8. März: 100 Jahre Frauentag und noch immer keine Gleichberechtigung

Heute, am 8. März jährt sich der Frauentag bereits zum 100. Mal: FORMAT-Redakteurin Martina Madner klärt gemeinsam mit vier „Betroffenen“, warum Frauen noch immer nicht das verdienen, was sie verdienen sollten.

Eigentlich sagt einem ja der gesunde Hausverstand, dass die Wirtschaft nicht auf die Talente von 50 Prozent der Gesellschaft verzichten kann. Ich war deshalb selbst lange Zeit der Ansicht, dass es ohne Quoten geht“, gesteht Regina Prehofer ein. Die Mittfünfzigerin war viele Jahre im Topmanagement von heimischen Großbanken tätig, zuletzt als Vorstandsdirektorin der Bawag P.S.K. AG. Immer wieder war sie bei ihrem Aufstieg die erste Frau, und Prehofers Chefs und Kollegen waren stolz darauf, dass ihre Unternehmen Vorreiter in Sachen Frauenbeteiligung waren. Oft blieb sie allerdings die einzige unter Männern.

Heute, als designierte WU-Vizerektorin, ist Prehofer sich nicht mehr sicher, ob man beim Thema Gleichberechtigung allein auf Freiwilligkeit setzen kann: „Es dauert mir schon viel zu lange, ich bin generell ein ungeduldiger Mensch. Offenbar muss die Politik mit Gesetzen nachhelfen, damit Frauen ihren Talenten entsprechende Positionen in der Wirtschaft erlangen.“

Jährlich grüßt das Murmeltier

Schon vor 100 Jahren, am 19. März 1911, gingen mehr als 20.000 Frauen und Männer auf die Straße und demonstrierten auf der Wiener Ringstraße für die Einführung des Frauenwahlrechts, für bessere Arbeitsbedingungen von Frauen, gleiche Löhne und einen besseren Mutter- und Kindesschutz. Und genau 100 Jahre später, am 19. März 2011, ist es wieder so weit: Die Plattform „20000frauen“ ruft zur Demonstration am Wiener Schwarzenbergplatz um 14 Uhr und sagt: „AUS! Aktion Umsetzung. Sofort.“ Denn Frauen dürfen heute zwar wählen und haben per Gesetz die gleichen Rechte. Aber: Bei der Gleichberechtigung im Arbeits- wie Familienleben herrscht nach den großen Familienrechtsreformen in den 70er-Jahren wieder Stillstand.

Obwohl Jahr für Jahr um den Internationalen Frauentag am 8. März „offiziell“ auf das nach wie vor säumig Gebliebene hingewiesen wird und es manche (Männer) noch immer nicht wahrhaben wollen: Frauen sind heute gut ausgebildet, teils sogar besser als Männer. Das Lernen lohnt sich für sie aber weniger. Der Frauenanteil bei Geschäftsführern ist in Österreich im Vergleich zum letzten Jahr nicht gestiegen, sondern sogar leicht gesunken. Die Einkommensschere zwischen Frauen- und Männerstundenlöhnen klafft – selbst um alle verzerrenden Faktoren bereinigt – seit einem Jahrzehnt unverändert um 18 Prozent auseinander. Frauen sind zwar häufiger erwerbstätig als früher, schlecht bezahlte Teilzeitjobs gibt es aber immer mehr. Und Familienarbeit ist weiblich: Nicht einmal fünf Prozent aller Kindergeldbezieher sind männlich. Von halbe-halbe ist keine Rede, zwei Drittel der Haus- und Kindererziehungsarbeit werden von Frauen erledigt. Da hilft es wenig, wenn sich so mancher Mann heute rühmt, mit den Kindern Hausaufgaben zu machen. Von Gleichberechtigung in allen Lebenslagen kann nicht die Rede sein. Das schadet nicht nur den Frauen selbst, sondern auch der Volkswirtschaft und den Unternehmen. Und die Politik bringt nur langsam Gesetze auf den Weg, die Frauen in ihrem Kampf um mehr Gleichberechtigung stützen.

Politische Testballons

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) lässt sich nun auf einen ersten Schritt in Richtung Frauenquote ein und kommt damit den wiederholten Forderungen von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) entgegen. Eine Frauenquote von 25 Prozent in Aufsichtsräten soll vorerst aber nur Unternehmen, an denen der Bund mehr als 50 Prozent hält, treffen. Mitterlehner wird von den Medien gefeiert, aber Heinisch-Hosek will nach wie vor eine (letztlich höhere) Quote auch in privaten Firmen. Schließlich hat die gesetzlich verpflichtende Quote in Norwegen gezeigt, dass 40 Prozent Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten möglich sind und die Firmen nicht in den Ruin trieben.

Ein zweiter politischer Schritt ist die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes: Unternehmen müssen bis Juli nun anonymisierte Berichte mit Frauen- und Männereinkommen vorlegen. Das soll Frauen ungleiche Bezahlung transparent vor Augen führen und die Forderung nach Gehaltserhöhungen erleichtern. Vorerst sind aber nur große Firmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern betroffen, erst schrittweise werden mittelgroße in die Pflicht genommen. Frauen, die in „kleinen“ Firmen mit weniger als 150 Mitarbeitern arbeiten, bleiben weiterhin auf informelle Infos, also den Goodwill von Betriebsräten oder Kollegen, die offen über ihr Einkommen reden, angewiesen. Und gegen ein Senioritätsprinzip in der Entlohnung, das Menschen ohne Berufsunterbrechungen bevorzugt, kann Transparenz sowieso nichts ausrichten.

