Asylstreit und die Flucht nach vorne
Das aktuelle Drama um die syrischen Flüchtlinge aus anderer Perspektive: FORMAT sprach mit Asylwerbern, die schon vor Jahren gekommen sind, die sich durchgebissen haben und erfolgreiche Unternehmer oder Chefs wurden.
Vergangene Woche verlor Ali Mahlodji den Glauben an seine Heimat. "Ich liebe Wien. Es ist die schönste Stadt der Welt. Aber das war das erste Mal, dass ich mich offen für meine Mitbürger geschämt habe“, sagt der 33-Jährige.
FPÖ-Sympathisanten hatten Flüchtlinge in Erdberg mit ablehnenden Botschaften begrüßt. "Menschen, die aus dem Krieg geflohen sind, die Todesängste durchstanden haben, solche Schilder ins Gesicht zu halten, ist abscheulich. Diese Leute haben keine Ahnung, wie es ist, einen gewaltsamen Tod zu fürchten, sein Zuhause und seine Familie verlassen zu müssen.
Mahlodji selbst kam als Zweijähriger nach Österreich. Seine Eltern lehnten sich gegen den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini auf und mussten das Land über Nacht verlassen. Sie standen auf der schwarzen Liste, wären wie Tausende andere in Geheimgefängnissen verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Familie Mahlodji gelang die Flucht.
Adiam Emnay wurde in Eritrea geboren, sie sah ihre Mutter neun Jahre lang nicht. Sie kam Mitte der 90er-Jahre nach Wien, kämpfte sich durch die Schule und das Studium und hätte es ohne Freunde nicht geschafft. Heute leitet sie erfolgreich das Unternehmen dubaruba.com.
Die harte Tour
Khahled Khoshdel hat Europa von einer anderen Seite kennengelernt. Er wurde in Kabul geboren und wuchs in den Wirren des sowjetisch-afghanischen Krieges auf. "Doch nie zuvor wurde die Stadt so schwer zerstört als in den Jahren, nachdem die Russen abgezogen waren“, erzählt der 39-Jährige. Er sitzt in seinem Restaurant, "Noosh“, in der Wiener Zieglergasse, nippt an seinem Bier und lässt die Erinnerungen an sich heran: Damals in den frühen 90er-Jahren rangen die prorussische Regierung und die von den USA aufgerüsteten Mudschaheddin um die Vorherrschaft in Afghanistan. Beide Parteien waren von den Großmächten mit modernsten Waffen ausgestattet und legten die Hauptstadt in Schutt und Asche.
Khoshdel verlor viele Familienmitglieder durch die Bombardements und die Razzien der Geheimpolizei, die mit Systemgegnern kurzen Prozess machte
Die Geschichten, von denen sie in FORMAT Nr. 24/2015 noch einige mehr lesen können, ähneln einander. Sie erzählen von staatlicher Willkür, Verfolgung und Tod als ständigem Begleiter. Und dennoch: Aktuell geht ein Spalt durch das ganze Land. Das Innenministerium hat Schwierigkeiten, einige Tausend Flüchtlinge aus Syrien in angebrachten Quartieren unterzubringen. Österreich meisterte in der Vergangenheit große Flüchtlingswellen (siehe Kasten unten).
Mut und Risikobereitschaft
Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers legt nahe, dass der Mut, zu gründen, und die Risikobereitschaft unter Migranten ungleich höher sind als bei einheimischen Mitteleuropäern. Wer einmal vor dem Abgrund stand, seine Heimat verlassen musste, schätzt die Fallhöhe bei einem Scheitern niedriger ein.
Viele kamen, nur wenige blieben
Die Politik bemüht zur Erklärung der Asylkrise meist die steigenden Antragszahlen. Doch der Blick in die Vergangenheit zeigt: Österreich hat bereits öfters deutlich mehr Flüchtlinge untergebracht als heute - der Höhepunkt waren die 180.000 Ungarnflüchtlinge Mitte der 50er-Jahre.
Der Unterschied: Damals blieben deutlich weniger Menschen langfristig im Land. Auch heute sind die tatsächlichen Asylzahlen allerdings überschaubar: Zwischen 2001 und 2013 hat Österreich rund 44.600 Anträge bewilligt - einen einzigen pro 190 Einwohner.

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