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Die burgenländische Geheimmission [Politik Backstage]

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Die burgenländische Geheimmission [Politik Backstage]
Am Steuerrad. Hans Peter Doskozil wurde seinerzeit bei seinen Ambitionen auf den SPÖ-Vorsitz von Christian Kern ausgetrickst.©Uta Rojsek-Wiedergut
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Im Kampf um die SPÖ-Spitze werden nun „Dirty Stories“ ausgegraben: Wie Pamela Rendi-Wagner 2021 über Nacht ihre Abneigung gegen die Kickl-FPÖ vergaß. Wie Hans Peter Doskozil 2018 Sebastian Kurz zu einem fliegenden Wechsel zu Schwarz-Rot ködern wollte.

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Es ist dieser Tage die meistgestellte Frage im Parlament bei Politveranstaltungen am Rande von Mediengesprächen: Wer macht in der SPÖ das Rennen bei der Mitglieder-Kür?

Die Antworten fallen so unterschiedlich wie das Kandidat:innen-Feld aus. Zunehmend nur noch Außenseiterchancen werden derzeit der amtierenden Vorsitzenden eingeräumt. Als Jolly Joker hält sich nach wie vor der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler gut. Unter SPÖ-Abgeordneten, denen Pamela Rendi-Wagner auch als Klubobfrau vorsteht, fällt sehr oft der Name Hans Peter Doskozil.

Gelaufen ist das Rennen noch für niemanden, das ist der übereinstimmende Tenor quer durch alle Lager.

Nach Ostern wird der bereits eröffnete parteiinterne Wahlkampf an Fahrt gewinnen. Seit Tagen wird in Archiven gegraben und gebrainstormt, was wem bei den roten Parteimitgliedern, die überwiegend jenseits der 60 Jahre sind, am meisten nützen oder schaden könnte.

Rendi-Wagners Koalitions-Flirt mit Kickl

Da tauchen auch Hidden Stories auf, die bisher nur unter vier Augen die Runde machten. Hans Peter Doskozil etwa hat mit der Fama zu kämpfen, unter seiner SPÖ-Führung würden in Wahrheit nicht die Weichen Richtung Ampel, sondern Richtung Rot-Blau gestellt. Doskozil bringt dagegen nun eine Trumpfkarte ins Spiel, die zugleich auch die Glaubwürdigkeit des strikten „Nein zur FPÖ“ von Pamela Rendi-Wagner untergraben soll. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz im Dezember 2021 war es nicht unwahrscheinlich, dass damit auch Schwarz-Grün platzen könnte.

Eine unpopuläre Neuwahl mitten in einer Pandemie vom Zaun zu brechen, wollte niemand riskieren. Zwischen Rot, Grün, Pink und Blau gab es so intensive Verhandlungen, die gemeinsame Mehrheit im Parlament für ein Regierungsbündnis ohne ÖVP zu nützen. Sprich: Die rote Parteichefin Rendi-Wagner war entgegen aller Lippenbekenntnisse bereit, mit dem unberührbaren Blauen Herbert Kickl zu kooperieren.

Doskozils Koalitionsplanspiele mit Kurz

In politischen Zirkeln macht dieser Tage auch eine Geschichte die Runde, die Hans Peter Doskozil nachträglich wohl nicht an die große Glocke hängen würde. Sie wird herumgereicht, um aus Sicht der Absender zweierlei zu belegen: Hans Peter Doskozil verfolgt seit zumindest fünf Jahren den Plan, die SPÖ-Spitze zu übernehmen und eine tragende Rolle in der Regierung zu spielen. Und, zweitens, bei der Wahl seiner Partner und Mittel sei der burgenländische Rote nicht wählerisch.

Die jüngste dafür als Beleg herumgereichte und mehrfach verbürgte Begebenheit spielt im Machtdreieck zwischen Türkis, Blau und Rot und beginnt so: Im März 2018 startet der damalige burgenländische Landesrat Hans Peter Doskozil, offensiv seine Fühler Richtung Bundes-ÖVP auszustrecken. Er erkundigte sich bei schwarz-türkisen Vertrauten, ob es Sinn machen könnte, dem eben erst zu Kanzlerwürden von blauen Gnaden gekürten türkisen Parteichef Sebastian Kurz ein Angebot schmackhaft zu machen: ein fliegender Wechsel von Türkis-Blau zu Türkis-Rot. Unter dem Motto: Das sei am Ende nicht nur im Interesse einer gedeihlicheren politischen Entwicklung des Landes, sondern auch für die nach wie vor staatstragende Partei ÖVP besser.

Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Wie kam der burgenländische Landesrat überhaupt dazu, sich als Matchmaker eines türkis-roten Bündnisses anbieten zu wollen? Dazu bedarf es einer kurzen Rückblende auf ein anderes rot-blaues Techtelmechtel.

