Olympische Traumstadt oder: Sotschi - ein Alptraum als Wintersportort

Wie bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi Millionen verdient und in den Sand gesetzt wurden: trend-Redakteur Othmar Pruckner hat hinter den glitzernden Olympia-Vorhang geblickt. Seine Foto-Reportage zeigt, dass Vladimir Putins Träume vom Kaukasus als Top-Wintersportdestination noch Schäume sind und rund um Sotschi noch viele Millionen investiert werden müssen.

Olympische Traumstadt oder: Sotschi - ein Alptraum als Wintersportort

Das Retortenbaby

Rosa Khutor, rund vierzig Kilometer von der Schwarzmeerstadt Sotschi entfernt, ist eine Alpinstadt aus der Retorte – und noch die ansehnlichste unter all den Retortensiedlungen, die in und um die Olympiastadt Sotschi aus dem Boden gestampft wurden. Auch internationale Hotelketten haben ihr ihre Häuser errichtet. Wie die ungeheuren 42.000 Hotelzimmer, die hier und in der näheren Umgebung gebaut wurden, jemals gefüllt werden können, steht freilich in den Sternen. Ein nachvollziehbares Nachnutzungskonzept für die Skigebiete gibt es noch nicht. Dietmar Fellner, der österreichische Handelsdelegierte in Moskau, sieht in russisch geführten Häusern auch große Mängel in der Dienstleistungsqualität. Sein Bemühen, russische Unternehmen mit österreichischem Tourismus-Know-How zusammenzubringen, sind bislang noch wenig erfolgreich. Zu befürchten ist, dass viele Häuser über kurz oder lang in Konkurs geschickt werden und Teile der Hotelstädte verfallen.


Bild: © Othmar Pruckner

Das Olympia-Traumhaus

Das Österreich-Tirol-Haus („Austria-Tyrol-House“) war eigentlich kein Haus, sondern eine gewaltige Zeltkonstruktion, die im Gegensatz zu den überdimensionierten, massiven Hotelbauten nach den „Parolymics“, die ab 7. März in Sotschi und Umgebung stattfinden, wieder abgebaut wird. Es liegt „verkehrsgünstig“ an der vierspurigen Autostraße im Ort Krasnaya Polyana, in unmittelbarer Nachbarschaft der riesigen Endstation der neuen Bahnstrecke, die von Sotschi hierher gebaut wurde.

Das Haus hat eine zentrale Funktion: Es ist Meeting Point und Lobbying-Plattform. Der All-Inclusive-Eintritt pro Olympia-Tag kostete 300 Euro. Das Konzept gilt bereits als Erfolgsmodell. Finanziert von mehreren Sponsoren fanden hier nicht nur rauschende Siegesfeiern statt. Unternehmer trafen Investoren und Politiker, hier zeigte sich Sigi Wolf ebenso wie Wladimir Putin. Das Haus war und ist ein Netzwerk-Instrument der olympischen Sonderklasse und soll in ähnlicher Form bei den Olympischen Sommerspielen in Rio und auch 2018 bei der nächsten Winter-Olympiade in Südkorea zum Einsatz kommen.


Bild: © Othmar Pruckner

So sehen Olympiasieger aus

Christoph Leitl war im Österreichhaus in gar nicht geheimer Mission unterwegs. An zwei Tagen sprachen Vertreter der WKO und des ÖOC mit wichtigen Besuchern aus Korea. In diesem fernöstlichen Land finden in vier Jahren die nächsten Olympischen Winterspiele statt – und der Präsident der Wirtschaftskammer will, dass heimische Unternehmen auch dort hinreichend zum Zug kommen. Gute Stimmung, weiß Leitl, ist die halbe Miete. Also lud er den Vorsitzenden des koreanischen Olympischen Komitees Kim Ji-Young vorsichtshalber nach Österreich ein, und ist sich sicher: „Der wird auch kommen.“ Wenn es insgesamt auch nicht so viel Aufträge wie in Sotschi werden: Zumindest der Seilbahnbauer Doppelmayr weiß schon jetzt, dass er mit im Boot ist.


Bild: © Othmar Pruckner

Die Olympia-Kanonen

Sigi Wolf hat gut lachen: Er ist mit seiner Basic-Element-Gruppe einer der Hauptnutznießer der „Putin-Spiele“. Hier scherzt er – natürlich im Österreich-Tirol-Haus – mit dem russischen Vizepremier Dmitrij Kozak, dem hauptverantwortlichen Politiker für die Sotschi-Abwicklung. Kozak eilt der Ruf eines gnadenlosen Vollstreckers voraus. Das „Rauhbein“ wurde von Putin eingesetzt, als sämtliche Bau-Fahrpläne in Verzug waren und die rechtzeitige Fertigstellung des Gesamtprojekts in Frage stand. Mit eiserner Hand schaffte Kozak das Unmögliche, bekanntlich fanden die Spiele erfolgreich statt. Kozak gilt als Freund Österreichs – und ist so wie Sigi Wolf eine zentrale Drehscheibe für die funktionierenden russisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen.

