Abpfiff: Brexit für die Profifußballer Payet, Kante, Wimmer, Can & Co
Für Fußballer aus EU-Ländern könnte der Brexit die Lebensgrundlage von einem Tag auf den anderen entziehen, weil sie künftig Arbeitsgenehmigungen benötigen. Spieler aus dem EU-Raum würden dann wie Mitarbeiter aus Drittländern behandelt. Und für diese gibt es strenge Vorgaben, die sich an der Karrieren in den Nationalmannschaften ihrer Herkunftsländer orientieren. Aber nicht nur Fußballspieler sind vom Brexit betroffen, auch Cricketspieler würden zum Handkuss kommen.

London. Die Briten haben am gestrigen Donnerstag mit fast 52 Prozent für einen "Brexit" gestimmt. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU könnte könnte für die englische Fußball-Premier-League und die darunter angesiedelten Profi-Ligen äußerst unangenehme Folgen haben. Nach derzeit geltendem Recht würden nämlich die Arbeitsgenehmigungen für zahlreiche Legionäre aus dem EU-Ausland wegfallen.
Dutzende Profis stünden auf einmal ohne Spielerlaubnis da, die Clubs müssten ihre Kader teilweise komplett neu aufstellen. Die momentane, vom englischen Verband durchgesetzte Bestimmung sieht vor, dass Spieler aus Nicht-EU-Staaten lediglich unter der Voraussetzung eine Arbeitsgenehmigung erhalten, "etablierte Nationalspieler aus führenden Fußball-Nationen" zu sein.
Konkret heißt das: Ein Kicker aus einer Top-10-Nation im FIFA-Ranking bekommt nur dann eine Spielerlaubnis, wenn er in den zwei Jahren vor dem Vertragsabschluss mindestens 30 Prozent aller Ländermatches seines Heimatlandes absolviert hat. Für Spieler mit einem Pass aus einem Land auf den Plätzen 11 bis 20 erhöht sich der Prozentsatz auf 45, für jene von 21 bis 30 auf 60 und für jene von 31 bis 50 auf 75. Ausnahmen gibt es bei Verletzungen oder aufstrebenden Talenten.
Spieler mit einem EU-Pass sind von dieser Vorschrift ausgenommen - aber nur, so lange Großbritannien Mitglied der Europäischen Union ist. Sollten die Briten am 23. Juni für einen Austritt stimmen, wären Profis aus EU-Staaten und damit auch aus Österreich Spielern aus allen anderen Ländern der Welt gleichgestellt und müssten damit die selben Kriterien erfüllen.
Im Moment wäre dies bei Christian Fuchs (Leicester City), Marko Arnautovic (Stoke City) und Sebastian Prödl der Fall. Kevin Wimmer (Tottenham) könnte jedoch nicht die erforderliche Anzahl von Länderspielen vorweisen. Ebenso der deutsche Nationalspiele Emre Can vom FC Liverpool, der in "La Mannschaft" der Deutschen im 23er Kader steht und noch auf zu wenig Einsätze kommt. Das trifft auch für in der abgelaufenen Saison herausragende Fußballer wie N'Golo Kante (Leicester) oder Dimitri Payet (West Ham) zu. Beide sind zwar französische Internationale, die zuletzt bei der Euro 2016 zu den herausragenden Spielern der Franzosen zählten. In der Vergangenheit zählten sie nicht zu den Stammspielern der "Equipe Tricolore" - eine Arbeitsgenehmigung für die Spieler wäre daher außer Reichweite, berichtete die BBC. Aber auch unzählige, noch nicht bekannte Nachwuchsspieler, die noch in der zweien Reihe der Premier League-Klubs oder in ihren Jugendakademien spielen, müssten sich künftig Arbeitspapiere anschaffen.
Nach den Angaben von BBC würden derzeit über 100 Premier-League-Profis aus EU-Ländern bei einem Brexit die Spielerlaubnis verlieren. In den jeweils beiden Top-Ligen Englands und Schottlands wären davon insgesamt 332 Spieler betroffen.
Ohne neue Sonderregeln für Europäer wird der Pool der verfügbaren ausländischen Profis für die Premier-League-Clubs kleiner, die Ablösesummen würden noch weiter steigen. Experten erwarten jedoch, dass das Innenministerium der Liga aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung auf irgendeine Weise entgegenkommen wird. Ein Wertverlust des britischen Pfunds könnte ebenfalls einen Nachteil auf dem internationalen Transfermarkt bringen. Besonders schwer wöge zudem der Einschnitt im Werben um Talente: Gemäß FIFA-Transferregeln darf ein Spieler zwischen 16 und 18 Jahren in ein anderes EU-Land wechseln. Weltweit ist dies erst ab 18 Jahren der Fall, sollten nicht beispielsweise die Eltern ihren Wohnsitz wechseln.