Rot-blaue Koalitions-Planspiele

Christian Kern war in seinen ersten und einzigen Wahlkampf 2017 mit zwei roten Atouts gezogen, die mit ihm auch auf Plakaten gemeinsam posierten: den damaligen Ministern Pamela Rendi-Wagner (Gesundheit) und Hans Peter Doskozil (Verteidigung).

Parteiinsider wussten: Kern hatte Monate vor der Wahl bei diskreten Abendessen mit Heinz Christian Strache im Hause des Milliardärs Martin Schlaff die Fühler für eine mögliche rot-blaue Koalition ausgestreckt. Kern wäre so Kanzler geblieben und der von Kern verachtete türkise Jungstar kaltgestellt.

Christian Kern hatte im Herbst 2017 das Wahlduell gegen Sebastian Kurz zwar krachend verloren. Rot-Blau wäre sich rein rechnerisch mit 103 Mandaten aber noch halbwegs bequem ausgegangen, hing politisch aber nicht mehr am Christbaum.

Kurz kam einem möglichen rot-blauen Bündnis mit der Weichenstellung für Türkis-Blau zuvor. Die innerparteilichen Wünsche, es doch eher mit Rot zu versuchen, konnte Kurz leicht ins Leere laufen lassen: Nach dem SPÖ-Wahlkampf gab es zwischen Kurz und Christian Kern verbrannte Erde.

Kurz’ unterschätzte SPÖ-Allergie

Die burgenländische Geheimmission „Kurz-Dosko statt Kurz-Strache“ verlief aus mehreren Gründen im Sand. Doskozil unterschätzte, dass Kurz nicht nur wegen Kern die SPÖ links liegen ließ. Kurz ist seit seinen Tagen als Wiener Junggemeinderat auf Sozialdemokraten generell allergisch.

Beim bloßen Planspiel blieb es 2018 auch in der SPÖ: Doskozil wurde im SPÖ-Nachfolgespiel von Christian Kern gnadenlos ausgetrickst. Als im Burgenland die Nachfolgefrage an der SPÖ- und Landesspitze anstand, suchte Doskozil das Gespräch mit Kern. Angesagt war Klartext: Geht Kern tatsächlich bald ab oder wolle er die größte Oppositionspartei doch weiterhin führen? Als Kern überraschenderweise bejahte, war für den ehrgeizigen Ex-Verteidigungsminister die Entscheidung klar: lieber Landesfürst in Eisenstadt statt Dauer-Anwärter auf den SPÖ-Chef-Sessel in Wien.

Zehn Tage nach der Installation von Hans Peter Doskozil als Nachfolger von Hans Niessl im Burgenland warf Christian Kern in Wien seine Politjobs hin. Dem einzigen potenten Konkurrenten hat er den Weg abgeschnitten und installiert handstreichartig seine damals enge Vertraute Pamela Rendi-Wagner an der SPÖ-Spitze.

Die Planspiele Hans Peter Doskozils, mit einem Angebot für Schwarz-Rot unter seiner Führung die Blauen aus der Regierung rauszukicken, hatten sich wegen mangelnder Aussicht auf die Führung im eigenen Lager damit endgültig zerschlagen. Fakt ist, dass er zu Kurz während dessen Kanzlerzeit weiterhin regelmäßig Kontakt hielt. Besonders intensiv, solange Christian Kern noch SPÖ-Chef war und den türkisen Parteichef und den roten Möchtegern-Parteichef auch ein gemeinsames Feindbild verband.

Im Lager von Kurz kann man sich abseits dessen freilich heute nicht erinnern, ein derart offenes Angebot für einen fliegenden Wechsel erhalten zu haben. Heute bilden Doskozil und Kern dank des gemeinsamen Feindbilds Rendi-Wagner wieder eine Achse.

Nackter Egotrip oder rettende Strategie

Im SPÖ-internen Wahlkampf um die Parteispitze könnte das bei ÖVP-Spitzenleuten deponierte Planspiel von Hans Peter Doskozil mit einem fliegenden Wechsel zu Kurz noch für die Debatten sorgen: War das kalter Machiavellismus in eigener Sache? Oder vorausschauende Politik im Sinne der SPÖ und der konsensorientierten Lager im Lande? Gespeist aus der damals dominierenden Aussicht: Dank des Kurz-Hypes seien noch viele Jahre Türkis-Blau zu erwarten – trotz jeder Menge zerschlagenen Porzellans durch das unerfahrene und bunt zusammengewürfelte FPÖ-Personal in Staats- und Regierungsämtern. Denn Ibiza 2018 stand damals auch bei den Blauen noch allein für eine beliebte Partyinsel.

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