Burgtheater-Skandal: Minister Ostermayer will Wirtschaftsprüfer klagen
Kunst- und Kulturminister Josef Ostermayer im Interview mit FORMAT-Redakteur Ashwien Sankholkar über die Neuordnung der Bundestheater-Holding, die schlampige Kontrolle am Burgtheater und seinen Kampf gegen Zinshausspekulanten.

Format: Herr Ostermayer, der Skandal im Burgtheater fliegt Ihnen ordentlich um die Ohren. Bereuen Sie, das Kunst- und Kulturministerium übernommen zu haben?
Josef Ostermayer: Nein. Ich übe die Funktion mit Freude aus. Die Arbeit ist nicht leicht oder schwierig, sondern gehört erledigt. Es ist schon richtig, dass es ohne Krise im Burgtheater einfacher gewesen wäre. Doch ich beklage mich nicht.
Zur Erfüllung des kulturpolitischen Auftrags werden Burg- und Akademietheater, Staats- und Volksoper mit 150 Millionen Euro pro Jahr subventioniert. Wofür?
Ostermayer: Der kulturpolitische Auftrag lautet, die Bundestheater im Sinne eines hochklassigen Repertoirebetriebs zu führen. Das ist der Anspruch, den die Bevölkerung stellt, den auch ich stelle. Und natürlich gilt es, schlichtweg mit dem vorhandenen Geld auszukommen. Dafür gibt es grundsätzlich drei Quellen: einerseits Ticketeinnahmen und Sponsoring, andererseits, die von Ihnen angesprochene Basisabgeltung.
Diese Basisabgeltung für vier Bühnen schluckt ein Drittel des Kunst- und Kulturbudgets. Die Filmwirtschaft erhält einen Bruchteil davon, die freien Bühnen fast nichts. Warum wird Kulturpolitik nicht neu definiert und das Geld umverteilt?
Ostermayer: Wir können nicht einfach Tabula rasa machen, den einen wegnehmen und den anderen geben. Wir haben die Gnade aus der Vergangenheit, diese bedeutenden Häuser übernommen zu haben, und müssen dafür sorgen, dass der internationale Standard erhalten bleibt. Weil uns der österreichische Film sehr wichtig ist, wurde die Kinofilmförderung des Bundes von 13 auf 20 Millionen erhöht. Außerdem habe ich ein Gesetz durchgebracht, das den ORF verpflichtet, nicht vier, sondern acht Millionen Euro in österreichische Filmproduktionen zu stecken. Das ist auf meine Initiative zurückzuführen. Und wir arbeiten an einem Gesetz, das die Künstlersozialversicherung verbessern soll. Sie können mir daher nicht zu wenig Einsatz für Künstler vorwerfen.
Die 28 Millionen Euro für den Film wirken im Vergleich zu den 46 Millionen Euro, die das Burgtheater erhält, doch eher mickrig.
Ostermayer: Ich bin nicht bereit, den österreichischen Film gegen Burgtheater, Volks- und Staatsoper ausspielen zu lassen. Mein Ziel ist, dass beides funktioniert und erfolgreich ist. Wir haben seit Jahren die Diskussion, dass bei den großen Veranstaltungen - von Burg bis Festspiele - Sponsoring zurückgegangen und Basisabgeltung gleich geblieben ist, aber die Personalkosten gestiegen sind. Das Dilemma können wir zurzeit nicht lösen. Die wirtschaftliche Lage lässt nicht zu, dass die Republik mehr Geld zur Verfügung stellt. Ich habe es geschafft, dass das Kunst- und Kulturbudget nicht gekürzt wurde. Momentan müssen wir damit auskommen. An der Burg wird es daher weniger Produktionen geben. Karin Bergmann, die das Burgtheater interimistisch leitet, versichert mir, dass sie die hohe Qualität trotzdem halten kann.
Was sagt der Kunstminister eigentlich zum Kunstprojekt "Pizzeria Anarchia?
Ostermayer: Das Kunstprojekt kenne ich nicht, aber die Darstellung in den Medien. Eine Gruppe hat ein Haus erworben, dort Punks angesiedelt, um Altmieter hinauszuekeln. Doch die Punks verbrüdern sich mit den Mietern. Der Hausherr zieht vor Gericht, erreicht eine Exekution. Und am Ende eskaliert das Ganze, weil 1.700 Polizisten das Haus räumen.
Klingt irgendwie nach einem Drehbuch für eine absurde ORF-Komödie?
