Millionen-Stricher: Wahlitaliener Cy Twombly gehört zu den stillen Stars des Marktes

Cy Twomblys Arbeiten rangieren jenseits der Millionengrenze. Im neuen Museum Brandhorst in München ist dem 81-jährigen US-Maler mit Liebe zu Gekritzel eine Etage gewidmet, das Mumok zeigt ab 3. 6. die erste Österreich-Retrospektive.

Auf der einen Seite lehnen mit weißer Farbe grundierte Leinwände, darauf bunte Wachskreide- und Bleistiftkritze­leien, ein wildes Gewirr von Buchstaben und Zeichen. Arbeiten, die aussehen wie unvollständig abgewischte Schul­tafeln oder als hätte man Kritzeleien einer Klowand auf die Leinwand übertragen, obsessiv, oft sexuell konnotiert. Daneben: drei ganz aktuelle, extra für Wien angefertig­te Acrylgemälde.

Vorbereitungsarbeiten im Mumok
Die Arbeiten im Wiener Museum für moderne Kunst laufen auf Hochtouren. Minutiös wird an letzten ­Details der Hängung für die große Cy-Twombly-Personale in zwei Wochen getüftelt. Die Schau zeigt vereint Werke aus allen Schaffensphasen, erstmals auch alle Arbeitstechniken des Künstlers. So werden auch Fotos und 30 Skulpturen Twomblys zu sehen sein, kleinen schlanke Gebilde, die der Künstler aus den Resten seines Ateliers zusammengefügt und in Gips getaucht hat. Fixiert ist auch schon, dass Franz West innerhalb der Retrospektive eine eigene Performance liefern wird. Wann der Künstler selber in der Ausstellung auf­tauchen wird, weiß man nicht. Denn Cy Twombly zählt nicht nur zu den einflussreichsten Künstlern des 20. Jh.s, sondern mit seinen 81 Jahren auch nach wie vor zu den exzentrischsten. Rummel um seine Person schätzt er gar nicht. Selbst im Zuge der großen Retrospektive in der Londoner Tate Modern im Vorjahr war er zu keinem Statement zu seinem Œuvre bereit.

Achse nach Wien
Vielleicht hat es deshalb so lange gedauert, bis die erste Retrospekti­ve in Wien zustande kam. Über zwei ­Jahre hat Kurator Achim Hochdörfer an dem Projekt gearbeitet. Das kostspielige Unterfangen ist, so Hochdörfer, „nur möglich, weil 80 Prozent der Werke vom Künstler selbst stammen“. Besitzt doch das Mumok selbst nur eine Arbeit des Künstlers. Mit dem öffentlichkeitsscheuen Malstar, der seit den 50er-Jahren in Italien lebt, verbindet den Kurator eine ganz persönliche Geschichte. Er hat seine Diplomarbeit über die Skulpturen des Künstlers geschrieben und im Zuge eines Stipendiums für Twombly gearbeitet. „Ich bin im Atelier ein und aus gegangen“, erzählt er und zeigt sich immer noch beeindruckt von der Schaffenskraft Twomblys, der in ganz kleiner Struktur arbeitet, einzig unterstützt von einem 60-jährigen Italiener, der die Verwaltungsarbeit übernimmt, ohne Internet wohlgemerkt, und einem Arbeiter.

Introvertierter Wahlitaliener
Um den prominenten Wahlitaliener ranken sich allerlei Gerüchte: Vor der großen Eisentür seines schlossähnlichen Anwesens nahe Rom, heißt es, hätte schon so mancher Journalist tagelang verharrt. Ergebnislos. Er könne nun einmal nur arbeiten, wenn er allein im Haus sei, ließ Twombly verlautbaren. Nicht einmal seine Gattin teilt mit ihm das Anwesen. Neben den Wohnsitzen in Gaeta nahe Rom und Neapel besitzt Twombly auch ein Haus in Lexington, wo er drei Monate des Jahres verbringt. Die Wiener Schau gibt neben dem Werküber­blick auch einen über die Karriere, die sehr brüchig verlief. Der introvertierte Süd­staatler aus Lexington, Virginia, Sohn eines Baseballprofis, gehört zu den stillen Stars des Marktes. Schon als Kind bekam er Malunterricht. Nach dem Kunststudium an diversen Hochschulen besuchte er kurz das Black Mountain College, um Anfang der 50er-Jahre eine Europa- und Nordafrikareise mit Robert Rauschenberg an­zutreten. Nach seiner Hochzeit mit der ­italienischen Baronin Tatia Franchetti blieb der Amerikaner ganz in Italien. Sohn ­Cyrus Alessandro ist ebenfalls Künstler.

Von Flop zu Top
Neben Jasper Johns und Robert Rauschenberg ist es Twombly nicht nur gelungen, eine neue Ära der US-Kunst einzuleiten, sondern auch eine ganz eigene, höchst einflussreiche Bildsprache zu entwickeln. Als allerdings US-Kunsthändler Leo Castelli 1964, in der Hochzeit der Pop-Art, die ersten kalligrafischen ­Arbeiten Twomblys ausstellte, wurde noch keine einzige Arbeit verkauft. Zu verschlüsselt, urteilte die Kritik über dieselben Werke, die 15 Jahre später hymnisch gefeiert wurden und Künstlern wie Jean-Michel Basquiat, Julian Schnabel oder Franz West als Inspiration dienten. Seit den 80er-Jahren steigt Twomblys Preis kontinuierlich. Für Arbeiten mittlerer Größe sollte man 1,2 Mio. aufwärts in der Tasche haben. Das ohnehin rare Marktangebot wird vom Stargaleristen Larry Gagosian gesteuert, Twomblys Gemälde finden sich im New Yorker Museum of Modern Art oder der Menil Collection in Houston.

Ganzer Stock im Brandhorst
Im neuen Museum Brandhorst, das am 21. 5. mit der Sammlung des Henkel-­Erben Udo Brandhorst in München eröffnet wird, ist dem Amerikaner ein ganzes Stockwerk gewidmet. Das 48 Mio. Euro teure Gebäude der Architekten Sauerbruch Hutton gilt mit seiner Außenfassade aus 36.000 Keramikstäben bereits selbst als Kunstwerk. Weder in München noch in Wien sollte man sich von Twomblys Kunst aber dermaßen hinreißen lassen, wie eine Besuche­rin 2007 in Avignon. Sie war von einem der Großformate dermaßen verzückt, dass sie das 2-Mio.-Euro-Werk küsste. Das lippenstiftverschmierte Gemälde musste für 4.500 Euro restauriert werden …

Cy Twombly, „Sensations of the Moment“:  
Die erste Retrospektive des US-Künstlers in Österreich zeigt neben Gemälden und Zeichnungen erstmals auch Skulpturen und Fotoarbeiten Twomblys. Man rechnet mit 100.000 Besuchern. Mumok, ab 3. 6.

Von Michaela Knapp

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