EBRD rät Schwellenländern zu neuem Wachstumsmodell
Wien/London (APA) - Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) rät den in ihr vertretenen ost- und südosteuropäischen Schwellenländern zu einem neuen Wachstumsmodell. Nachdem die Vorteile der bisherigen Modelle ausgeschöpft seien, müsste dieses neue Wachstumsmodell auf Innovationen aufbauen und über den Import von ausländischen Technologien hinausgehen, so EBRD-Chefökonom Nathaniel Young.
Volkswirtschaften mit mittleren Pro-Kopf-Einkommen tendieren laut dem jüngsten Transition Report 2017-18 der Entwicklungsbank zu einem langsameren Produktivitätswachstum, wenn ihr Einkommensniveau zwischen einem und zwei Dritteln von jenem der USA liegt, so Young am Mittwoch im Wiener Finanzministerium bei der Vorstellung des Reports. Darüber hinaus hinke das Wachstum in vielen Volkswirtschaften der EBRD-Region hinter vergleichbaren Ländern in der restlichen Welt zurück, so Young.
Der Aufholbedarf bei Investitionen in Innovationen und Infrastruktur sei nach wie vor hoch und die Emission von Treibhausgasen liege in der EBRD-Region weiterhin deutlich über dem Wert vergleichbarer Schwellenländer. Dies führe zu Bedenken hinsichtlich der langfristigen Tragfähigkeit des Wirtschaftswachstums in der gesamten Region, führte Young aus.
Investitionen in Infrastruktur machen laut EBRD rund 60 Prozent des gesamten Finanzierungsbedarfes in der Region aus. Über die kommenden fünf Jahre müssten 1,9 Billionen Euro in Infrastruktur investiert werden. Der Ausbau der Transportinfrastruktur könne durch besseren Marktzugang und neuen Handelsbeziehungen zu Einkommenswachstum gerade in historisch benachteiligten Regionen beitragen.
Kritik an den Daten und Ergebnissen des EBRD-Reports kam in der anschließenden Diskussion von der Chefvolkswirtin der Nationalbank (OeNB), Doris Ritzberger-Grünwald. Es sei nicht ganz klar, welche Vergleichswerte die EBRD herangezogen habe und wie sie berechnet worden seien. Sie zweifle daran, dass man mit einer Vergleichsgröße alles messen könne. "Gibt es wirklich eine Investitionslücke in der Region?", so Ritzberger-Grünwald in Richtung Young und verwies etwa auf die hohen Investitionen Chinas in der Region. "China ist bereits ein großer Player in Zentral- und Osteuropa", so die Volkswirtin. Einige der EBRD-Forderungen würden wohl eine stärkere empirische Untermauerung benötigen, meinte sie.
Die EBRD wurde 1991 gegründet hat sich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989 zur Aufgabe gemacht, diese Länder in ihrem Transformationsprozess hin zu Marktwirtschaft und privatem und unternehmerischem Handeln finanziell zu unterstützen.