Trend Logo

Lust for Life: Porno wie im echten Leben

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
6 min
Lust for Life: Porno wie im echten Leben
Erika Lust, Querdenkerin, Regisseurin und Porno-Produzentin.©Lust Films
  1. home
  2. Lifestyle
  3. Stil

Erika Lust dreht Sexfilme, bei denen die weibliche Befriedigung im Fokus steht. Damit fordert sie die XXX-Branche heraus und lädt andere Frauen ein, an der Diskussion über Sex und Porno teilzunehmen.

von

Erika Lust: Renommierte Porno-Regisseurin aus Schweden

Sexgeile Krankenschwestern, muskulöse Mechaniker und die stets gleichen Plots, bei denen Frauen bloß Werkzeuge zur Befriedigung männlicher Bedürfnisse sind: Herkömmlichen Pornofilmen kann die 38-jährige schwedische Regisseurin Erika Lust wenig abgewinnen.

Dabei steht sie dem Thema Sex im Film sehr aufgeschlossen gegenüber. "Pornografie ist ein sexueller Diskurs“, sagt sie: "Das Problem ist nur, dass dieser von chauvinistischen Männern ohne sexuelle Intelligenz geführt wird.“

Lusts Gegenentwurf sind Filme, in denen es auch wild zur Sache geht. Das ist jedoch alles, was ihre Produktionen mit XXX-Ware von der Stange gemeinsam haben. Bei Lust dominieren die langsame Kameraführung, saubere Schnitte und vor allem Storys abseits derer des ausgelutschten Genres. Ihre Filme erinnern somit mehr an Independent-Kunstfilme als an einschlägige, stumpfsinnige Pornos.

Erika Lust will keine blutjungen Schauspielerinnen

Erika Lust achtet bei ihren Pornos auf das Wohlergehen ihrer Darsteller. Sie werden gut bezahlt, sollen sich beim Dreh wohlfühlen und müssen aktuelle Gesundheitschecks vorlegen. "In traditioneller Pornografie glaube ich den Produzenten nicht, dass sie sich um all diese Dinge kümmern", sagt sie: "Es ist schwer, einer Branche zu vertrauen, die Filme mit Titeln wie 'barely legal' produziert, wo junge Mädchen zu Dingen gezwungen werden, die sie nicht wollen."

Lusts eigene Schauspieler sind im Schnitt 30 Jahre alt - dabei räumt sie ein, dass sich Schauspielerinnnen in diesem Alter oft nur schwer finden lassen.

Blurred image background

Szenenfoto aus einem Erika Lust Film

© Lust Films

Erika Lust macht Pornos abseits des Mainstream-Kinos

"Die chauvinistische Branche strebt nach jungen Darstellerinnen, ältere werden systematisch ausgeschlossen", klagt Lust. Das ist freilich nicht nur bei Pornos der Fall, sondern auch beim Modelling, in der Musikbranche und im Mainstream-Kino. Während in diesen Branchen Feministinnen sich aber bereits für ihre Präsenz einsetzen, wird um die Pornobranche meist ein weiter Bogen gemacht - hier steht Lust auf und kämpft ihren Kampf.

Inspiration für ihre Projekte bekommt Lust auch von ihren Fans. Auf ihrer Website xconfessions.com können diese ihre Fantasien niederschreiben, Lust verfilmt anschließend ausgewählte Geschichten. "Viele Leute fragen mich, ob die Gratiskultur im Internet mein Geschäft schädigt“, sagt sie, "aber tatsächlich gäbe es mein Business ohne das Web nicht.“

Aus dem XConfessions-Projekt entstand eine Kurzfilmreihe, darunter unter anderem "The Couchsurfer“, in dem eine Gastgeberin der Zimmervermittlungsplattform Airbnb einen Gast auf besondere Weise empfängt. Lusts Ansatz: Das Intro wurde gefilmt und geschnitten wie ein Werbevideo für Airbnb, nahtlos geht die Story dann in eine Sexszene über.

Mit „Let’s make a porno“ hat die Regisseurin und Produzentin außerdem ein eBook geschrieben, dass eine Anleitung zum professionellen Drehen eines eigenen Pornofilms bietet. Auf ihrer Website kann es gratis heruntergeladen werden, in spanischer und englischer Sprache.

Blurred image background

Szenenfoto aus einem Erika Lust Film

© Lust Films

Reality-Pornos von Erika Lust richtet sich an Kunstinteressierte

Mit ihren Arbeiten will die Produzentin und Autorin vor allem, aber nicht nur Frauen ansprechen. Ihre "Reality-Pornos“ richten sich an Kunst- und Kinointeressierte. An ein urbanes, intellektuelles Publikum, das sich von billigen Pornos mit platten Dialogen und Stellungen eher angewidert als angesprochen fühlt.

Dazu gehört auch, dass die Darsteller keine unnatürlichen Muskelpakete mit Monsterpenissen oder stark geschminkte Gespielinnen mit Riesenbrüsten sind, sondern Menschen mit durchschnittlichen Alltagskörpern.

Blurred image background

Szenenfoto aus einem Erika Lust Film

© Lust Films

Erika Lusts Mission: Frauen in das Porno-Business bringen

Kommerzieller Erfolg ist für Erika Lust zweitrangig. Doch der Markt für intelligente Pornos ist vorhanden: Ihren ersten Film "Das gute Mädchen“ stellte sie gratis ins Netz. Er wurde in wenigen Tagen millionenfach heruntergeladen und von den Medien und Kritiken positiv aufgenommen. Einzig Lusts Mutter rief an und schimpfte, was denn nun die Nachbarn denken sollen.

Erika Lust lässt sich von Kritikern nicht abbringen und verfolgt seit zehn Jahren unbeirrt ihre Mission, Frauen in die Pornografie zu bringen.

Hinter der Kamera, als Regisseurinnen, Produzentinnen und Drehbuchautorinnen. "Nur so ist es möglich, dass auch Frauen an dem Diskurs über Sexualität teilnehmen können“, sagt sie.

Pornografie gestalte die sexuelle Selbstwahrnehmung der Teenager - viele schauen Pornos, bevor sie das erste Mal Sex haben. Lust: "Wir stehen also vor der Entscheidung, ob wir unseren Kindern eine saubere Erziehung geben, oder ob wir das der sexistischen Branche überlassen.“

Das Gespräch mit Erika Lust wurde auf der TEDxVienna geführt. Die TEDxVienna ist eine Konferenz, bei der Trends und Innovationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Technologie in kurzen Vorträgen präsentiert werden.

Lebensart

Über die Autoren

Logo
Abo ab €16,81 pro Monat