Ostermayer: Oder ein Drama. Ich verstehe alle Menschen, die meinen, dass die Spekulanten für den Polizeieinsatz zahlen sollen. Ich hatte in meiner Zeit in der Mietervereinigung und später im Büro des Wiener Wohnbaustadtrats oft mit Wohnspekulanten zu tun, die meinten, dass, wenn Mietverhältnisse rechtlich geschützt sind, Mieter terrorisiert werden dürfen, etwa mit Aktionen, die das Wohnen verleiden. Da wurde Buttersäure verwendet oder Lärm gemacht. Für derartigen Terror fehlt mir das Verständnis. Von Wohnspekulanten eine Wiedergutmachung zu holen, halte ich für sehr gerecht.
Immobilienspekulation und Mietpreiserhöhungen gehören leider zum Alltag. Kanzler Werner Faymann, Infrastrukturministerin Doris Bures und Sie waren Mieterschützer. Ist der Zeitpunkt nicht ideal, um Mieteranliegen politisch zu thematisieren?
Ostermayer: Ja, wir drei waren in der Mietervereinigung. Der Kanzler war früher Wohnbaustadtrat, ich in seinem Büro für den Wohnfonds zuständig, also für Ankauf und Entwicklung von Liegenschaften sowie die Abwicklung von Wohnraumsanierungen. Sie sehen, Wohnraumförderung und Schaffung von leistbarem Wohnraum sind Ländersache. Diese gesetzlichen Zuständigkeiten müssen berücksichtigt werden. Eine Zweckbindung von Wohnbaudarlehen wäre sinnvoll, doch auch das ist Ländersache.
Aber Mieterschutz ist Bundessache.
Ostermayer: Genau. Kündigungsschutz oder Mietpreisbegrenzungen sind Bundesangelegenheit. Da setzen wir an. Mit Justizminister Wolfgang Brandstetter habe ich darüber geredet. Er hat einen Arbeitskreis, wo es um das Thema Wohnrecht geht. Er hat mir gesagt, dass auch Mieterschutz behandelt wird.
Wird der Mieterschutz in der Regierung nun vorrangiges Thema werden?
Ostermayer: Der Justizminister wird das Thema zumindest intensiver behandeln. Bei den unterschiedlichen Positionen ist das sicher keine leichte Sache. Brandstetter ist aber ein Minister, der die Begabung hat, Klüfte zu überwinden. Ich werde ihn dabei natürlich gerne unterstützen, wenn er das will.
Zurück zum Burgtheater. Dort versickerte viel Geld durch Misswirtschaft. Welche Schritte haben Sie gesetzt, damit so etwas nicht mehr passieren kann?
Ostermayer:
Ich plane eine Neuordnung des Bundestheater-Konzerns, wo die Kontrollmechanismen offenbar nicht funktionierten. Ich habe diesbezüglich Angebote bei mehreren Organisationsberatern einholen lassen. Die international tätige, auf den Kulturbereich spezialisierte Integrated Consulting Group, kurz ICG, ist daraus als Bestbieter hervorgegangen und wird nun ein Konzept für die Reorganisation der Bundestheater erarbeiten.
Sie wird sich ansehen, wie man die Bühnen organisatorisch effizienter führen kann, und wird internationale Vergleiche heranziehen, "Best Practices erheben. Dass die Holding in ihrer jetzigen Form aufgelöst wird, ist übrigens nicht ausgeschlossen. Auch wenn ich glaube, dass es sinnvoll ist, eine Organisationsstruktur zu finden, die eine zentrale Steuerung erlaubt.
Bis zum Jahresende soll die Analyse der ICG fertig sein. Ich werde mich in diesem Prozess auch intensiv mit Günter Rhomberg, der die Bundestheater-Holding ab September interimistisch führen wird, austauschen. Sollten Gesetzesänderungen notwendig sein, werde ich mit dem Koalitionspartner reden und nach einer breiten Basis für die Umsetzung im Parlament suchen.
Mit der Vergangenheitsbewältigung am Burgtheater sind Staatsanwälte und Steuerprüfer beschäftigt. Das Ministerium hat einen Anwalt eingeschaltet, der auf Basis von Forensikberichten und Rechnungshofberichten über die Bundestheater rechtliche Schritte gegen Verantwortliche prüfen sollte. Was ist dabei rausgekommen?
Ostermayer: Nachdem mir das forensische Gutachten betreffend Silvia Stantejsky (Anm.: die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin des Burgtheaters) vorlag, habe ich am ersten Tag meiner Funktionszeit als Kunst- und Kulturminister den Sektionschef zu mir gebeten, die Sachlage erörtert. Die Sektion hat ein Gutachten bei Rechtsanwalt Thomas Angermair in Auftrag gegeben, das alle straf- und schadenersatzrechtlichen Fragen zu klären hatte. Aufgrund dieses Gutachtens musste ich Matthias Hartmann als Burgtheater-Direktor abberufen. Im Gutachten stand, dass er seine Sorgfaltsverpflichtungen nicht erfüllt hatte. Für Silvia Stantejsky wurde Ähnliches festgestellt. Stantejsky wurde allerdings entlassen, bevor ich Kulturminister wurde.