Insgesamt erzielten heimische Unternehmen mit dem Sotschi-Projekt 1,8 Milliarden Euro Umsatz und damit mehr als deutsche Unternehmen. Und naturgemäß konnten in Sotschi selbst auch schon neue Geschäfte eingefädelt werden.


Bild: © Othmar Pruckner

Großer Bahnhof

Die Bahnhofsfassade im Zentrum des ehemaligen Bergdorfs Krasnaya Polyana. Die Dimensionen der Station sind mit jenen des des neuen Wiener Zentralbahnhofs vergleichbar. Zu Zeiten der Olympischen Speile war die Bahnstrecke – mit der Straße das teuerste Einzelinvestment – gut ausgelastet. Was danach geschieht, steht allerdings in den Sternen. Noch ist für die Olympiaregion kein klar erkennbares Nachnutzungskonzept sichtbar – eine schlechte Ausgangslage für das Massenverkehrsmittel Bahn.


Bild: © Othmar Pruckner

Olympische Tribüne

Das Bauwerk in den hohen Bergen wird nach den Spielen wieder abgebaut, die Straße zum Fuß des Slalomhangs im Rosa Khutor Alpine Center aber bleibt. Die Besucher wurden mit einer enormen Flotte von Autobussen zur Sportstätte geschafft, die Organisation verlief weitgehend reibungslos. Wer hier der Hauptsponsor war, lässt sich im Übrigen unschwer feststellen. Für Konzerne wie Coca Cola sind Olympische Spiele natürlich eine extrem wichtige Tribüne. Die Omnipräsenz von großen Marken machen den Sinn der Spiele überdeutlich: Sie dienen nicht zuletzt als einzige, große Werbefläche.


Bild: © Othmar Pruckner

Die Österreich-Werbung

Österreichs Spitzensportler – hier Marlies Schild nach dem Gewinn ihrer Silbermedaille im Slalom – wurden dem begeisterten Publikum vorgeführt. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer des ÖOC, Peter Mennel (li.) und dem ÖOC-Präsidenten Karl Stoss musste Schild um Mitternacht vor der Sponsorwand des Österreich-Tirol Hauses für die Fotografen posieren – ein symbolträchtiges Foto dafür, wie eng Wirtschaft und Sport miteinander verzahnt sind.


Bild: © Othmar Pruckner

Vertiefende Gespräche

Die Korea-Delegation holt sich Trost und Rat beim WKO-Vizepräsidenten Richard Schenz und Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser. Schenz schwärmt von den Vorzügen und Erfahrungen Österreichs auf olympischem wie touristischem Gebiet und bietet Hilfestellung in vielerlei Hinsicht an – nicht ganz selbstlos, natürlich. Das Unwort „Hypo“ wurde bei dieser Kontaktaufnahme hingegen nicht ausgesprochen.


Bild: © Othmar Pruckner

Pecunia non olet

Alexander Kravtschenko und Victoria Korshunova führen die AVK GmbH. Das Unternehmen stattet Sportstätten mit Geräten und Bodenbelägen, mit Fertigrasen und Klappsesseln aus. In Sotschi traf das österreichisch-russische Erfolgs-Couple unter anderem die Vizeministerin der Region Krasnodar – Beziehungen sind in Russland zur Anbahnung großer Geschäfte noch wichtiger als anderswo. Für die beiden hat sich der Aufenthalt in der Olympiastadt und im Österreich-Haus zweifellos gelohnt, wie man an den zufriedenen Gesichtern sehen kann. Die Fußball – WM 2018 in Russland steht ja vor der Tür und damit eröffnet sich in jedem Fall ein breites Aufgabenfeld.


Bild: © Othmar Pruckner

Stranded Investment

Wer immer diese Hotelanlage hoch über dem Tal im „Mountain Carousel“ in Krasnaya Polyana gebaut hat: sie ist bereits jetzt dem Untergang geweiht. Direkt in einem gefährlichen Lawinenstrich gelegen, ist sie bis zur Olympiade nur teilweise fertiggestellt worden. Das Skigebiet ist, wie auch am Bild ersichtlich, alles andere als schneesicher, die Saisonmaximal zwei Monate lang. Die Pisten sind, so Schnee liegt, für Familien und durchschnittlich begabte Skifahrer unbezwingbar und aufgrund ihrer Steilheit auch schwer zu präparieren.


