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Große Teile der Bevölkerung seien verunsichert, viel Neues und Ungewohntes ströme derzeit auf sie ein. "Man schaut auf die Politik und erwartet sich, dass diese Ordnung macht", sagte Vranitzky. Nur sei dies angesichts globaler Herausforderungen wie Kriegen oder dem Klimawandel leichter gesagt als getan. Antidemokratische Kräfte, die einen "starken Mann" fordern, der Ordnung schaffe, fänden so Zustimmung. "In schwierigen Zeiten tut es gut, da und dort einen Schulterschluss zu suchen - zum Nutzen des Landes", sprach sich Vranitzky für bessere Zusammenarbeit unter demokratischen Werten verpflichteten Parteien aus. So könne an Lösungen gearbeitet und ein Gegenpol zu rechtsextremen Kräften geschaffen werden, deren größter Mangel sei: "Sie haben für nichts eine Lösung."
Zeiler merkte an, dass er kein Land kenne, in dem rechtsextreme Parteien mehr als 30 Prozent Zustimmung hätten. "Diejenigen, die noch daran glauben, dass wir in unserem demokratischen System Antworten finden können, sind noch immer in der Mehrheit. Aber vielleicht ist diese Mehrheit das letzte Mal da", warnte der Medienmanager. Es gebe keine perfekten Antworten auf viele Fragen unserer Zeit, "aber es gibt Antworten". Parteien müssten mehr Pragmatismus und weniger Ideologie an den Tag legen. "Es geht nur mit Kompromissen", sagte Zeiler und hoffte, dass die politischen Parteien aufwachen und ins Handeln kämen.
Auch der Medienbereich sieht sich mit einem Wandel und damit einhergehenden Herausforderungen konfrontiert. "Am globalen Medientisch sind vier oder fünf Sessel frei", konstatierte Zeiler. Aber: "Globale Medienunternehmen können nicht alles abdecken." Es würden auch lokale Medien überleben, sofern sie sich anpassen und ihren Nutzerinnen und Nutzern dorthin folgen, wo sie konsumieren, prophezeite er. In Österreich sei die Lage insofern einfach, "weil die Österreicher wollen nicht nur von deutschen Medien dominiert werden". Somit habe etwa der ORF gute Chancen, in die neue Zukunft hineinzuwachsen. Insgesamt werde es im österreichischen Medienmarkt aber zu einem Rückgang an Vielfalt kommen. Doch das bedeute nicht zwingend, dass die Qualität der Berichterstattung darunter leide. "Wenn es weniger Zeitungen gibt, deren Journalisten aber mehr Zeit zum Recherchieren haben, ist es für die Konsumenten vielleicht nicht das Schlechteste", sagte Zeiler.
Manche Journalistinnen und Journalisten recherchieren dort, wo andere tunlichst wegwollen: in Kriegsgebieten. "Es wird für Journalisten immer gefährlicher, weil der Krieg mit immer gefährlicheren Mitteln geführt wird", sagte CNN-Korrespondent Frederik Pleitgen, der für eine Podiumsdiskussion aus der Ukraine zugeschaltet war. Raketenangriffe und Drohnen schlagen zusehends abseits der Front ein. "Was uns hilft zu überleben, ist keine Weste oder gepanzertes Fahrzeug, sondern meistens die Vorbereitung", erklärte er. Dennoch sei er in der Ukraine schon öfter als in anderen Einsätzen davor gestanden, "erledigt" zu werden.
Auch Paul Ronzheimer, stv. "Bild"-Chefredakteur und Kriegsreporter, bestätigte, dass die Lage für Journalisten immer gefährlicher werde. Man könne sich zwar gut vorbereiten, "aber wenn bewusst Hilfskonvois und Journalisten angegriffen werden, kann man in dem Moment nicht viel tun". Man sei stark auf Leute vor Ort angewiesen, die wüssten, welche Gegenden derzeit besonders gefährlich seien.
Trotz der Gefahr könne man in der Ukraine "relativ frei" berichten, befand CNN-Journalist Pleitgen. Ronzheimer stimmte zu, die Ukraine sei "sehr offen für Journalisten". Anders sieht die Lage im Nahostkonflikt aus. Westlichen Reportern wird der Zugang zum Gazastreifen verwehrt - ein "Unding", so Ronzheimer. "Es ist in allen Kriegsgebieten gefährlich, und die Verantwortung übernehmen wir selbst. Wenn man nicht reingelassen wird, muss man sich die Frage stellen: 'Warum?'". Anna Schneider, "Chefreporterin Freiheit" bei der "Welt", erachtete es als "schwierig", dass Israel der Pressefreiheit keinen Vorzug gebe. So könne man nur spekulieren, und Spekulationen wolle sie den Leserinnen und Lesern nicht vorsetzen.
Tim Cupal, bis vor kurzem Büroleiter des ORF in Israel, weiß von den Einschränkungen und behilft sich u.a. damit, das "Arbeitsleid des Journalisten" in solchen Situationen aufzuzeigen. Er spreche klar an, wo die Berichterstattung eingeschränkt und damit das Urteil über Meldungen aus dem Kriegsgebiet nicht möglich sei. Prinzipiell hagle es "sehr viel Propaganda von beiden Seiten". Daher sei es immer gut, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen - sofern möglich.
(S E R V I C E - www.medientage.at)