Qual der Wahl

Klar: Es gibt sie, die Frauen, die freiwillig auf Erwerbsarbeit verzichten. Die Skirennläuferin Renate Götschl widmet sich nach 17 Jahren im Sport nun ganz bewusst fast ausschließlich der Familie. Ihre einjährige Tochter Lena-Sophie bekommt im Juli ein Geschwisterchen. Und Götschl genießt das neue Leben mit Kind ohne den Druck täglicher Trainings: „Das ist aber nur möglich, weil ich mir durch die sportlichen Erfolge eine finanzielle Unabhängigkeit geschaffen habe.“ Und klar: Es gibt sie, die engagierten Papas. Es ist heute sogar schick, wenn Mann sich ums Baby oder ums Kleinkind kümmert. Männer ernten vor allem von Frauen lobende Blicke, wenn sie den Kinderwagen durch die Straßen schieben. „Vor dreißig Jahren war das noch anders“, meint die Alleinerzieherin Brigitte Hirschegger. Für die Mutter von vier Kindern ist es positiv, dass der heutige Nachwuchs immer öfter auch den sich einbringenden Familienvater als Vorbild erlebt. Von vollständiger Gleichberechtigung in der Familie will aber auch sie nicht sprechen: „Es bewegt sich etwas, aber nur langsam.“

Tatsächlich ist die in konservativen Kreisen so oft beschworene Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie oft keine freiwillige, sondern eine finanzielle Notwendigkeit: Frauen verdienen weniger. Der Einkommensverlust in der jungen Familie ist deshalb kleiner, wenn sie in Karenz gehen. Die Krux an der Sache ist nur: Eine Babypause zieht bei Frauen häufig ein niedrigeres Einkommen, Teilzeitarbeit und stark verringerte Aufstiegschancen nach sich. Anders bei Männern: Sie finden nach der Auszeit mit den Kindern meistens ihr ganzes Jobprofil wieder, steigen Vollzeit in den Beruf ein und verdienen mehr als zuvor. Das belegt eine Studie von L & R Sozialforschung – trotzdem gehen nur wenige Väter in Karenz. Daran hat auch die Variante des einkommensabhängigen Karenzgelds kaum etwas verändert. Von einer gesellschaftlichen Normalität der gleichen Pflichten in Familien für Väter und Mütter kann man also nicht sprechen.

Männliche Unternehmensphilosophie

Das ist auch in Unternehmen bekannt – wird den Frauen aber anders als früher nicht mehr nur als Karrierehemmschuh gleich bei der Einstellung angekreidet. Im Gegenteil: Familienfreundlichkeit ist als Corporate Social Responsibility, also soziale Verantwortung, in Mode. Das kommt in der Öffentlichkeit gut an. Daneben gibt es sie aber, die „echte“, ernst gemeinte Frauenförderung. Zum Beispiel in Form von Betriebskindergärten, die Vereinbarkeit fördern – bei Siemens, bei T-Mobile, bei der Wiener Städtischen sogar schon seit 1974. Oder auch in Form von Trainings und Teleworking wie zum Beispiel bei Microsoft Österreich. Das Karenzmanagement im Unternehmen, das Frauen schneller wieder an den Arbeitsplatz zurückführt, läuft bereits im fünften Jahr. Letztlich zeigt sich, dass vor allem Firmen, die bereits einen Mangel bei Fachkräften verspüren – und den gibt es insbesondere in der Technik –, nicht mehr auf Frauen verzichten wollen.

Selbst in kleineren, familiärer geführten Unternehmen ist Vereinbarkeit möglich. Valerie Pichler-Rückert ist Direktorin des Kollegs für Sozialpädagogik Wien und arbeitet als Mutter von drei Kindern in dieser Position in 30 Stunden Teilzeit. Das verlangt nicht nur ihr, sondern auch dem Unternehmen Flexibilität ab: „Ich kann weg, wenn ein Kind krank wird, auch mal zuhause arbeiten, bin da aber natürlich in einer privilegierten Situation.“ Die Norm ist das nicht, meint die 33-Jährige: „Normalerweise gelangen Frauen nur dann in Top-Positionen, wenn sie sich den männlichen Regeln im Arbeitsleben anpassen.“ Das heißt dann 60 Arbeitsstunden und mehr pro Woche, wobei permanente Anwesenheit am Arbeitsplatz vorausgesetzt wird. Dazu Abend- und Wochenendtermine, rund um die Uhr Verfügbarkeit am Handy – das schadet auch der männlichen Work-Life-Balance.

Trotzdem wird das als angebliche Notwendigkeit für den beruflichen Aufstieg von Männern wie Frauen gesehen. Doppelbelastungen durch Beruf und Familie bleiben Privatsache. Die Politik kümmert sich darum nach wie vor zu wenig, eine generelle Arbeitszeitverkürzung oder ein Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze würde da helfen. Das sind aber nur zwei Baustellen von vielen, auf die Frauen und Männer an den noch folgenden Frauentagen hinweisen können.

– Martina Madner
Mitarbeit: Markus Pühringer

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