Experte: Wirtschaftsabkommen mit Afrika "diplomatisches Desaster"
Wien (APA) - Im Vorfeld der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft haben Experten die Beziehungen zwischen der EU und Afrika unter die Lupe genommen. Die EU-Wirtschaftsabkommen mit Afrika seien ein "gut gemeintes diplomatisches Desaster", kritisierte Geert Laporte, Vizepräsident des European Centre for Development Policy Management (ECDPM) bei der Veranstaltung im Kreisky Forum am Dienstagabend in Wien.
Bisherige Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPAs bzw. Economic Partnership Agreement, EPA) hätten "viel Schaden angerichtet, sie haben die Beziehungen zwischen Europa und Afrika verschlechtert", so Laporte bei der Diskussion zum Thema "Mehr vom Gleichen ist nicht gut genug". Auch das Cotonou-Abkommen - der übergreifende Rahmen für die Beziehungen zwischen Europa und den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP) - klinge nur "am Papier gut". So habe das Abkommen, das 2000 in der Hauptstadt von Benin verabschiedet wurde und das 2020 ausläuft, nur zur "Machtasymmetrie und zur Schwächung der afrikanischen Zivilgesellschaft" geführt.
"Europa und Afrika führen nach wie vor eine Geber-Nehmer-Beziehung. Die EU investiert viel in Hilfsprojekte und dieses Geld landet oft in den Händen der afrikanischen Eliten", gab der Experte zu bedenken.
Die Doppelstandards
Nach Laportes Ansicht wendet die EU in Afrika Doppelstandards an. Mit manchen afrikanischen Regimen gehe sie zu sanft um, weil diese Länder strategisch wichtig für Europa seien. Daher sei es verständlich, dass viele afrikanische Staaten die europäische Wertevermittlung ablehnen. "In vielen afrikanischen Institutionen herrscht bereits der Wille nach Autonomie. Allerdings kann nur Afrika diese Machtasymmetrie beenden. Die Europäer werden ihre Macht nicht einfach so aufgeben," betonte Laporte.
"Wir wollen gleichwertige Partnerschaften mit anderen Ländern und Kontinenten schaffen", sagte Simone Knapp, Leiterin der Abteilung Bilaterale und regionale Planungs- und Programmangelegenheiten im Außenministerium in Wien. Die Beziehung zu Afrika seien momentan nicht ausgeglichen. "Wir müssen unsere Interessen und unsere Art der Verhandlung überdenken", forderte Knapp. Auch dürfe man die Vielfalt der Interessen in den afrikanischen Staaten nicht außer Acht lassen. So sei es für Europa schwer, die "Interessen der Institutionen von Interessen der Zivilgesellschaft zu unterscheiden". Europa müsse auf Innovation setzen und sich fragen müssen: "Was erwarten Afrikaner von uns? Etwas anderes als von China?"
Auf die Frage, was sich Afrika von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft erwartet, antwortete Youssouf Simbo Diakite, Gründer des Vereins Afrikanischer Studierender (VAS) in Österreich, mit der Gegenfrage: "Will Afrika überhaupt etwas von der EU und von China?" Denn eigentlich müsse Afrika mehr Unabhängigkeit vom europäischen Markt erlangen. "Wir brauchen eine Diskussion auf Augenhöhe und den Ausstieg aus dem Cotonou-Abkommen", meinte Diakite. "Wir müssten uns zusammensetzen und auch über Europa und seine Themen diskutieren. Vielleicht kann auch die afrikanische Seite interessante Standpunkte in die Diskussion einbringen", so der 33-Jährige.
"Wir sollten etwas Neues finden, eine Partnerschaft, die von Interessen beider Seiten getrieben ist", meinte auch Laporte. "Oder ist es wirklich in unserem Interesse, das Cotonou-Abkommen - ein Überbleibsel der postkolonialen Geschichte - weiterzuverfolgen?" Jose Costa Pereira vom European External Action Service (EEAS) hingegen verteidigte die EU-Afrika-Politik - er bevorzuge jedenfalls "mehr Strukturen" als weniger, zumindest solange sie dazu beitragen, einen Konflikt zu lösen.
Das Cotonou-Abkommen bildet die vertragliche Grundlage der WPAs. Die umstrittenen Abkommen verpflichten afrikanische Staaten, ihre Märkte stärker zu öffnen. Vor allem gegen aus der EU stammende, hochsubventionierte Agrarprodukte haben lokale Produkte deshalb oft kaum eine Chance. Einige Staaten weigern sich deshalb, WPAs zu unterzeichnen.