Bild: © Othmar Pruckner

Der Generalplaner

Wolfgang Mayrhofer ist Geschäftsführer des Planungsbüros Masterconcept. Sein Unternehmen mit Sitz in Salzburg war maßgeblich an der Entwicklung der Olympia-Region beteiligt. Der Planer kennt das gesamte Gebiet so gut wie seine Anoraktasche – und somit auch die enormen Schwächen. Um die Region nachhaltig und sinnvoll zu entwickeln, bräuchte es nochmals 300 Millionen Euro, glaubt er. Von der Bergstation aus zeigt er auf die gegenüberliegenden, bis über 3000 Meter Seehöhe ansteigenden Berge des Kaukasus. „Dort müssen wir hinauf“, sagt er, da hinten sind die Gletscher, auf denen man wirklich fahren kann“. Seine Träume werden wohl so rasch nicht umgesetzt werden – doch wer weiß? Der Berater von Premier Russlands Premierminister Dimiti Medwedew ist sein Freund, mit Vizepremier Kozak geht er ab und zu Skifahren. Wenns nichts wird mit der Skigebietserweiterung: Auch egal, Sotschi allein hat ihm und seinem Partner Gernot Leitner bereits hübsche Millionenumsätze gebracht. Außerdem muss es nicht nur Wintersport sein: Es gibt für die kreativen Planer auch für die Fußball-WM 2018 einiges zu tun.


Bild: © Othmar Pruckner

Die Formel eins, eine olympische Disziplin

Dies ist, wie mit Kennerblick leicht festzustellen, eine Zuschauertribüne einer Formel-Eins-Rennstrecke. Die Tribüne steht halbfertig am Rande des Olympiaparks von Sotschi. Von der Rennstrecke selbst ist hingegen noch gar nichts zu sehen, was insofern erstaunt, weil hier am 9. Oktober ein F-1-Rennen über die Bühne gehen soll. Doch im raschen Bauen sind die Russen ja Weltmeister, also wird sich auch hier der Fahrplan irgendwie erfüllen lassen. 250 Millionen, so der Plan, soll das Projekt zusätzlich kosten. Österreichische Unternehmen sind jedenfalls auch hier „dran“. Skidata, Spezialist für Zutrittssysteme, hofft auf einen guten Auftrag. Das Unternehmen ist nicht nur in Österreich, sondern auch in Russland erfolgreich unterwegs und hat seine Umsätze im Land nicht zuletzt dank Sotschi in den letzten Jahren vervielfacht.


Bild: © Othmar Pruckner

Ein Alptraum von Wintersportort

Nein, ein Lech am Arlberg, ja nicht einmal ein Saalbach-Hinterglemm wird aus Krasnaya Polyana je werden. Für Olympia wurden nicht nur völlig überdimensionierte und wenig freundlich anmutende Hotelanlagen gebaut. Durch den Ort zieht auch die vierspurige Olympia-Autobahn. Ein Verkehrskonzept ist nicht auszumachen, für gemütliches Spazierengehen absolut kein Platz. Geordnete, moderne Raumplanung hat in der Olympiaregion mit Sicherheit nicht stattgefunden. Alles was man sieht, ist sogenannte „harte Verbauung“. Um die Wunden, die der Landschaft zugefügt wurden, zu heilen, bräuchte es viel Engagement, Know-how und Geld – doch woher das nun, in der Zeit nach Olympia kommen soll, ist unklar.


Bild: © Othmar Pruckner

Sotschi, eine Absprungbasis

Die Olympia-Sprungschanzen in RusSki Gorki Jumping Center stehen wenige Tage nach den glanzvollen Wettbewerben Ende Februar einsam und verlassen auf der immergrünen Wiese. Sie sollen zu einem Trainingszentrum für russische Skispringer und Skispringerinnen umgewandelt werden. Vorher müssen allerdings noch Matten aufgelegt werden, denn die Präparation mit Kunstschnee wäre unfinanzierbar und die meiste Zeit des Jahres auch technisch unmöglich. Die Geschichten um das viele Geld, das beim Bau der Schanzen in den Taschen des Bauleiters verschwunden sind, wurden sogar im russischen Fernsehen erzählt. Der Bauleiter floh am Tag seines Rauswurfs nach Frankreich. – Eine halbe Stunde von den Sprungschanzen entfernt liegt der Schwarzmeer-Hafen von Sotschi. Das viel zitierte Bild des Wintersportorts in den Subtropen ist zwar beim ersten Hinsehen originell – doch die Milliardeninvestionen in der Olympiaregion werden durch das viel gerühmte milde Klima vermutlich rasch abschmelzen.

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