Blondinenklischee, smarte Geschäftsfrau und Wertanlage: Die Barbie wird fünfzig
Die Barbiepuppe feiert ihren 50. Geburtstag. Als vermeintliche Plastik-Tussi polarisiert sie nach wie vor. FORMAT bat heimische Alpha-Ladys, ihre Prägung durch die Spielzeug-Ikone zu analysieren.
Barbie stand immer für die Wahlmöglichkeit der Frau, postulierte einst Ruth Handler, die Mutter der amerikanischen Plastikschönheit. Selbst in ihren frühen Jahren musste Barbie sich nicht damit zufrieden geben, nur Kens Freundin oder ein Shopping-Maniac zu sein. Sie besaß die Outfits, um eine Karriere etwa als Krankenschwester oder Stewardess zu starten, erklärte die smarte Geschäftsfrau zeit ihres Lebens.
In über 100 Berufen tätig
Mittlerweile hat Barbie bereits über 100 verschiedene Jobs ausgeübt. Die Flugbegleiterin wurde zur Astronautin, zur Ärztin und ging mehrmals als Präsidentschaftskandidatin in die Politik. Parteilos übrigens. Trotzdem ist die 30-Zentimeter-Blondine auch heute noch für viele Menschen ein rotes Tuch. Vor allem für ihre Geschlechtsgenossinnen.
Angst vor Image-Transfer
FORMAT machte den Test: Von 20 heimischen Alpha-Frauen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur, die wir anlässlich des Jubiläums zur ihrer persönlichen Erfahrung mit der Barbie befragt haben, waren nur sieben bereit, ein Statement zum Püppchen abzugeben, nur zwei gewillt, sich mit Barbie ablichten zu lassen. Laut Psychologin Gerti Senger nicht wirklich verwunderlich: Es besteht nämlich immer noch die Angst vor einem negativen Image-Transfer, analysiert die Expertin. Die Barbie hat den Ruf, eine Tussi zu sein. Zudem transportiert sie ein Schönheitsideal, an dem viele Frauen verzweifelt scheitern. Eine Meinung, die auch Infrastrukturministerin Doris Bures, teilt: Das Frauenbild, das die Barbie darstellt, ist schon bedenklich.
Anstößiger Körperbau
Insbesondere der Körperbau der Spielzeugfigur ist oft Stein des Anstoßes: Die Wespentaille, der große Busen und die endlos langen Beine scheinen einfach zu schön und perfekt, um tatsächlich wahr zu sein. Denn, so bringt es Roberta Manganelli, Chefin der Wiener Modelagentur Stella Models, auf den Punkt: Normalsterbliche Frauen wären mit diesen Maßen gar nicht überlebensfähig, da sie mit so einem Körper immerzu umfallen würden. Obendrein ist die Barbie auch noch hochgradig magersüchtig: Gynäkologen zufolge wäre ihr Körperfettanteil nämlich so gering, dass bei ihr die Menstruation gar nicht erst einsetzen würde. Die gertenschlanke Silhouette könnte bei kleinen Mädchen den Eindruck vermitteln, man müsse als Frau so aussehen, warnt Senger vor falscher Idealisierung.
Korrektes Spielzeug für Kinder?
Und auch die Frage nach dem pädagogischen Wert der künstlichen Schönheit scheidet die Geister. Für Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, verkörpert die Barbie nicht mehr als ein sexuelles Klischee, dem man auch nichts abgewinnen kann: Ich habe meinen Nichten bewusst keine dieser Puppen geschenkt, da diese offenkundig der männlichen Fantasie entsprungen zu sein scheinen. Laut der österreichischen Psychologin Helga Redl-Kernstock allerdings erweist die Plastik-Beauty aus erzieherischer Sicht durchaus auch positive Dienste.
Die Puppe als Erwachsene
Es gibt kaum Spielzeuge, bei denen eine Puppe eine Erwachsene ist, so die Expertin. Mädchen setzen sich dadurch wie in Rollenspielen oder beim Verkleiden mit der Welt der Großen auseinander. Ähnlich sieht es die Kärntner Künstlerin Gudrun Kampl, die ihre 10-jährige Tochter bedenkenlos mit der Miniaturblondine spielen lässt. Durch die Auseinandersetzung mit der Barbie schlüpft meine Tochter in unterschiedliche berufliche Situationen und übt die zwischenmenschliche Interaktion, die übers Muttersein hinausgeht.
Safer-Sex-Botschafterin und Wertanlage
Aber nicht nur Girls fahren auf die Barbie ab. Für Charity-King Gery Keszler war sie in der Kindheit eine Identifikationsfigur. Heute interessiert ihn an der Barbie primär das Gute, das er mit ihr bewirken kann: Die Barbie ist eine Botschafterin für Safer Sex. Drei Life-Ball-Barbies wurden bereits von namhaften Designern eingekleidet und waren bei Sammlern sehr begehrt. Somit ist die Barbie auch eine Wertanlage. Seltene Objekte der Jahre 1959 bis 1972 erzielen derzeit mitunter Preise von mehreren Tausend Euro.
Birgitt Kohl