Einer dreistelligen Zahl von jungen Nachwuchskickern wäre in der vergangenen Saison ein Transfer in die Premier League verwehrt geblieben.
Unter diesen Regeln hätte auch Superstar Cristiano Ronaldo im Jahr 2003 als junger Spieler nicht zu Manchester United wechsen können, wo er bis 2009 unter Vertrag stand und dann zu seinem heutigen Klub Real Madrid gewechselt hat. Ebenso Frankreichs aktueller EM-Held Dimitri Payet hätte nicht nach England wechseln können, weil er als Franzose die Voraussetzungen für die notwendige Arbeitspapiere nicht erfüllt hätte.
Kick-off nach Kick-out
Der mögliche Aderlass an Gastspielern könnte aber auch positive Auswirkungen für den englischen Fußball haben. Durch die Flut an Legionären kamen englische Spieler zu immer weniger Einsatzzeiten, worunter wiederum das Nationalteam litt. "Bei einem EU-Austritt müssten sich die Clubs wieder auf ihre eigenen Talente konzentrieren. Das wäre für die Nationalmannschaft gut", vermutete die Spieleragentin Rachel Anderson. Und auch de Ex-Internationale Sol Campbell meinte, dass ohnehin "mittelmäßige Fußballspieler aus Übersee und aus Europa junge britische Talente verdrängen". Der Ex-Internationale der Nationalmannschaft von England reiht somit in die Argumentation der Austrittsbefürworter ein.
Ein Wertverlust des britischen Pfunds könnte ebenfalls einen Nachteil auf dem internationalen Transfermarkt bringen. Besonders schwer wöge zudem der Einschnitt im Werben um Talente: Gemäß FIFA-Transferregeln darf ein Spieler zwischen 16 und 18 Jahren in ein anderes EU-Land wechseln. Weltweit ist dies erst ab 18 Jahren der Fall, sollten nicht beispielsweise die Eltern ihren Wohnsitz wechseln.
Ob aber ein Brexit tatsächlich einen Exodus von Legionären zur Folge hätte, darf bezweifelt werden. Experten gehen davon aus, dass in diesem Fall einfach die Kriterien für eine Arbeitsgenehmigung angepasst werden würden. "Ich wäre überrascht, wenn es diesbezüglich nicht zu Änderungen kommen würde. Finanzkräftige Sport-Organisationen haben immer die Schlagkraft, die Regeln zu ihren Gunsten zu verändern", sagte Raymond Boyle, Professor der Universität Glasgow, der BBC.
"Verdammter Mist"
Mit Ärger und Verunsicherung haben eine Reihe britischer Sportstars auf das Brexit-Votum zum Austritt aus der Europäischen Union reagiert. "Verdammter Mist! Was haben wir getan?", twitterte der ehemalige englische Fußball-Nationalspieler Gary Lineker.
Aber auch Sportler anderer Sportarten reagierten mit gr0ßer Enttäuschung. "Ich fühle mich, als würde ich in einem fremden Land leben", schrieb der einstige Weltklasse-Leichtathlet und Dreisprung-Weltrekordler Jonathan Edwards. "Enttäuscht", meinte Jamie Roberts, Rugby-Star aus Wales.
Segel-Olympiasieger Ben Ainslie verglich die Abstimmung mit dem Kentern eines Schiffes: "Es ist Zeit, das Boot wieder klarzukriegen und gemeinsam in eine Richtung zu gehen." Der ehemalige Kapitän der englischen Cricket-Nationalmannschaft, Michael Vaughan, ist nicht sicher, was er von der Abstimmung halten soll: "Nur die Zeit wird zeigen, ob es die richtige Entscheidung war." Er ist enttäuscht von den "Lügen" der Befürworter und Gegner des Brexits.
Nicht nur der Fußball ist betroffen. Durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2003 genießen Sportler aus 79 Ländern aus Afrika, der Karibik und der Pazifikregion (AKP-Staaten) die gleichen Rechte wie EU-Athleten. Besonders im Cricket und Rugby stammen viele Profis beispielsweise aus Südafrika oder von pazifischen Inseln.
Der Austritt Großbritanniens aus der EU austritt, dürfte auch das sogenannte Kolpak-Abkommen in unbestimmter Zukunft aufheben - Sportler aus AKP-Staaten hätten also den Status von normalen Ausländern.