksspiels, positioniert. Für Marketing wollte die Casag im ersten Jahr 1,2 Millionen Euro locker machen, weitere zehn Millionen Euro jährlich wären in den Folgejahren dazugekommen.
Wertvolle Wien-Punkte. Mit ein Grund, weswegen sich Bürgermeister Michael Häupl so für das Palais Schwarzenberg in die Schlacht geworfen haben dürfte, könnte auch dessen Plan sein, großangelegte Sponsoring-Kooperationen mit dem Theater an der Wien oder dem Life Ball einzugehen. Außerdem, so wird im Bescheid lobend hervorgehoben, werde "eine enge Kooperation mit dem Wien-Tourismus angestrebt".
Auch der von den Betreibern des Casinos im Palais Schwarzenberg in Aussicht gestellte Maskenball Ende Oktober hat es den Leuten im Finanzministerium scheinbar angetan. Doch bis es tatsächlich so weit ist, dürften wohl noch mehrere Jahre vergehen. Bis dahin sieht der Steuerzahler kein Geld.