Bundestheater-Chef Georg Springer ist seit Kurzem in Pension. Im Rechnungshofbericht und im Angermair-Gutachten wird er scharf kritisiert. Er wurde nicht entlassen. Im Vergleich zu Hartmann waren Sie bei Springer kulanter. Warum?
Ostermayer: Davon kann gar keine Rede sein. Ich habe immer gesagt, wenn im Gutachten das Gleiche gestanden wäre wie bei Herrn Hartmann, hätte ich auch bei Herrn Springer entsprechend gehandelt. Doch das war nicht so. Sie können mir glauben, dass es für mich keine erfreuliche Situation war, mich von Herrn Hartmann zu trennen. Doch die Fakten ließen mir keine andere Wahl.
Im Burgtheater haben Kontrollinstanzen versagt. Aufsichtsratsprotokolle belegen, dass der Skandal im Jänner 2012 ruchbar war, aber Aufsichtsräte nicht nachbohrten. Das ist eine eindeutige Fehlleistung, oder?
Ostermayer: Die Verantwortung der Aufsichtsräte wurde von Rechtsanwalt Angermair ebenfalls geprüft. Dem Ergebnis will ich nicht vorgreifen, doch nach meinem bisherigen Wissensstand sind die Aufsichtsräte ihrer Pflicht immer nachgekommen. Wenn wir davon ausgehen müssen, dass sich Aufsichtsräte nicht mehr auf uneingeschränkte Bestätigungsvermerke verlassen können, dann werden wir uns allerdings schwer tun, künftig Aufsichtsräte zu finden.
Die Lektüre der Sitzungsprotokolle hinterlässt den Eindruck, dass bei entscheidenden Themen kaum nachgefragt wurde.
Ostermayer: Die Wirtschaftsprüfer haben die Aufsichtsräte in Sicherheit gewogen. Wenn ein Wirtschaftsprüfer bei Nachfrage bestätigt, dass interne Kontrollsysteme einwandfrei funktionieren und Bilanzierungsmethoden in Ordnung sind, dann liegt die Schuld nicht beim Aufsichtsrat. Es wurden auch uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt.
Wenn die Aufsichtsräte korrekt agiert haben, wem ist das Kontrollversagen an der Burg eigentlich vorzuwerfen?
Ostermayer: Ich bin nicht der Forensiker der Vergangenheit. Meine Aufgabe ist, zu schauen, dass Schäden wieder gutgemacht und strukturelle Mängel beseitigt werden. Der Rest ist Aufgabe der Justiz. Die Verantwortung der Wirtschaftsprüfer habe ich juristisch untersuchen lassen.
Was ist das Ergebnis der Untersuchung?
Ostermayer: Wir haben eine Klage gegen PwC eingebracht. Ehrlich gesagt, es hat doch einen Zweck, dass Wirtschaftsprüfer eingeschaltet werden. Die Unternehmensführung, der Aufsichtsrat und die Eigentümer müssen sich auf Testate verlassen können. Ich kann doch nicht vom Aufsichtsrat erwarten, dass er sich jeden einzelnen Beleg anschaut. Das ist nicht seine Aufgabe. Darum klagt die Bundestheater-Holding jetzt auch den Wirtschaftsprüfer PwC.
Die Republik klagt eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Das gab es noch nie. Wollen Sie damit ein Zeichen setzen?
Ostermayer: Fälle wie das Burgtheater werden dazu führen, dass Wirtschaftsprüfer noch sorgfältiger arbeiten und Aufsichtsräte noch eine Frage zusätzlich stellen. Ich glaube, dass es eine Selbstreinigungskraft von Systemen an sich gibt. Doch manchmal muss man nachhelfen.
Zur Person.
Josef Ostermayer,
53, ist seit Ende 2013 Kanzleramtsminister für Beamte, Kunst, Kultur und Medien. Die Karriere begann 1987 in der Mietervereinigung. Seither ist er Werner Faymanns rechte Hand: zuerst im Büro des Wiener Wohnbaustadtrats (1994), dann als Kabinettschef des Infrastrukturministers (2007) und später als Medienstaatssekretär des Kanzlers (2008-13). Ostermayer ist verheiratet und hat zwei Kinder.